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Interview zur Antriebswende
Umstieg vom Verbrenner zum E-Auto: „Dieses Durcheinander ist unfassbar“
Die E-Mobilität in Deutschland stagniert, auch im Flottengeschäft. Ein Manager erklärt, wie dieser Sektor dennoch die Antriebswende beschleunigt – und woran es noch hakt.
Nürnberg/München – Der Gewerbesektor spielt bei Kfz-Neuzulassungen eine große Rolle. Obwohl der Elektroauto-Markt in Deutschland stagniert, haben Firmenbesitzer nach wie vor Interesse an der Antriebswende. Das liegt mitunter daran, dass sich wichtige Faktoren bei der Elektrifizierung vom Privatsektor unterscheiden.
Der Zahlungsdienstleister Fleetcor hilft Unternehmen beim Umstieg von Verbrenner- auf Elektroantrieb. Geschäftsführer Altan Çörekçi erklärt die Bedeutung des Flottengeschäfts für die E-Mobilität, wie der Tarifdschungel die Verbreitung von Stromern hemmt und was Deutschland von anderen Ländern lernen kann.
Herr Çörekçi, Sie wollen mit Ihrem Unternehmen den Umstieg von Autos mit Verbrennungsmotor hin zu E-Autos vorantreiben...
Ich begleite persönlich das Thema seit 2018, fahre schon seit Jahren ein Elektroauto und habe selbst als Benutzer die Fragen und Sorgen unseres Kundenstands erlebt. Auf der einen Seite geht es uns darum, unseren Kunden bei Fragestellungen zu helfen, wie sie die Fahrzeugflotte transformieren können – auf der anderen Seite ist es Teil unserer Unternehmensstrategie. Wir sind relativ groß und aktiv im Bereich Tankkarten-Services unterwegs und sehen, dass sich die Flotten wandeln werden. Daher ist Elektromobilität ein Kernfokus von uns.
2024 stagnieren die Neuzulassungen von Elektroautos in Deutschland, mitunter aufgrund der gestoppten staatlichen Förderung. Geht die Bereitschaft auch im Gewerbe zurück?
Allein in Deutschland haben wir mittlerweile knapp eineinhalb Millionen reine E-Fahrzeuge. Mittlerweile sind die Elektroauto-Verkaufszahlen jedoch rückläufig: Aktuell sind wir bei einem Minus von circa 25 Prozent im Vergleich zu 2023. Der Flottensektor hat daran natürlich einen großen Anteil, denn die Elektromobilität wird getrieben von gewerblichen Flotten. Einzelbenutzer bzw. privaten Haushalte folgen natürlich den Entwicklungen in der gewerblichen Mobilität. Als also die Förderungen weggefallen sind, hat das auch die Firmenflotten getroffen, was den Abwärtstrend verstärkt und so private Verbraucher weiter verunsichert. Langfristig dürfte sich das Unternehmensinteresse aber wieder erholen: Das vollelektrische Firmenauto ist für die meisten Unternehmen eine verhältnismäßig einfache und langfristig sehr rentable Maßnahme, um das eigene nachhaltige Selbstbild vorzuleben und gleichzeitig wichtige politische Richtlinien zu erfüllen.
Der Zahlungsdienstleister Fleetcor kümmert sich um die Vereinheitlichung der Abrechnung bei Ladevorgängen - das ist auch für Flottenbetreiber von großer Bedeutung.
Liegt es nur an der weggefallenen Kaufprämie, dass E-Mobilität auch im gewerblichen Sektor rückläufig ist?
Da spielen noch weitere Faktoren mit hinein: Lieferschwierigkeiten bei Herstellern, steigende Energiepreise, aber auch die gesamte ökonomische Situation, die zurzeit viele Unternehmen abschreckt. Meiner Meinung nach ist Deutschland an sich zurückhaltender, wenn es um neue Technologien und Dinge im Allgemeinen geht, das sehen wir immer wieder. Deutschland mag mehr Stabilität und Sicherheit. Insofern sind Firmenflotten ideale Vorreiter für solche Innovationen, denn sie haben natürlich eine bessere Planbarkeit und können so Elektromobilität schneller adaptieren. Flottenbetreiber wissen, wo ihre Fahrzeuge sind, wo sie fahren, wie viel sie fahren. Die Unsicherheit am Markt schreckt allerdings ab, weil Elektrofahrzeuge eine höhere Erstinvestition darstellen. Die sogenannte Total Cost of Ownership für ein Fahrzeug, also die Kosten pro Kilometer oder in der gesamten Laufzeit, sind unterm Strich viel geringer bei Elektrofahrzeugen – aber die Erstkosten höher. Und es gibt noch einen zweiten Aspekt: E-Mobilität lebt von Ladepunkten, die zu Hause installiert werden oder in Büros, Parkhäusern etc. Auch dieses Thema ist mit Investitionen verbunden, wenn Sie Elektrofahrzeuge haben. Auf einmal haben Sie Ladepunkte zu bezahlen, Speicher, Strompakete, alles was E-Autos eben an Infrastruktur benötigen. Auch hier sind Firmen aktuell zurückhaltender.
Warum zögern Firmen trotz der Krise weniger beim E-Auto-Kauf als Privatverbraucher?
Firmen haben einfach mehr Daten über die Fahrzeugnutzung, deswegen erkennen sie schneller, wie viel rentabler ein E-Fahrzeug sein kann über die gesamte Laufzeit. Außerdem möchten viele Unternehmen im B2B-Sektor zeigen, dass sie verantwortungsbewusst handeln und in Nachhaltigkeitsthemen investieren, in Zukunftstechnologien. Sehr viele Unternehmen in Deutschland fühlen sich zudem in gewisser Weise ihrem Hersteller- und Lieferantennetzwerk verpflichtet: Bosch zum Beispiel als Hersteller von vielen wichtigen E-Autoteilen, möchte natürlich auch, dass seine Geschäftspartner ebenfalls ihre Flotten transformieren. Also es gibt einfach diese Marktgegebenheit in Deutschland als Land des Automobils. Diese ganzen Dynamiken und Analysekapazitäten können wir vom B2C-Bereich nicht erwarten. Leute werden gelenkt von Medien, Eindrücken und subjektiven Meinungen. Ich erlebe diese Vorurteile jeden Tag. Unternehmen haben einfach mehr Mittel, um Flottenmanager oder weitere Verantwortliche zu schulen. Sie haben mehr Zugang zu Themen, die bei E-Mobility existieren.
Fleetcor Deutschland GmbH ist eine Marke von Corpay inc.– einem globalen Zahlungsdienstleister für die Verwaltung von fahrzeugbezogenen Ausgaben und Verbindlichkeiten. Fleetcor ist seit zehn Jahren auf dem deutschen Markt aktiv, angefangen mit Dienstleistungen zum Betanken von Fahrzeugen. Später wurde dieser Bereich auf Elektromobilität ausgeweitet, das Unternehmen ist für weitere fahrzeug- und flottenrelevante Dienstleistungen zuständig, wie Wartung, Telematik oder Pannen-Services.
Wie sehen Sie die Thematik Wiederverkaufswerte von elektrischen Gebrauchten?
Wir sprechen dabei vom sogenannten Remarketing, also von gebrauchten Fahrzeugen, die wieder auf den Markt kommen. Hier kommen mehrere Faktoren zusammen: Zum einen lässt der hohe Strompreis das E-Auto gerade wenig attraktiv erscheinen. Gleichzeitig zwingt der Wegfall der Förderprämie Hersteller dazu, ihre Neuwagen günstiger zu verkaufen, weshalb ein gebrauchtes E-Auto weniger rentabel erscheint. Aktuell erneuern zudem viele Leasing-Anbieter ihre Flotten und bringen so gebrauchte E-Autos auf den Markt. Wir haben also ein Überangebot von neuen und gebrauchten E-Autos bei gleichzeitig geringer Nachfrage. Es gibt jedoch Initiativen, um diese Dynamik zu wandeln. Ich bin fest davon überzeugt, dass es bessere Lösungen geben wird. Als ich anfing, hatte ich mal eine Statistik gelesen, wie viel eine Kilowattstunde Batterie in der Produktion kostet: Da waren Werte von über 1000 US-Dollar angezeigt. Aktuell haben wir einen Wert von ca. 100... Geht das so weiter, erholt sich der Markt.
Was raten Sie Unternehmen, die für ihren Fuhrpark Elektroautos anschaffen wollen?
Unternehmen sollten sich nicht von äußeren Faktoren treiben lassen. Im gewerblichen Bereich ist es wichtig, wie sinnvoll die gewählte Antriebstechnologie für den Job ist. Wir selbst haben auch erst letztes Jahr Elektrofahrzeuge für unseren eigenen Außendienst etabliert. Für uns ist das möglich, weil wir natürlich selber wissen, wo die Infrastruktur besser ist. Jedoch habe ich auch Gespräche mit Kunden, die gesagt haben, wenn wir ländlich unterwegs sind, z. B. in der Pflege, oder wir bestimmte Orte erreichen müssen, ist die Infrastruktur einfach nicht gegeben. Jeder Gewerbeteilnehmer muss selber wissen, wie viel Sinn es macht, verschiedene Antriebe mit einzusetzen, ob es dann das Kernelektrische ist, Plug-in-Hybride sind oder ein Verbrenner und andere Technologien. Für mich ist klar: Man sollte den Leuten die Vor- und Nachteile transparent an die Hand geben, aber nicht derart Druck ausüben, dass sie dann wirtschaftlichen Schaden davontragen.
Nehmen Sie bezüglich E-Mobilität bei Unternehmen noch eine große Skepsis wahr?
Je kleiner das Unternehmen, desto größer die Skepsis. Einerseits, weil durch Autos mit Verbrenner-Antrieb einfach diese Stabilität gegeben ist und kleinere Betriebe kein Risiko eingehen wollen. Ein großes Unternehmen kann sich eher erlauben, 10 Prozent seiner Fahrzeuge zu transformieren, weil es einen Risikoausgleich gibt. Der Malermeister mit seinen zwei oder drei Transportern hat da größere Probleme, wenn plötzlich ein Fahrzeug ausfällt. Die Skepsis hängt auch davon ab, ob wir den Leuten ausreichend erklären, wie viele Ladepunkte draußen sind oder wie man eigene Ladepunkte etabliert. Wir haben derzeit ca. 98.000 Ladepunkte in Deutschland. Ein Viertel davon sind Schnellladesäulen. Ist das genug? Nein, wir haben genauso viele Ladepunkte wie die Niederlande, bei wesentlich mehr Einwohnern. Wenn ich dort unterwegs bin, finde ich an jeder Ecke etwas, um mein Auto aufzuladen. Egal ob langsam oder schnell laden.
Etwa zwei Drittel der Neuzulassungen sind in Deutschland gewerblich. Welche Rolle spielt der Sektor bei der Antriebswende?
Bei den Neuzulassungen haben gewerbliche Fahrzeuge traditionell einen großen Anteil. Ihnen fällt also bei der Antriebswende der größte Anteil zu und wir sehen jeden Tag: Die Transformation findet statt, daran gibt es nichts mehr zu rütteln. Ich finde aber auch, dass es ein Stück weit die gesellschaftliche Verantwortung von uns Unternehmen im Mobilitätssektor ist, das Thema voranzutreiben – und den Menschen den Umstieg zu erleichtern: Hersteller von Wallboxen, Zahlungsdienstleister wie wir, oder auch Reifenhersteller, die bessere Reifen für die batteriebedingt schwereren Elektroautos entwickeln. Wir alle haben eine Aufgabe, um genau diese Themen voranzutreiben.
Ein großes Problem der Lade-Infrastruktur in Deutschland sind viele verschiedene Abrechnungssysteme...
Ich gebe Ihnen hundertprozentig recht. Die Benutzersicht ist dabei das eine, die gewerbliche Sicht die andere. Bei Unternehmensflotten spielt der Preis an sich eine sekundäre Rolle, weil das betriebliche Fahrzeug so oder so geladen oder betankt werden muss. Ob der Dieselpreis jetzt 1,70 oder 1,80 Euro ist, das Fahrzeug muss nun mal betankt werden. Das Gleiche gilt für Strom. Allerdings ist es aktuell so bei der Elektromobilität, dass nur ein Bruchteil der Ladestationen mit einem Preis versehen sind, also einem Endnutzerpreis. Bei gewerblichen Plattformen gilt dieser Retailpreis allerdings nicht, die Preisgestaltung ist unterschiedlich, mit mehreren Komponenten: Standzeiten, Einsteckgebühren, die Kilowattstunde. Dazu kommt: Ich glaube, wir haben in Deutschland rund 900 verschiedene Ladestationsbetreiber. Jeder mit eigener Preisstruktur. In den Fleetcor-Systemen verwalten wir, und das ist quasi unser Geschäft, über 50.000 Preisprojekte, mit Infos, die wir von den Ladestationsbetreibern bekommen. Unsere App zeigt, wann und wo welcher konkrete Preis anfällt. Jeder Flottenbesitzer soll genau wissen, was bei der Abrechnung passiert, das ist unsere Expertise. Wir packen das in ein Reporting und dann gibt es eine Abrechnung.
Sie helfen also für mehr Durchblick im Tarifdschungel der Anbieter.
Genau, denn dieses Durcheinander ist eigentlich unfassbar. Ich glaube, es sind hierzulande alleine über 100 Anbieter von Ladekarten. Das ist bei Tankkarten nicht so. Es gibt zu viele Ladestationen, Preisprofile und Anbieter für Ladekarten. Das wird sich konsolidieren müssen. Ich glaube, der Zeitfaktor ist ein großes Thema. Wir Zahlungsdienstleister haben einfach unsere bisherige Kompetenz genommen und auch für das E-Laden etabliert. Wir versuchen ein einheitliches Netzwerk anzubieten, ohne dass man 15 Ladekarten mitnehmen muss, mit einer anständigen Preisübersicht.
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Es gibt also eine einzige Karte, die von den Flottenbetreibern genutzt werden kann?
Richtig. Wir haben eine eigene Ladekarte auf dem deutschen Markt, die es in den Niederlanden schon seit 15 Jahren gibt. Es handelt sich um ein großes europäisches Netzwerk: Mit dieser Ladekarte hat man Zugriff auf ungefähr 750.000 Ladepunkte in Europa, in Deutschland decken wir etwa 96 Prozent ab. Statistisch gesehen kommt man damit schon gut voran.
Was unterscheidet Sie von anderen Anbietern mit ähnlichem Konzept?
Es gibt weitere Marktbegleiter in Deutschland. Jeder musste sich quasi weiterentwickeln, manche machen die Abrechnung etwas anders, manche die Tarifgestaltung. Einige Anbieter versuchen sich etwa über Preisnachlässe zu etablieren. Unterm Strich frisst aber eine aufwändige Verwaltung solche Ersparnisse schnell wieder auf, deshalb setzen wir stattdessen darauf, das finanzielle Management von Unternehmensflotten – Tanken und Laden, Wartung, Pannenservice etc. – effizienter und unkompliziert zu machen. Unserer Erfahrung nach spart das unterm Strich mehr Geld und hilft Unternehmen jeder Größe dabei, den Umstieg auf E-Mobilität hinzubekommen.
Wo steht Deutschland bei der Elektroauto-Infrastruktur im Vergleich zu anderen Ländern Europas?
Am eindrücklichsten ist der Vergleich mit den Niederlanden . Da kommen drei Autos auf eine Ladestation im Vergleich zu 14 Fahrzeugen auf einer Ladestation in Deutschland. Wir haben deutlich Nachholbedarf in der Ladeinfrastruktur. Ich persönlich setze da meine Hoffnung in die Initiative Deutschlandnetz. Hierzulande sind wir aber wie gesagt generell langsamer, Neues zu etablieren. Ich glaube, jeder ist sich einig, dass die Bürokratie in Deutschland erschreckend ist, aber auch wir als Gesellschaft müssen uns an neue Möglichkeiten gewöhnen. In den Niederlanden ist es selbstverständlich, dass Elektromobilität existiert, dass es quasi die Technologie der Zukunft ist. Die Grundsatzfrage wird dort gar nicht mehr gestellt. Auch in Norwegen oder in Finnland ist man deutlich weiter.
Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen dem schleppenden Vorankommen der E-Mobilität und Deutschland als Herzstück der Autoindustrie, die mit Verbrennertechnologie über Jahrzehnte internationale Märkte dominierte?
Deutsche Hersteller haben stark in E-Mobilität investiert: die VW-Gruppe, BMW und auch Mercedes. Ich denke, da ist trotzdem die Angst vor E-Mobilität, gerade bei Zulieferern, da viele Komponenten wegfallen – und das Auto ist nicht mehr so komplex. Ich glaube, die größte Herausforderung für Deutschland ist, dass wir spezialisiert auf Hardware sind, im Bau von Fahrzeugteilen. Elektromobilität hingegen ist getrieben von Software, wo wir bei weitem noch nicht stark genug sind. Bei E-Autos sind natürlich Hardwarekomponenten dabei, aber wir waren nie die besten Batteriehersteller. Dabei ist das das Herzstück dieses Fahrzeugs. Die Motoren, die kriegen wir hin, aber der Rest ist Software. Deswegen ist die Diskussion um die Konkurrenz aus beispielsweise China so stark und emotional, weil die Entwicklung dort günstiger ist. Die Hersteller dort können tausende Mitarbeiter mehr beschäftigen, um jene Komponenten zu entwickeln und zu bauen, die bisher die Domäne deutscher Hersteller waren. Wichtig wird in der Zukunft ein vermarktbares Auto mit einer guten Software sein.