„Unter Russlands totaler Kontrolle“
Russland will Gas in Europa einkaufen – um besetztes Land zu versorgen
In Moldau fehlt der Strom. Grund dafür ist eine Lieferweigerung vom Gasriesen Gazprom. Angeblich steht ein neuer Deal kurz bevor.
Chisinau – Seit dem 1. Januar fließt kein russisches Gas mehr durch ukrainische Pipelines. Der Schritt war lange angekündigt, dementsprechend hatten die betroffenen europäischen Länder versucht, Alternativen zu den Käufen von russischem Gas zu finden. Trotz längerer Vorlaufzeit und Berichten von einem Aserbaidschan-Deal hatten Länder wie die Slowakei und Ungarn bei der Suche keinen Erfolg. Noch schlimmer traf es allerdings den EU-Nachbarn Moldau.
Transnistrien geht das Gas aus – Gazprom sorgt fast für „industriellen Kollaps“
Moskau und lokale Behörden in Transnistrien diskutieren offenbar derzeit, ob sie auf dem europäischen Spotmarkt Gas einkaufen sollen. Die Kosten für einen solchen Schritt sollen von russischem Geld bezahlt werden, berichtete die News-Website Kyiv Independent unter Berufung auf einen Bericht von Kommersant, einer Medienagentur in russischem Staatsbesitz. Bei Transnistrien handelt es sich um eine Region des Landes Moldau, die – ähnlich wie vorher die ukrainischen Regionen Luhansk und Donetzk – von russischen Kräften okkupiert wird. Transnistrien hat derzeit ein größeres Problem, und zwar das hat das Ausbleiben von Gaslieferungen eine Energiekrise ausgelöst.
Der russische Gas-Gigant Gazprom hatte am 1. Januar die kostenlosen Gaslieferungen nach Moldau eingestellt. Gleichzeitig war ein wichtiger ukrainischer Kontrakt ausgelaufen, der es erlaubt hatte, russisches Gas durch ukrainische Pipelines zu leiten. Gazprom zufolge habe mit dem Lieferstopp jedoch weniger die Ukraine zu tun als vielmehr massive Schulden, die Moldau zurückbezahlen müsse. Der Gaslieferstopp hatte bereits zu großflächigen Stromausfällen in Transnistrien gesorgt. Die Region habe zwischenzeitlich vor einem „industriellen Kollaps“ gestanden.
Moskau will Moldau destabilisieren – Gas-Engpass soll neue Chance bieten
Das Problem dahinter: Moldau als Ganzes hatte sich seit 2022 deutlich von Russland ab- und Europa zugewandt. Lediglich Transnistrien ist noch abhängig von Russlands Gütern, während der Rest des Landes seine Importe größtenteils aus Europa bezieht. Laut dem Thinktank Carnegie Politika konnte Moldau seitdem zwar von sich sagen, unabhängig von Russland zu sein, aber das Land hatte nicht aufgehört, billigen Strom aus Transnistrien zu kaufen – der sich wiederum aus russischem Gas speiste.
Gazprom könnte das Gas über andere Pipelines umleiten, zum Beispiel über die Turk-Stream-Pipeline, die durch das Schwarze Meer verläuft. Eine solche Umbuchung sei allerdings noch nicht erfolgt. Zuvor hatte der Gaskonzern angegeben, dass das Gas erst dann wieder fließen soll, wenn Moldau gewisse Schulden zurückgezahlt habe. Diese sollen sich auf über 700 Millionen US-Dollar belaufen. Die Summe ist bereits Konfliktgegenstand, denn die Regierung Moldaus geht nach einer unabhängigen Untersuchung von einem Schuldenberg über lediglich acht Millionen US-Dollar aus.
Für den Fall, dass Russland Transnistrien die Unterstützung verweigert, soll Moldau das eine Chance bieten, den Konflikt im Osten des Landes zu beenden und Transnistrien wieder unter seine Kontrolle zu bringen. Allerdings dürfte das kein leichtes Anliegen werden – laut Ion Manole, Kopf des moldauischen Thinktanks Promo-LEX, gab gegenüber Kyiv Independent an, dass es „zu viele Kräfte und Akteure“ innerhalb Moldaus gäbe, die Russland dabei helfen würden, den Status Quo zu erhalten. „Das Ziel ist es, Moldau zu destabilisieren und es unter Russlands totale Kontrolle zu bringen“, erklärte Manole. Der russische Präsident Wladimir Putin
Putins Kontrolle über Moldau – Welche Rolle spielen die Gaslieferungen?
Der von Kommersant berichtete Plan sieht vor, dass zwischen Januar und April Gas in einer Menge von bis zu drei Millionen Kubikzentimeter pro Tag gekauft werden soll. Der Preis soll rund 164 Millionen US-Dollar betragen. Arkady Vikol, Co-Gründer des Energieunternehmens Natural Gaz D.C., habe bereits bestätigt, dass sein Unternehmen einen entsprechenden Vertrag unterzeichnet habe.
Wie geht es weiter? Aus Transnistrien war bereits zu hören, dass Russland die Gaslieferungen bald wieder aufnehmen werde, dann aber in Form von humanitärer Hilfe. Der Premierminister Moldaus geht davon aus, dass Russland eine moskaufreundliche Regierung an die Macht bringen will und darum „vermutlich“ nicht genug Gas zur Verfügung stellen, um sowohl den von Rebellen als auch von der tatsächlichen Regierung besetzten Gebiete Energie zu liefern. Das hatte die Nachrichtenagentur Reuters berichtet.
Rubriklistenbild: © IMAGO / ITAR-TASS/Valery Sharifulin
