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„Eine fatale Entwicklung“

Europas Abhängigkeit bei E-Auto-Batterien: „Kann doch nicht sein, dass wir hinterherlaufen“

Der Absatz von Elektroautos stagniert, potenzielle Käufer und die Industrie zögern mit Investitionen. Darunter leidet die technologische Kompetenz in Europa.

München - Europa und speziell Deutschland gehörten lange Zeit zu den Vorreitern im Automobilbau, was sich hervorragend auf Arbeitsplätze und Wohlstand auswirkte. Doch hat sich das Konkurrenzumfeld stark verändert und der hiesige Standort sieht sich einem harten Wettbewerb ausgesetzt, mit negativen Begleiterscheinungen.

Was mit dem raketenhaften Aufstieg von Tesla begonnen hat, zeigt sich heute durch bärenstarke Konkurrenz aus Asien: E-Mobilität gilt als zukunftsweisend für den Verkehr von morgen, angesichts des Klimawandels und fehlender Schadstoffemissionen von Elektroautos. Doch hat diese Entwicklung auch Schattenseiten.

Opel-Elektroauto und im Vordergrund der dazugehörige Lithium-Ionen-Akku: Europas Autoindustrie ist international unter Zugzwang (Symbolbild).

Wie die Stagnation bei E-Autos den Standort Europa schwächt

Sie bedroht die Konkurrenzfähigkeit jener Regionen, die mit dem Verkauf von Modellen mit Verbrennungsmotor viel Geld verdienen. Die technologische Expertise bei E-Autos liegt nämlich nicht mehr (nur) in Europa: Vielmehr sind im Feld der Batterietechnologie Unternehmen aus Fernost tonangebend. Und das wird sich so schnell nicht ändern, denn aufgrund stagnierender Elektroauto-Zahlen in Europa bremst die hiesige Industrie Investitionen, die an der Vormachtstellung asiatischer Konzerne rütteln könnten.

So ist die schwächelnde Nachfrage ein Rückschlag für die deutsche Autoindustrie mitsamt Zulieferer, die mit einem schnelleren Umstieg von Verbrenner- auf Elektrotechnologie kalkulierten. Das führt dazu, dass deutsche Fahrzeughersteller wie bisher noch lange auf Batteriezellen-Kompetenz aus Fernost angewiesen sind.

Deutsche Autohersteller bleiben abhängig - „eine fatale Entwicklung“

Michael Brecht, Betriebsratschef der Daimler Truck Holding AG, ist die enorme Abhängigkeit von China, Südkorea und auch Japan ein Dorn im Auge. „Wir brauchen eine europäische Lösung. Wenn ich höre, dass Pkw-Hersteller den Aufbau von Zellenfabriken in Europa verschieben, ist das eine fatale Entwicklung“, wird der Arbeitnehmervertreter im Handelsblatt zitiert.

Brecht meint damit auch den Anteilseigner seines Arbeitgebers: Mercedes-Benz legte kürzlich zwei geplante Batteriefabriken des Joint-Ventures ACC mit Stellantis und Total Energies erstmal auf Eis, dazu kam die Meldung, dass BMW einen milliardenschweren Auftrag an Northvolt zurückzieht. Der Münchner Premiumhersteller soll bis auf Weiteres Energiespeicher unter anderem vom weltgrößten Anbieter CATL sowie Samsung (Südkorea) beziehen.

Der chinesische Batteriezellenhersteller CATL ist weltweit die Nummer eins - und nicht nur bei Stromspeichern für E-Autos.

Die eingebrochene Nachfrage nach Elektroautos verzögere den Aufbau einer europäischen Batterieindustrie und das anvisierte Ziel der Branche, dass Ende der 20er-Jahre bereits 70 Prozent aller Neuwagen in Europa elektrisch sind.

Europa im Elektro-Wettbewerb mit Asien und Nordamerika

Europäische Batterieprojekte leiden unter der Stagnation - und damit auch der Standort, aufgrund fehlender Investionen und die Auswirkung auf Arbeitsplätze. So hinken hiesige Hersteller technologisch hinterher und sind gegenüber asiatischen Herstellern im Nachteil. Doch nicht nur dort ist die Konkurrenz übermächtig:

Europa steht zwischen Kampfpreisen der Konkurrenz aus China, sieht sich aber auch mit milliardenschweren Förderkulissen in Nordamerika konfrontiert, um die USA auf eine ähnlich innovative Stufe zu hieven. Auch das führt in deutschen Chefetagen oftmals zum Umdenken - und der Verlagerung von Investitionen.

Das gilt selbst für asiatische Unternehmen, die in Europa investieren wollten: zum Beispiel die verworfenen Pläne des chinesischen Akkuherstellers Svolt für eine Zellfertigung in der Lausitz. Europachef Kai-Uwe Wollenhaupt verweist ebenfalls im Handelsblatt auf mehrere Hürden für das Unternehmen: „drastische Strategieanpassungen“ bei Autobauern, eine „geringe Planungssicherheit“ auf unterschiedlichsten Ebenen und die Diskussionen über das Verbrenner-Aus in der EU.

Deutschlands Versäumnisse bei E-Mobilität: „Europa hat zu spät angefangen“

Der Vorwurf von Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive Management (CAM): „Europa hat zu spät damit angefangen, das teuerste Bauteil in einem Elektroauto – die Batterie – lokal zu fertigen.“ Doch gibt es auch positive Entwicklungen: BMW plant mit Northvolt eine neue Batteriegeneration für 2025, dafür entsteht ein Fabrikkomplex in Heide (Schleswig-Holstein).

Volkswagen hält derweil an den Bauprojekten für zwei Batteriefabriken in Salzgitter und Valencia (Spanien) fest - wenngleich eine dritte in Kanada statt Osteuropa hochgezogen wird. Im Hause VW will man sich nicht von Asien abkoppeln, sondern eine „Balance“ herstellen. „Wir werden auch in Zukunft auf externe Lieferanten unter anderem aus Asien und China setzen“, stellt ein Manager klar.

Europas Abhängigkeit von China: „Tektonische Verschiebung der Machtbalance“

Langfristig benötigt die europäische Autoindustrie eine unabhängige Batteriezellenfertigung, um wettbewerbsfähig zu bleiben und nicht vom Ausland abhängig zu sein. Das sieht auch der bereits erwähnte Brecht so: „Die Abhängigkeit von wenigen Anbietern hauptsächlich aus China ärgert mich als Arbeitnehmervertreter gigantisch. Wir sind erpressbar, anstatt eigene Kompetenz und Arbeitsplätze aufzubauen.“

Derweil zeigt eine Studie des CAM, dass asiatische Unternehmen nicht nur bei der Batterietechnologie die Spitzenstellung einnehmen. Studienleiter Bratzel spricht laut Wirtschaftswoche von einer „tektonischen Verschiebung der Machtbalance zugunsten chinesischer Automobilunternehmen“.

Diese Entwicklung sei immer stärker an der Innovationsstärke ablesbar und betrifft Zukunftsfelder wie E-Mobilität, Fahrzeugsoftware und Vernetzung. Hersteller aus Fernost haben sich sukzessive Kompetenzen angeeignet, auf deren Basis „mit hoher Geschwindigkeit innovative Serienfahrzeuge“ gebaut werden.

Chinesische Autobauer haben bei Innovationsstärke massiv aufgeholt

So verwundert es nicht, dass das Institut Autoherstellern aus China nun 46 Prozent der globalen Innovationsstärke zuordnet. Die Auswertung dreht sich um den Zeitraum von Februar 2023 bis Januar 2024 mit Neuerungen im Automotive-Sektor, die bereits in Serie gefertigt werden. Ein Vergleich mit 2019/20 verdeutlicht, wie schnell das Reich der Mitte aufgeholt hat: Da lag der Anteil chinesischer Autobauer noch bei 21 Prozent.

Bei deutschen Autokonzernen ist die Innovationsstärke derweil gesunken, von 45 auf aktuell 23 Prozent. Die aktuellen Ergebnisse des jährlichen Berichts umfassen über 700 Serieninnovationen von 30 Konzernen mit mehr als 100 Automarken. Berücksichtigt werden Faktoren wie Innovationsgrad, Kundennutzen und Originalität.

Elektroauto-Markt in China boomt: Zehn Marken, die Sie kennen sollten

Elektrotransporter von Maxus.
Platz 10 – Maxus: Ford, VW und Mercedes aufgepasst. Mit Maxus greifen die chinesischen Hersteller auch bei den Nutzfahrzeugen an. Die Modelle der 2011 gegründete Tochter von SAIC Motors sind unter anderem bei der österreichischen Post und Ikea im Einsatz. Verkauft werden die Transporter über eigene Händler. © GlobalImagens/Imago
Der Aiways U5.
Platz 9 – Aiways: 2017 ging der Hersteller in China an den Start. Schon zwei Jahre später folgte die erste Niederlassung in Europa. Im selben Jahr kam mit dem U5 das erste Auto in China auf den Markt. 2020 folgte Deutschland.  © Aiways
Der Wey Coffee 01
Platz 8 – Wey: Ihr Debüt feierte die Marke 2016 im Rahmen der Guangzhou Auto Show. Ab 2017 wurden die ersten Autos verkauft. In Europa ist Wey seit 2022 vertreten. Mit dem Coffee 01 will die Tochter von Great Wall in Deutschland durchstarten. Mit dem Plug-in-Hybrid Cooffee 02 legen die Chinesen im Herbst nach. Vertrieben werden die Fahrzeuge vom Importeur Emil Frey. © Wey
Lynk & Co 01
Platz 7 – Lynk & Co: Auch hinter diesem Hersteller, der 2016 gegründet wurde, verbirgt sich wieder Geely. Der Plug-in-Hybrid 01 wird dabei vor allem im Abo vertrieben. Das Modell kann aber auch gekauft oder geliehen werden. Entwickelt und entworfen wurde der Lynk & Co in Schweden bei der Konzernschwester Volvo.  © Lynk & Co
Der MG 4 EV.
Platz 6 – MG: Tot gesagte Leben länger. Das gilt auch für die britische Traditionsmarke MG. Allerdings nicht mehr unter der Flagge ihrer Majestät. Nach der Insolvenz erwarb zunächst die Nanjing Automobile Group im Juni 2005 die Markenrechte für 53 Millionen Pfund Sterling (ca. 61 Millionen Euro). Inzwischen gehört der Hersteller zu SAIC Motor. Dort wurde MG mit Roewe in der Abteilung Passenger Vehicle zusammengefasst. Seit Januar 2021 ist MG auch wieder auf dem deutschen Markt vertreten – unter anderem mit dem 4 EV. © MG
Der Xpeng P7.
Platz 5 – Xpeng: Wie viele chinesische Hersteller ist auch Xpeng noch relativ jung. Erst 2014 wurde das Unternehmen gegründet, konnte in den vergangenen Jahren seine Stückzahlen aber immer weiter steigern. In Europa ist Xpeng bisher lediglich in Schweden, Norwegen, Dänemark und den Niederlanden vertreten. Wann der Hersteller nach Deutschland kommt, ist unklar. © Zuma Wire/Imago
Der Zeekr 001.
Platz 4 – Zeekr: Auch wenn der Name so gar nicht chinesisch klingt, stammt der Hersteller dennoch aus dem Reich der Mitte. Der Markenname setzt sich aus Generation Z und dem Begriff Geek zusammen. Hinter dem erst 2021 gegründeten Autobauer steckt Geely. Mit der neuen Tochter möchte man im Premiumsegment Fuß fassen. Zeekr arbeitet zudem mit Waymo an einem vollelektrischen, autonom fahrenden Ride-Hailing-Fahrzeug für die USA. Zusammen mit Mobileeye will man bis 2024 autonomes Fahren in Serie bringen. 2023 soll die Marke in Schweden und den Niederlanden mit den Modellen 001 und X ihren Europa-Start feiern. © Zeekr
Der Ora Funky Cat.
Platz 3 – Ora: Wie Wey gehört auch Ora zu Great Wall Motor. Gegründet wurde die Elektro-Tochter erst im Jahr 2018. Trotz ihrer noch recht jungen Geschichte hat die Marke schon für einen Aufreger gesorgt und eine dreiste Kopie des VW Käfer auf den Markt gebracht. In Europa gibt es das Modell jedoch nicht, dafür aber den Funky Cat. © Ora/GWM
Der NIO ES6 steht auf einer Messe.
Platz 2 – NIO: Der Name des 2014 gergründeten Herstellers ist eine Anspielung auf den Smog über den Großstädten Chinas. Nio,in chinesischen Schriftzeichen „Weilai“, bedeutet übersetzt „Der Himmel wird blau“. Eine Besonderheit der Marke ist die Battery-Swap-Technologie. In fünf Minuten wird der Akku gegen einen neuen ausgetauscht. Sein Europa-Debüt gab Nio 2021 in Norwegen. Seit 2022 sind die Elektroautos auch in Deutschland erhältlich. © VCG/Imago
Der BYD Seal.
Platz 1 – BYD: Unter den chinesischen Autobauern ist Built Your Dreams (BYD) fast schon so was wie der Opa. Seit 1995 gibt es das Unternehmen bereits. Autos spielten am Anfang jedoch noch keine Rolle, stattdessen baute man wiederaufladbare Batterien. Erst 2003 stieg man durch den Kauf der angeschlagenen Xian Qinhuan Automobile in das Automobilgeschäft ein. Inzwischen ist BYD einer größten Automobilproduzenten Chinas und der Welt. In Deutschland sind die Chinesen derzeit mit den Modellen Atto3, Han und Tang vertreten. © VCG/Imago

Innovativste Autokonzerne: BMW thront über China-Herstellern

So ist es nicht überraschend, dass sich unter den zehn weltweit innovativsten Autokonzernen gleich fünf aus der Volksrepublik befinden. Jedoch ergattert in dem Ranking mit BMW ein traditioneller Autobauer die Spitzenposition: Die Münchner punkten mit Errungenschaften beim automatisierten Fahren sowie der Reichweite und Ladeleistung.

Abgeschlagen bei den Innovationen sind laut dem Bericht interessanterweise Autokonzerne aus den USA, die allesamt nicht in den Top Ten vertreten sind - das trifft selbst auf Elektropionier Tesla zu. (PF)

Rubriklistenbild: © Sebastian Geisler

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