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100 Milliarden Euro

Mehr Netto vom Brutto: Der 100 Milliarden Euro Entlastungsplan

Die Sozialabgaben erhöhen sich ständig, was die Beschäftigten immer mehr belastet. Eine Reform könnte eine spürbare Entlastung ermöglichen.

Berlin – Beschäftigte haben immer mehr Netto vom Brutto. Die Ursache: Die Sozialabgaben nehmen immer weiter zu. So haben zum Jahresbeginn 2025 die gesetzlichen Krankenkassen ihre Zusatzbeiträge teilweise deutlich erhöht. Auch die Rente ist immer weiter unter Druck. Wenn ein stabiles Rentenniveau das Ziel ist, müssen die Beiträge steigen. Schon bald könnte der Sozialversicherungsbeitrag die Marke von 50 Prozent erreichen, so die Befürchtung.

Sozialabgaben steigen: Ursache sollen versicherungsfremde Leistungen der Sozialversicherungen sein

Besonders Menschen mit geringen Einkommen werden dadurch stärker belastet. Ein „Gefühl der Ungerechtigkeit“ mache sich breit, sagte Verena Bentele. Gemeinsam mit Fiscal Future, einer Nichtregierungsorganisation mit Fokus auf eine zukunftsfähige Finanzpolitik, hat Benteles Sozialverband VdK die Finanzierungsprobleme der Sozialversicherungen untersucht.

Nicht nur die Krankenkassenbeiträge steigen: Verena Benteles Sozialverband VdK kritisiert zunehmende versicherungsfremde Leistungen und fordert eine Steuerreform. (Archivfoto)

Das Ergebnis: „Ein zentraler Mechanismus dieser unsozialen Politik ist die Auslagerung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben in die Sozialversicherungen“, sagte Bentele bei der Vorstellung der Ergebnisse am Dienstag, 21. Januar. Es habe sich als Muster etabliert, „politisch ungewünschte Leistungen und auch notwendige Leistungen“ den Beitragszahlenden „aufzubürden und die staatlichen Zuschüsse für Rente, Pflege und Krankenversicherung willkürlich zu kürzen“. Die Finanzierung aus Steuermitteln sei dagegen „sachgerecht“.

Mehrkosten durch versicherungsfremde Leistungen – Privatversicherte bleiben außen vor

Die Konsequenzen: „Das führt zu weniger Netto vom Brutto für die Beschäftigten. Und das führt auch dazu, dass andere Gruppen wie Beamtinnen und Beamte, Abgeordnete und Selbstständige nicht in die Verantwortung genommen werden“, sagte die VdK-Chefin. „So wird das Vertrauen in den Sozialstaat auf dem Altar der schwarzen Null mehr oder weniger geopfert.“

Beispiele für diese versicherungsfremden Leistungen, die aus den Töpfen der Sozialversicherungen gezahlt werden, sind etwa die Anrechnung von Erziehungszeiten bei der Rente, Leistungen für pflegende Angehörige bei der Pflegeversicherung oder die Beitragsfreiheit für Angehörige bei der gesetzlichen Krankenversicherung.

„Es handelt sich um wertvolle und wichtige Aufgaben für die Gesellschaft“, stellte Bentele klar. „Die Finanzierung hauptsächlich durch die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler zu gewährleisten, ist deswegen ein echter Skandal.“ Gesamtgesellschaftliche Aufgaben müssen von der gesamten Gesellschaft getragen werden. „Es geht nicht, dass sich Beamte, Selbstständige, Abgeordnete, die privat versichert sind oder auch von ihren Renditen leben, aus dieser Verantwortung ausklammern.“

Sozialversicherungen mit 70,8 Milliarden Euro belastet – trotz Bundeszuschüssen

Bei der gesetzlichen Rente kosten die versicherungsfremden Leistungen etwa 108 Milliarden Euro, über Bundeszuschüsse werden aus der Deutschen Rentenversicherung (DRV) lediglich 84,3 Milliarden Euro gedeckt, so dass es eine Unterfinanzierung von 23,9 Milliarden Euro pro Jahr gibt. Dadurch seien die Beiträge 1,5 Prozent höher als nötig, sagte Bentele bei der Pressekonferenz. Bei der gesetzlichen Krankenversicherung betrage die Unterfinanzierung 37,7 Milliarden Euro, was allein 2,21 Beitragssatzpunkte ausmache.

SozialversicherungVersicherungsfremde AusgabenBundeszuschussDefizit
Rentenversicherung108 Milliarden Euro84,3 Milliarden Euro23,9 Milliarden Euro
Gesetzliche Krankenversicherung54,3 Milliarden Euro16,5 Milliarden Euro37,7 Milliarden Euro
Pflegeversicherung9,2 Milliarden EuroKein Bundeszuschuss9,2 Milliarden Euro
GesamtEtwa 171 Milliarden Euro108,8 Milliarden Euro70,8 Milliarden Euro

Die Unterfinanzierung aller Sozialversicherungen, also neben Rente und Krankenkasse auch Pflege- und Arbeitslosenversicherung, beträgt laut den Berechnungen des VdK und der NGO Fiscal Future 70,8 Milliarden Euro. Bei einer Finanzierung aus Steuermitteln ergebe sich eine große Ersparnis bei den Beiträgen – oder die Möglichkeit, die Leistungen auszuweiten.

Entlastung würde 882 Euro weniger Sozialversicherungen im Jahr bedeuten – bei 3500 Euro Bruttolohn

Bei einem Bruttolohn von 3500 Euro im Monat machten die gesamtgesellschaftlichen Aufgaben 73,50 Euro aus. Würden diese Ausgaben aus dem Bundeshaushalt finanziert, gebe es eine Entlastung von 882 Euro pro Jahr für Beschäftigte und Arbeitgeber – also 1764 Euro gesamt.

Das Finanzierungsproblem lässt sich laut VdK und Fiscal Future durch eine „gerechtere und solidarische Steuerpolitik“ lösen. „Während Arbeit vergleichsweise hoch besteuert und durch Sozialversicherungsbeiträge belastet wird, ist Deutschland für Vermögen ein Niedrigsteuerland“, sagte Carl Mühlbach von der Finanzpolitik-NGO. „Genau hier setzen die steuerpolitischen Vorschläge an, deren Auswirkungen berechnet haben und die ich Ihnen gleich vorstelle.“

Steuerreform könnte Sozialabgaben mildern – und für mehr Netto vom Brutto sorgen

Geplant sind Reformen der Erbschafts- und Schenkungssteuer, die Wiedereinsetzung einer Vermögensteuer von einem Prozent ab fünf Millionen Euro und zwei Prozent ab 100 Millionen Euro, eine Steuer auf Digitalkonzerne und eine Finanztransaktionssteuer von 0,1 Prozent. Zudem sollen Einkommensteuer und der ermäßigte Steuersatz bei der Mehrwertsteuer ausgeweitet werden, um mehr soziale Gerechtigkeit zu schaffen.

Steuerpolitische ForderungenMehreinnahmen (insgesamt etwa 100 Milliarden Euro)
Reform der Erbschaft- und Schenkungssteuer10 Milliarden Euro
VermögenssteuerBis zu 40 Milliarden Euro
Reform der EinkommensteuerKeine zusätzlichen Einnahmen
Steuer auf Digitalkonzerne3-5 Milliarden Euro
Finanztransaktionssteuer25 Milliarden Euro
Ausweitung des ermäßigten MehrwertsteuersatzesKeine Angaben
Konsequentere Bekämpfung von Steuerhinterziehung25 Milliarden Euro

Mit den Steuerreformen und einer „konsequenteren Bekämpfung“ von Steuervermeidung seien Mehreinnahmen von 100 Milliarden Euro möglich. Dabei seien Entlastungen für Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen bereits einberechnet.

Neben den steuerpolitischen Forderungen hat der Sozialverband VdK auch sozialpolitische. Diese sehen eine höhere Beitragsbemessungsgrenze, eine Einheitskasse bei der Krankenversicherung, die Einbeziehung von Beamtinnen und Beamten, Abgeordneten und Selbstständigen in die Rente, ein höherer Mindestlohn von mindestens 15 Euro und eine Verbesserung der Teilhabe für Menschen mit Behinderungen vor.

Rubriklistenbild: © Christophe Gateau/dpa

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