„Das Solarpaket war ein Gamechanger“
Balkonkraftwerke erleben durch Ampel einen Aufschwung: „Unsere Umsätze haben sich vervierfacht“
Die Energiewende hat sich zu einer zentralen Herausforderung für Politik und Gesellschaft entwickelt. Balkonkraftwerke bieten hier für Mieter eine Möglichkeit, erheblich Geld zu sparen.
München – In Deutschland wird noch immer kontrovers über die Energiewende gestritten und diskutiert. Das ist auch verständlich, schließlich geht es mittlerweile nicht mehr nur um Windkraftanlagen oder erneuerbare Gaskraftwerke, um die sich der Staat zu kümmern hat; sondern es geht auch um das Verhalten eines jeden Einzelnen und um die Möglichkeiten, die Privatpersonen nutzen können. Entsprechend hitzig war auch im vergangenen Jahr die Debatte um das Heizungsgesetz und um die Frage, wie die Wärmeversorgung im Land nachhaltiger werden kann.
Während diese Frage jedoch im Wesentlichen Eigentümer und Eigentümerinnen betrifft, fragen sich sicherlich viele Mieter und Mieterinnen, was sie zur Energiewende beitragen können. Welche Energieträger im Haus verwendet werden, entscheiden schließlich auch nicht sie – dabei lebt nach Angaben des Statistischen Bundesamts in Deutschland über die Hälfte der Bevölkerung zur Miete. Eine Möglichkeit für Mietende lautet daher: Balkonkraftwerke. Und da hat sich in den vergangenen zwei Jahren massiv was getan.
Balkonkraftwerke im Boom: Umsätze „seit vergangenem Jahr vervierfacht“
Im letzten Jahr hat der Gesetzgeber viele Hürden für die Installation eines Balkonkraftwerks abgebaut. Insbesondere das Solarpaket I, das kurz vor der Sommerpause beschlossen wurde, hat die Regularien so verändert, dass sich ein solches kleines Kraftwerk in vielen Fällen lohnt. „Das Solarpaket war ein Gamechanger“, berichtet auch Markus Struck, Geschäftsführer des Unternehmens Kleines Kraftwerk. Seine Firma verkauft genau solche Balkonkraftwerke. Eigentlich sollten sie aber eher Steckersolaranlagen genannt werden, erklärt Struck. Denn über 50 Prozent ihrer verkauften Anlagen seien für Flachdächer, wie Carports oder Gartenlauben. Doch der Name Balkonkraftwerk hat sich etabliert.
„Seit vergangenem Jahr haben sich unsere Umsätze vervierfacht. Und wir rechnen damit, dass sich der Umsatz im nächsten Jahr nochmal verdoppelt“, sagt Markus Struck im Gespräch mit IPPEN.MEDIA. Das habe ganz eindeutig etwas mit den gesetzlichen Verbesserungen zu tun, denn die Nachfrage sei seit Mai nochmal in die Höhe geschnellt.
Solarpaket I: Was die Ampel für den Sonnenstrom getan hat
Mit dem Solarpaket I hat die Ampel-Koalition folgendes für Balkonkraftwerke verändert:
- Jede und jeder hat jetzt ein Recht auf eine Steckersolaranlage. Vermieter und Vermieterinnen können nur noch unter sehr bestimmten Bedingungen die Installation einer solchen Anlage verweigern.
- Digitale Stromzähler sind nicht mehr für eine Mini-Solaranlage zwingend notwendig. Das heißt: Es ist ausdrücklich erlaubt, dass sich der Stromzähler auch rückwärts drehen darf (keine Rücklaufsperre notwendig).
- Es gibt keine besonderen Anforderungen für die Steckdose, an die die PV-Anlage angeschlossen wird. Es ist erlaubt, eine ganz normale Steckdose dafür zu verwenden.
- Verbraucher und Verbraucherinnen müssen kleine Kraftwerke bis 800 Watt nicht bei Stadtwerken anmelden.
Im Wesentlichen bedeutet das: Wer eine Steckersolaranlage wie ein Balkonkraftwerk kauft, kann jetzt die Anlage selbst anschließen und sofort Strom erneuerbar produzieren. Der Aufbau dauert nach Angaben von Markus Struck rund zwei Stunden, danach geht es los mit dem eigenen Solarstrom. Mieter und Mieterinnen müssen ihren Vermieter über die Installation in Kenntnis setzen.
Was kostet ein Balkonkraftwerk heute? Mini-Solaranlagen sind aktuell steuerfrei
Was kostet heute also ein Balkonkraftwerk für den Ottonormalverbraucher? Zunächst eine wichtige Information dazu: Die Ampel-Koalition hat bereits 2023 beschlossen, dass solche kleinen Kraftwerke von der Mehrwertsteuer befreit werden. Diese Regelung gilt noch bis 2026.
Dadurch sind die PV-Anlagen deutlich im Preis gesunken. Markus Struck von Kleines Kraftwerk rechnet vor: „Wir empfehlen normalerweise eine Anlage mit zwei Solarmodulen, plus Wechselrichter und Kabel sind das 527 Euro plus 49 Euro Versandkosten“. Die Versandkosten seien so hoch, weil sie als Unternehmen die Module mit einem Hubwagen bis in die Wohnung transportieren lassen. Schließlich wiege ein Modul 25 Kilogramm. „Das kann man eigentlich keinem Postboten zumuten“, sagt Struck.
Preislich ist Kleines Kraftwerk im Mittelfeld. Es gibt auch günstigere Modelle zu kaufen. Zwei PV-Module mit Halterung, Kabel und Wechselrichter gibt es online für zwischen 270 und 600 Euro zu kaufen. Darüber hinaus können Verbraucher und Verbraucherinnen noch einen Batteriespeicher kaufen, um ungenutzten Solarstrom aus den Tageszeiten für Abends „aufzubewahren“. Allerdings muss man dann auch mit deutlich höheren Kosten rechnen.
„So ein Speicher kostet bei uns 1099 Euro und hält für ungefähr zehn Jahre. Danach fängt die Leistung an, etwas nachzulassen“, sagt der Geschäftsführer von Kleines Kraftwerk. Man müsse aber nicht damit gleich starten – ein Speicher sei immer nachrüstbar und auch aufstockbar. „Wir sagen immer: fang erstmal an. Alles ist am Ende erweiterbar“.
Strom selbst mit einem Balkonkraftwerk produzieren: Auch im Supermarkt erhältlich
Wie viel Strom man am Ende produziert, hängt natürlich ganz von der Lage und der Sonneneinstrahlung ab. Allerdings ist es schon grundsätzlich möglich, mit zwei bis vier Modulen den Tagesverbrauch einer Wohnung abzudecken. Ohne Speicher bedeutet das aber auch, dass nicht immer dann Strom produziert wird, wenn man es wirklich braucht. Der ungenutzte Strom wird dann ins Netz eingespeist, eine Vergütung dafür gibt es bei den Balkonkraftwerken nicht. Grundsätzlich trägt man damit aber dazu bei, dass der zur Verfügung stehende Strom aus erneuerbaren Quellen stammt. Wenn viele Menschen mit aus kleinen PV-Anlagen produzierten Strom ins Netz einspeisen, sinkt die Notwendigkeit nach Verbrauchsstrom aus Kohle- und Gaskraftwerken.
Nach Angaben des Gründers des Wechselservices Wechselpilot, Maximilian Both, lassen sich Balkonkraftwerke auch mit dynamischen Stromtarifen kombinieren. Allerdings ist dafür ein Smart Meter erforderlich. Seinen Berechnungen zufolge lohnt sich ein Balkonkraftwerk aber besonders dann, wenn man einen alten Zähler hat. „Bei einem alten Zähler dreht dieser rückwärts, wenn Strom aus dem Balkonkraftwerk eingespeist wird, sodass der Kunde nur für den reduzierten Verbrauch zahlt und dabei, basierend auf einem Arbeitspreis von 25 ct/kWh, etwa 125 Euro pro Jahr spart, unabhängig vom dynamischen Tarif. Bei einem dynamischen Tarif, der je nach Nachfrage variiert und einem durchschnittlichen Arbeitspreis von 26 ct/kWh, ergibt sich aufgrund der Preisschwankungen eine geringere Ersparnis von etwa 38 Euro“, erklärt er auf Nachfrage.
Für Unternehmen, die solche kleinen PV-Anlagen verkaufen, sind es gerade also rosige Zeiten. Das zeigt sich unter anderem daran, dass Balkonkraftwerke mittlerweile auch im Supermarkt und im Baumarkt verkauft werden. Bauhaus, Toom, Rewe, Hagebau: Alle verkaufen zumindest zeitweise solche Anlagen. Und Kleines Kraftwerk hat auch schon große Pläne: „Wenn es nächstes Jahr mit dem Boom wirklich so weitergeht, dann wollen wir nach Europa expandieren“, sagt Markus Struck. Denn: „Die Europäer haben auch noch nicht verstanden, was da für ein Potenzial drin steckt“.