Blume nun gefordert
Zwei Werke zu viel, 500.000 Autos zu wenig: VW und der „gruselige Ausblick“ für 2025
Volkswagen befindet sich inmitten eines Umbruchs: Bisher undenkbare Sparmaßnahmen sorgen in der Krise für Unruhe. Wie konnte es in Wolfsburg so weit kommen?
Wolfsburg/München – Die Nachrichten, welche Europas größter Autokonzern derzeit erzeugt, sind düster: Volkswagen steckt in einer tiefen Krise und hat angekündigt, den Sparkurs bei der Kernmarke VW weiter zu verschärfen.
Im Zuge der unzufriedenstellenden Rendite ist nun auch die Beschäftigungssicherung nicht mehr in Stein gemeißelt: Erstmals seit 30 Jahren könnten betriebsbedingte Kündigungen und Werkschließungen in Deutschland stattfinden, weil die bisher geplanten Sparmaßnahmen nicht mehr ausreichen.
VW und die schwache Rendite: Selbst der Heimatmarkt bröckelt
Finanzchef Arno Antlitz macht keinen Hehl aus der prekären Lage des Unternehmens: „Seit geraumer Zeit geben wir mehr Geld aus, als wir einnehmen. Das geht nicht gut auf die Dauer“ Laut dem VW-Manager fehlt dem Konzern der Absatz von rund 500.000 Autos alleine in Europa – was den Produktionskapazitäten von zwei Werken entspricht.
Um die finanzielle Stabilität wiederherzustellen, plant VW drastische Sparmaßnahmen, von denen Produktionsstätten und auch Beschäftigte betroffen sind. Welche Werke und wie viele Stellen genau betroffen sein werden, ist noch unklar.
Die angekündigten Schritte führen zu Unsicherheit, Empörung und teils heftigen Reaktionen seitens Belegschaft und Gewerkschaften. Betriebsratschefin Daniela Cavallo bekundete, dass es weder die genannten Maßnahmen, noch Lohnkürzungen geben dürfe.
Thorsten Gröger, Bezirksleiter der Industriegewerkschaft Metall in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, warnte den VW-Vorstand vor „erbittertem Widerstand“, sollten die Pläne umgesetzt werden. Trotz der klaren Ablehnung bleiben Betriebsrat und Gewerkschaften jedoch offen für Gespräche, um gemeinsam Lösungen zu finden.
VW und der Kampf um mehr Ertragskraft: “Andere waren einfach schneller”
Experten kritisieren die Unternehmensstrategie von Volkswagen, um Kosten zu senken und die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen, deutlich. Beatrix Keim vom Center Automotive Research (CAR) wirft Volkswagen vor, zu lange auf Verbrenner gesetzt und den Umstieg von Verbrenner- auf E-Fahrzeuge verschlafen zu haben.
Auch Ökonom Jens Südekum (“Da waren andere einfach schneller“) und DIW-Präsident Marcel Fratzscher (“VW hat den Umstieg verschlafen”) äußerten im ZDF diese Meinung und betonten, dass der VW-Führungsebene in den letzten zehn Jahren große Fehler unterlaufen sind.
Der Konzern habe sich zu stark auf den chinesischen Markt verlassen und ist nun in einer schwierigen Lage, da Hersteller aus der Volksrepublik rapide aufgeholt haben und selbst nach Dominanz beim Absatz streben, wodurch die Verkaufszahlen von Anbietern wie VW leiden. Natürlich ist auch der preisliche Anspruch bei Volkswagen maßgeblich für den schleppenden Absatz.
VW-Krise hausgemacht - externe Faktoren unterstützten den Trend
Auch die Politik spielt in der Volkswagen-Krise eine Rolle. Die Bundesregierung strich die Kaufprämie für E-Autos, was 2024 zu einem massiven Einbruch der Verkaufszahlen führte. Nun plant die Ampelkoalition neue steuerliche Vorteile und möchte Unternehmen ermöglichen, E-Autos bis 2028 zu 100 Prozent steuerlich abzuschreiben.
Ökonom Südekum betont die Notwendigkeit eines klaren Signals der Bundesregierung für die Elektromobilität und fordert Investitionen in eine funktionierende Ladeinfrastruktur.
Analog zum Gesamtmarkt sind die Zukunftsperspektiven für Volkswagen und die deutsche Autoindustrie unsicher. Eine Vier-Tage-Woche, wie sie bereits in den 1990er-Jahren eingeführt wurde, könnte laut IG-Metall-Chefin Christiane Benner eine Möglichkeit sein, Massenentlassungen zu verhindern.
Soll der Staat VW unter die Arme greifen? Experten haben klare Meinung
Gleichzeitig betonen Experten die Notwendigkeit von Investitionen in neue Technologien und Infrastruktur, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben: DIW-Präsident Fratzscher fordert mehr Investitionen in Digitalisierung, Fachkräfte und Innovation, um die deutsche Autoindustrie zukunftsfähig zu machen.
Von neuerlichen staatlichen Subventionen, um die Managementfehler in Wolfsburg auszubügeln, halten Experten wie Fratzscher wenig: Die Frage, was Volkswagen wirklich voranbringt, ist seiner Meinung nach eine betriebswirtschaftliche – und gehört in die Hände der VW-Führung. Der Staat sollte seiner Ansicht nach nicht die Rolle eines Unternehmers übernehmen.
Die Wirtschaftswoche bezieht sich derweil auf eine interne VW-Stimme, die von einem „gruseligen Ausblick“ für das kommende Jahr 2025 spricht, in der sich die Lage entgegen ursprünglicher Vermutungen kaum bessern werde.
Stellenabbau bei VW schon lange hinausgezögert?
Das Portal berichtet zudem, dass bereits Ex-VW-Chef Herbert Diess eine Reduzierung der Belegschaft beabsichtigte, mit der Unterstützung eines hochrangigen Managers. Der geschasste CEO meinte, dass die Hälfte der 65.000 Beschäftigten ausreichen würde - die Ab- und Umbaupläne gehörten demnach zu den Gründen, warum Diess letztlich gehen musste, führt das Portal aus. Selbst Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sagte 2019 die jetzigen VW-Probleme voraus.
Betriebsratschefin Cavallo fordert eine klare Zukunftsstrategie, damit die Belegschaft um ihre Perspektiven weiß. Ein früherer Top-Manager stimmt ihr laut dem Bericht zu: Es müsse einen Plan geben, welcher den Beschäftigten Hoffnung gibt. Auch die Struktur bei VW, insbesondere in den Führungsebenen, soll überdacht werden.
Denn hier gibt es offenbar eine Menge Potenzial: Lediglich vier Marken – die Rede ist von VW, Audi, Porsche und Bentley – seien wirklich relevant. Warum andere Marken eigene Vorstände mit großem Apparat benötigen, sei unverständlich. Würden die Vorstände von VW, VW Nutzfahrzeuge, Seat/Cupra und Skoda zusammengelegt, ließe sich sofort eine Milliarde Euro einsparen.
VW schüttete kürzlich über vier Milliarden Euro Dividende aus
Ebenfalls interessant: Kürzlich würde an die Aktionäre eine Dividende von 4,5 Milliarden Euro ausgeschüttet. Angesichts der finanziellen Lage fragt sich, inwieweit dies hätte verhindert werden müssen?
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Als Hintergrund wird der Porsche-Piëch-Clan genannt, der indirekt 53 Prozent an VW hält und daran wenig Interesse gehabt haben dürfte: Die Familien genießen ihre Dividenden und müssen offenbar Kredite tilgen, die für den Kauf von Porsche-Anteilen aufgenommen wurden.
Die Renditekrise bei Volkswagen verdeutlicht die Herausforderungen der erfolgsverwöhnten deutschen Autoindustrie. Für Volkswagen-Chef Blume heißt es jetzt: Kündigen, schließen, streichen, um die Gewinnspanne wieder aufzupolieren. Gleichzeitig muss sich der Konzern technologisch verbessern, um künftig nicht nur bei Verbrennern, sondern auch im E-Auto-Bereich zukunftsfähig zu sein. (PF)
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