Zeitenwende läuft
Neue Milliarden für die Bundeswehr in Planung: Geht es auch ohne Reform der Schuldenbremse?
Bundeswehr, Bildung, Infrastruktur: Die neue Bundeswehr braucht Milliarden für nötige Investitionen. Doch woher kommt das Geld, wenn nicht von einer Reform der Schuldenbremse?
Berlin – Das Ende der restlichen Ampel-Koalition ist nach der Bundestagswahl besiegelt, doch die Probleme bleiben. Besonders Fragen der Verteidigungsfähigkeit Deutschlands und Europas sowie die Unterstützung der Ukraine bekommen durch die Politik von US-Präsident Donald Trumps eine neue Dringlichkeit. Denn auf die USA, so der Tenor, ist unter dem Rechtsaußen kein Verlass mehr.
Schuldenbremse-Reform soll Investitionen in die Bundeswehr, Infrastruktur und Bildung ermöglichen
Neben der veränderten Sicherheitslage sind zudem Investitionen in Infrastruktur und Bildung nötig. „Politik und Wirtschaft haben es über viele Jahre und Jahrzehnte versäumt, entschlossen in die Modernisierung der Infrastruktur und Verwaltung, in die eigene Verteidigungsfähigkeit und in die Entwicklung neuer Produkte und Technologien zu investieren“, sagte die Vorsitzende des Sachverständigenrats für Wirtschaft, Monika Schnitzer, der FAZ.
Angesichts der schwachen Konjunktur und geringeren Steuereinnahmen des Bundes wird das zur Herausforderung für die neue Regierung. Die Sondierungsgespräche der sich abzeichnenden Großen Koalition aus Union und SPD unter einem Kanzler Friedrich Merz werden sich daher um die Frage drehen, woher die Milliarden kommen. Damit wackelt nun auch die Schuldenbremse – zumindest in der bisherigen Form.
„Stabilitätsorientierte Schuldenbremse“ und Sondervermögen laut Wirtschaftsweisen nötig
Der künftige Kanzler müsse dringend „eine stabilitätsorientierte Reform der Schuldenbremse bei gleichzeitig verbindlicher Verstetigung zukunftsorientierter Ausgaben, zuvorderst Infrastruktur, Verteidigung und Bildung“ angehen, forderte Schnitzer. Dieser Schritt müsse ergänzt werden durch ein Sondervermögen für Verteidigung, „schon um der schnellen Signalwirkung willen“.
Schnitzer sprach damit die zwei Optionen an, die zu den „mehreren Wegen“ gehören, um der Bundeswehr noch mehr Geld zur Verfügung zu stellen, wie es Friedrich Merz ausgedrückt hat. Er wolle sich ein Gefühl für den Meinungsbildungsprozess in der Unionsfraktion und bei den Sozialdemokraten verschaffen. Auch der SPD-Partei- und Fraktionschef Lars Klingbeil betonte die Bedeutung der Finanzen in den Groko-Sondierungen.
SPD plädiert für Reform der Schuldenbremse – CDU sieht Investitionsbedarf, zögert aber
Die Frage der Schuldenbremse könnte zentraler Streitpunkt des neuen Bündnisses sein. Die SPD wollte die Schuldenbremse schon lange reformieren. So hatte etwa Olaf Scholz gefordert, „Investitionen in unsere Sicherheit und Verteidigung auszunehmen“. CDU und CSU haben bisher daran festgehalten. Doch bereits nach dem Ampel-Aus hatte sich Merz offen für eine Reform gezeigt. Doch aus der Partei gibt es Kritik. „Die Schuldenbremse ist für uns als Union nicht verhandelbar“, sagte etwa die stellvertretende Generalsekretärin der CDU, Christina Stumpp.
Gleichzeitig müsse man auch die Handlungsfähigkeit des Landes im Blick behalten, räumte Stumpp ein. Angesichts der Weltlage brauche es Investitionen in die Verteidigungsfähigkeit. Merz hatte etwa von einer „ziemlich umfangreichen, schwierigen Arbeit“ gesprochen, eine Reform in der „naheliegenden Zukunft“ sei daher ausgeschlossen. Laut Spiegel könnte das jedoch auch nur eine politische Frage sein, die sich um den Streitpunkt drehe, was von der Schuldenbremse ausgenommen werde, ohne sie zu entkernen.
Weitere Sondervermögen sollen Alternativen zur Reform der Schuldenbremse sein
Die zweite Option wäre ein Sondervermögen für die Bundeswehr. Dabei könne das bestehende, 100 Milliarden Euro-Vermögen aufgestockt oder ein weiterer kreditfinanzierter Fonds angelegt werden. Eine Gruppe von Ökonomen, darunter Ifo-Präsident Clemens Fuest und IW-Direktor Michael Hüther, hatte etwa vorgeschlagen, das Sondervermögen Bundeswehr um 400 Milliarden Euro aufzustocken. Zusätzlich solle es ein weiteres Sondervermögen für die Infrastruktur geben, mit dem Bund und Länder 400 bis 500 Milliarden Euro bekommen sollten. Insgesamt wären das eine Billion Euro.
Sondervermögen könnten jedoch nicht für Wartung, Unterhaltung, Instandsetzung und Ausbildung eingesetzt werden, warnte dagegen Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), der das Festhalten an der Schuldenbremse bereits früher kritisiert hat. Betriebskosten seien ebenso wichtig wie Beschaffung. Auch steigende Personalkosten durch die Vergrößerung der Bundeswehr seien aus dem Sondervermögen nicht zu decken. Pistorius will dagegen den regulären Verteidigungshaushalt aufstocken.
Schuldenbremse-Reform und Sondervermögen brauchen Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag
Für beide Optionen, eine Reform der Schuldenbremse und neue Sondervermögen, sind jedoch jeweils Zwei-Drittel-Mehrheiten im Bundestag nötig. CDU, CSU und SPD können das Grundgesetz im neuen Bundestag jedoch nicht alleine ändern. Auch die Zustimmung der Grünen ist nicht ausreichend. Zudem fordern die – laut ihrem Co-Parteichef Felix Banaszak – auch Investitionen in den Klimaschutz oder Bildung. Investitionen in die Bundeswehr dürften nicht ausgespielt werden „gegen die Stabilisierung unserer Gesellschaft insgesamt“, sagte Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch. „Beides ist wichtig“.
Neben den Grünen und den Groko-Fraktionen müssen im neuen Bundestag mindestens sieben weitere Abgeordnete zustimmen. Die AfD lehnt die Aufnahme neuer Schulden ab. Auch die Linke will neuen Schulden für die Bundeswehr nicht ohne weiteres zustimmen. Die Bundesregierung müsse erst erklären, wohin die 100 Milliarden Euro aus dem bisherigen Sondervermögen geflossen seien und warum Deutschland immer noch nicht verteidigungsfähig sei, sagte Co-Parteichefin Ines Schwerdtner im Deutschlandfunk.
Linke lehnt weitere Aufrüstung ab – will Ukraine jedoch trotzdem unterstützen
„Wir können nicht einfach 400 Milliarden ausgeben in ein schwarzes Loch offensichtlich, wo wir nicht genau wissen, wo das Geld hingeht. Ich halte das nicht für vertrauenswürdig.“ Die Linke sei nicht bereit, für eine weitere Aufrüstung zu stimmen, sagte Schwerdtner. Wohl aber für Infrastrukturprojekte in der Ukraine, die zivile Unterstützung und einen Schuldenschnitt für das Land. Eine Idee ist daher, die Reformen noch mit dem alten Bundestag zu beschließen – und damit mit dessen Mehrheitsverhältnissen.
Eine weitere Option, um Einnahmen für Verteidigungsausgaben zu generieren, ist der Verkauf eines Teils der Goldreserven des Bundes. Der Goldpreis ist derzeit auf einem Hoch. Gleichzeitig hat Deutschland nach den USA den höchsten Bestand. Zwar sei ein teilweiser Goldverkauf „keine nachhaltige Lösung unserer Finanzprobleme“, sagte ZEW-Ökonom Friedrich Heinemann der Wirtschaftswoche. „Gleichwohl ist ein Goldverkauf keine völlig absurde Idee, wenn sich die geopolitische Sicherheitslage für Deutschland verschärfen sollte und wir schnell Geld brauchen.“
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