Boeing-Kapsel „Starliner“
Nasa-Astronauten sitzen auf ISS fest – Nasa steht vor schwieriger Entscheidung
Wird die Nasa ihre beiden Astronauten mit dem „Starliner“ von Boeing zur Erde zurückholen oder muss Konkurrent SpaceX aushelfen? Eine schwierige Entscheidung.
Update vom 23. August, 10.30 Uhr: Wie geht es mit dem Test der Boeing-Raumsonde und vor allem den zwei auf der ISS gestrandeten Astronauten weiter? Das ist bisher noch völlig offen – doch bald könnte es eine Antwort von der Nasa geben. Wie die US-Raumfahrtorganisation auf ihrer Website mitteilt, soll es am Samstag (24. August) eine Nasa-interne „Test Flight Readiness Review“ mit Nasa-Chef Bill Nelson geben. Eine Stunde nach diesem Termin, um 13 Uhr Ortszeit (19 Uhr MESZ) will die Nasa eine Pressekonferenz abhalten.
Man kann davon ausgehen, dass die Nasa bei diesem Termin bekannt gibt, wie es mit dem „Starliner“-Test weitergeht: Wird das neue Raumschiff von Boeing seine zweiköpfige Crew, die sich seit dem 6. Juni auf der Raumstation aufhält, zur Erde zurückbefördern dürfen? Oder muss das Raumschiff ohne Crew zur Erde zurückfliegen? Dann könnte eine Raumkapsel von SpaceX Suni Williams und Butch Wilmore von der ISS zur Erde zurückbringen – allerdings ist die Rückkehr der beiden dann erst für Februar vorgesehen.
Die Entscheidung, vor der die Nasa steht, ist schwierig – es geht auf der einen Seite um Menschenleben, die bei der Rückkehr mit dem „Starliner“ möglicherweise gefährdet sein könnten (genau weiß die Nasa das allerdings nicht). Auf der anderen Seite geht es um ein zweites Raumschiff, das Menschen für die Nasa transportieren kann.
Nasa steht vor schwieriger Entscheidung: Fliegt der „Starliner“ von Boeing zwei Astronauten zurück?
Erstmeldung vom 20. August 2024: Washington D.C. – Am 5. Juni sind die Nasa-Astronautin Suni Williams und ihr Kollege Butch Wilmore an Bord der Boeing-Raumkapsel „Starliner“ zur Internationalen Raumstation ISS aufgebrochen. Ihre Mission: Bei einem etwa achttägigen Aufenthalt herausfinden, ob das neue Raumschiff für künftige Flüge mit Astronautinnen und Astronauten eingesetzt werden kann. Denn erst, wenn der „Starliner“ von der Nasa für die Beförderung von Personen zertifiziert wurde, kann er für Routine-Flüge zur ISS eingesetzt werden.
Doch seit dem Start des „Starliner“ sind mittlerweile elf Wochen vergangen – und Williams und Wilmore befinden sich immer noch im Weltall. Die Tests, die die beiden durchführen sollten, sind längst abgeschlossen – doch es gibt ein Problem: Bei der Nasa ist man sich nicht sicher, ob der „Starliner“ die beiden Raumfahrenden wieder sicher zur Erde zurückbringen kann. Beim Andockmanöver hatte es Probleme mit einigen Steuerungsdüsen gegeben, die bis heute nicht vollständig geklärt sind. Tests am Boden und im Weltraum brachten bisher keine eindeutigen Antworten.
Nasa-Astronauten auf der ISS gestrandet: Fliegen sie mit dem „Starliner“ zurück?
Diese Tatsachen lassen die Nasa bisher zögern: Sollte man die Astronautin und den Astronauten in die Kapsel setzen, die möglicherweise bei der Rückreise zur Erde Probleme bekommen könnte? Das ist eine heikle Angelegenheit, denn dem „Starliner“ steht – wie jeder anderen Raumsonde, die zur Erde zurückkehrt, ein heißer Ritt bevor. Das ist durchaus wörtlich zu nehmen: Beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre wird die Kapsel glühend heiß – weit mehr als 1000 Grad Celsius muss das Material aushalten, während die Raumsonde zur Erde fällt.
Zuvor müssen die Steuerungsdüsen der Kapsel den „Starliner“ für den Wiedereintritt richtig ausrichten – gelingt das nicht, kann die Kapsel auseinanderbrechen. Wer die Raumfahrt schon länger verfolgt, bei dem werden Erinnerungen an das Unglück des Space Shuttles „Columbia“ im Jahr 2003 wach. In diesem Fall hatte das Hitzeschutzsystem des Shuttles versagt, da es beim Start beschädigt wurde. Das Shuttle zerbrach beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre, alle sieben Menschen an Bord starben.
Problem mit „Starliner“ von Boeing: Geht die Nasa mit ihren Astronauten ein Risiko ein?
Ob die Nasa dieses Risiko eingehen will, ist derzeit unklar. Nasa-Manager Ken Bowersox sprach in diesem Zusammenhang kürzlich von „schmerzhaften Diskussionen“. Bowersox war einst selbst Nasa-Astronaut und befand sich ungeplant länger an Bord der ISS, als die Space Shuttles nach dem „Columbia“-Unglück nicht mehr starten durften. Der Nasa-Chef Bill Nelson betonte auf der Plattform X: „Sicherheit ist unser wichtigster Wert, und die Nasa prüft alle Möglichkeiten, um Butchs und Sunis sichere Rückkehr zu gewährleisten.“
Tatsächlich gäbe es eine andere Möglichkeit, wie Williams und Wilmore ohne den „Starliner“ zur Erde zurückkehren könnten – doch die ist nicht ganz ohne. Die Astronautin und der Astronaut könnten mit einer „Crew Dragon“-Raumkapsel von SpaceX zurück zur Erde fliegen, doch dabei gibt es sowohl praktische als auch politische Probleme. Schließlich ist die SpaceX-Kapsel zeitgleich mit dem „Starliner“ von der Nasa in Auftrag gegeben worden – SpaceX und Boeing sind also direkte Konkurrenten.
Nasa könnte Astronauten mit SpaceX-Kapsel zurückholen
Während die „Crew Dragon“ seit einigen Jahren zuverlässig zur ISS fliegt und demnächst zum zweiten Mal eine reine Laien-Crew in den Erdorbit transportieren soll, hat der „Starliner“ immer noch mit Problemen zu kämpfen. Das fing bereits beim ersten, damals noch unbemannten, Flug zur ISS an: Der „Starliner“ erreichte das Ziel gar nicht erst. Erst der zweite Testflug gelang, doch dann gingen die Probleme weiter.
Vereinfacht gesagt: würde die SpaceX-Kapsel die auf der ISS gestrandeten Astronauten „retten“, dürfte das Boeing sehr weh tun – möglicherweise wäre es auch das Ende des „Starliner“-Programms. Das wiederum wäre für die Nasa schlecht, die explizit eine zweite Möglichkeit haben wollte, um Astronauten selbst ins Weltall zu befördern.
Nasa-Astronauten bräuchten SpaceX-Raumanzüge
Dazu kommen die organisatorischen Probleme bei einer Rückkehr mit der SpaceX-Kapsel: Williams und Wilmore würden neue Raumanzüge benötigen, da die Boeing-Anzüge nicht mit der „Crew Dragon“-Kapsel funktionieren. Die nächste SpaceX-Kapsel dürfte außerdem nur mit halber Mannschaftsstärke zur ISS fliegen, um Platz für die beiden gestrandeten Raumfahrenden zu haben. Die Kapsel würde dann im Februar mit Williams und Wilmore als zusätzliche Crew zur Erde zurückkehren.
Bisher wurde der nächste Start einer „Crew Dragon“-Kapsel zeitlich nach hinten geschoben, um den Verantwortlichen genügend Zeit für die Entscheidung einzuräumen. Es scheint durchaus möglich, dass die beiden Nasa-Astronauten mit einer anderen Raumkapsel zur Erde zurückkehren als die, mit der sie gestartet sind. Und das neun Monate nach ihrem Start zu einer Mission, die nur acht Tage dauern sollte. (tab)
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