Kreml-Kalkül?
Nachbarland in Not: Putins Gratis-Gas fehlt und verursacht katastrophale Zustände
Russland hat einen seiner Favoriten lange Zeit mit kostenlosem Gas beliefert. Jetzt ist das vorbei und die Region gerät in Schwierigkeiten. Viele Einwohner denken über eine Migration in die EU nach.
Moskau/Tiraspol – Mit dem Ende der Gaslieferungen von Russland durch ukrainische Pipelines zum Jahresbeginn sind mehrere Länder in Mitleidenschaft gezogen worden. EU-Länder wie Ungarn, Österreich und der Slowakei hatten dabei eigentlich fast drei Jahre Zeit, sich auf die Situation vorzubereiten, die die Ukraine lange im Voraus angekündigt hat. Trotzdem murren die Slowakei und Ungarn, der slowakische Ministerpräsident Robert Fico sagte vor wenigen Tagen: „Ich will alles dafür tun, dass diese Pipeline in Zukunft auch genutzt wird.“
Viel härter trifft es jedoch Länder und Regionen, die nicht in der EU sind und daher auch nicht von den Energiebeschaffungsmaßnahmen des Blocks profitiert haben. Eines dieser Länder ist die Republik Moldau. Besonders leidet gerade die abtrünnige Region Transnistrien, die bis vor kurzem noch das Gas aus Russland gratis bekommen hat.
Kein Gas mehr aus Russland: Keine Heizungen, Stromausfälle und keinen Unterricht
Noch vor dem Ende des Vertrags zwischen der Ukraine und Russland hat es zudem Mutmaßungen gegeben, dass Kreml-Diktator Wladimir Putin die Abhängigkeit Moldaus von ihrer Energie ausnutzen würde. Der moldauische Premierminister, Dorin Recean, warnte im Dezember: Moskau könnte Energieflüsse absichtlich als Waffe benutzen, um Moldau zu destabilisieren und seine Anwohner potenziell „mitten im Winter ohne Hitze und Elektrizität“ lassen. Besonders betroffen wäre Transnistrien, da der Rest Moldaus seit 2022 versucht, die Abhängigkeit zu reduzieren.
Genau dieses Szenario ist nun eingetreten: In Transnistrien sind die Heizungen ausgefallen, auch der Strom fällt immer wieder aus, da es nicht genug Kohle gibt, um die Kraftwerke ganztags laufen zu lassen. Der Spiegel berichtet von Bewohnern, in deren Häusern es Zimmer gibt, die zehn Grad aufweisen. Schulen seien geschlossen, auf den Straßen würde Essen verteilt, da viele Bewohner zuhause nicht mehr kochen können. Wer Glück hat, kann zumindest mit Holz heizen – nicht alle haben aber einen Kamin.
„Es bleibt uns kein anderer Ausweg, als hier wegzuziehen“, zitiert das Magazin eine Bewohnerin, die anonym bleiben wollte. Und auch andere Bewohner Transnistrien scheinen sich plötzlich wieder der EU zuwenden zu wollen. Von denen, die gegangen seien, wolle keiner wieder zurückkehren, „also sind sie dort offensichtlich besser dran“, so eine junge Frau.
Bewohner in Transnistrien könnten in die EU wander – steckt dahinter Putins Kalkül?
In Transnistrien leben etwas weniger als 350.000 Menschen, diese Zahl sinkt seit 2015, als noch 475.000 Menschen den Landesstreifen bevölkerten. Wenn der Gas-Stopp in der Region noch weiter anhält, wird das noch mehr Menschen vertreiben, gut möglich, dass es dann auch in die EU geht. Auch das könnte eine Strategie Russlands sein: Es wäre nicht das erste Mal, dass Putin versucht hat, eine Migrationswelle in die EU auszulösen, um Europa zu destabilisieren. Vor Beginn des Ukraine-Kriegs wurden Flüchtlinge nach Belarus eingeflogen, damit sie nach Polen eindringen.
Die international nicht anerkannte Region Transnistrien ist unter Moskauer Kontrolle. Ähnlich wie in der Ukraine und in Georgien versucht Putin, mit solchen Unabhängigkeitsbewegungen zu verhindern, dass die Länder sich der EU annähern oder – noch schlimmer – Teil der Nato werden. Doch mit dem Gas-Aus in Transnistrien scheint Putin das Gegenteil zu bewirken: Damit vergrault er die Bürgerinnen und Bürger in Transnistrien. Die Moldauer Regierung könnte jetzt versuchen, die Region wieder zu sich zurückzuholen. In der Not könnte die Wiedereingliederung in die Republik Moldau wieder an Attraktivität gewinnen.
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