Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

„Ich bereue es“

Wegen Mord und Mordversuch angeklagt: 27-Jähriger in Salzburg verurteilt

Der 27-jährige Angeklagte wird in Salzburg in den Gerichtssaal geführt. Die Anklage lautet auf Mord.
+
Der 27-jährige Angeklagte wird in Salzburg in den Gerichtssaal geführt. Die Anklage lautet auf Mord.

Ein Gericht in Salzburg hat einen 27-Jährigen verurteilt. Der Mann gestand, einen anderen Mann getötet und einen weiteren versucht zu töten, kann sich aber nicht an die Tat erinnern. Zum Tatzeitpunkt soll er betrunken gewesen sein. Der Prozessverlauf und das Urteil im Detail.

Salzburg – Zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe ist am Mittwoch ein 27-jähriger Somalier verurteilt worden, er hat gestanden, in der Nacht zum 1. Februar dieses Jahres in der Siebenstätterstraße – Nähe Lehener Park – einen Landsmann erstochen haben, sowie einen weiteren Somalier versucht haben zu töten. Außerdem hat er im Gefängnis zweimal Beamte verletzt. Angeklagt war der subsidiäre Schutzberechtigte wegen Mordes, versuchten Mordes und versuchter Körperverletzung, er war zum Tatzeitpunkt arbeitslos und obdachlos, er ist wegen Gewalttaten bereits sechs Mal vorbestraft. Vor den Geschworenen gab sich der Angeklagte wortkarg, er könne sich nicht an die Tat erinnern, „ich bekenne mich zu allem schuldig und möchte mich vor allem bei der Familie des Opfers entschuldigen“.

Der Angeklagte traf sich am 30. Januar mit mehreren Personen in einer Wohnung in der Stadt Salzburg, es wurde Alkohol getrunken, der Angeklagte sei wütend und laut geworden. Der Somalier M., der auch dort wohnte, verließ die Wohnung und wollte einen Freund zu Hilfe holen, damit dieser die Situation beruhige. Auf der Straße kam es dann zur Tragödie: Der Angeklagte A. traf auf den 34-jährigen Somalier H., der zuvor auch in der Wohnung war. H. versuchte noch in Richtung Lehener Park zu flüchten, der Angeklagte holte ihn ein. Er stach mit einem Messer mit einer 20 Zentimeter langen Klinge fünfmal auf das Opfer ein – und zwar in den Kopf, in den linken Brustkorb und in den Rücken. Das Opfer erlitt Stichverletzungen, der Herzbeutel wurde durchtrennt. Der Angeklagte soll auch einen weiteren Somalier, einen Taxifahrer, der die Situation beruhigen sollte, versucht haben zu töten. Dieser flüchtete und rannte um Fahrzeuge herum, sodass ihn der Angeklagte nicht mehr erwischen konnte. A. kehrte daraufhin wieder zu dem am Boden liegenden, durch Messerstiche Schwerverletzten zurück und stach noch ein letztes Mal zu, wobei der Griff des Messers abgebrochen ist. A. wurde noch am selben Tag festgenommen.

„Ich bereue es und möchte mich vor allem bei der Familie des Opfers entschuldigen.“

Bei der Einweisung in die Justizanstalt am Tag danach versuchte er, einen Beamten bei der Aufnahme in der Justizanstalt Puch mit einem Faustschlag zu verletzen, und auch später einen anderen JA-Beamten im Zuge einer Videokonferenz mit dem Haftrichter.

Laut Psychiaterin Gabriele Wörgötter liegt bei dem Mann keine schwerwiegende psychische Störung vor, er habe eine dissoziale, emotionale, vergröberte Persönlichkeit und die Tat ohne Bewusstseinsstörung begangen. Er sei 2015 nach Österreich gekommen und habe ab dann nach seiner Aussage immer wieder Drogen konsumiert. Nach mehreren Straffälligkeiten und Verurteilungen in Österreich sei er nach Frankreich geflüchtet, von dort aber wieder nach Österreich abgeschoben worden. Am Abend des 31. Januar, also vor der Tat, habe er sehr viel Alkohol getrunken, bei der Blutentnahme rund sieben Stunden nach der Tat konnte allerdings kein Alkohol im Blut festgestellt werden.

Der 27-jährige Angeklagte vor Gericht in Salzburg

A. soll bei seiner Einvernahme gesagt haben, er habe Alkohol getrunken und „etwas“ zu sich genommen – es wurde nach der Tat Cannabiskonsum festgestellt. Das Opfer kenne er seit 2016, schilderte A., er könne sich an die Tat aber nicht erinnern, und wisse auch keinen Grund dafür. Er habe das Opfer gesehen und dann Blut gerochen.

Prozess im gut bewachter Verhandlungssaal

Mit der bei Geschworenenprozess üblichen Verspätung beginnt um 9.40 Uhr die Verhandlung im großen Schwurgerichtssaal. Drei Justizbeamte bringen den Angeklagten in den Saal, der groß gewachsene Somalier ist mit einem dunklen Hemd und Jeans, sowie weißen Sneaker bekleidet. Im Verhandlungssaal sind zusätzlich vier Polizeibeamte, die vom Richter bestellt wurden.

Staatsanwalt Leon Karisch berichtet von mehreren, einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten, er sei mehrmals in Haft gewesen, zuletzt wurde er Anfang Januar 2024 entlassen. Am Abend des 31. Januar sei der Angeklagte A. gegen 21 Uhr zu der Runde der Somalier in einer Wohnung gestoßen. Da er zunehmend laut und aggressiv wurde, wollten ihn die anderen Somalier loswerden. Da dies nicht gelang, wollte einer Hilfe holen von einem Landsmann, einem Taxifahrer.

Dann hätten sich die Ereignisse überschlagen. Der Angeklagte habe die Wohnung verlassen und sei auf der Straße auf das spätere Opfer getroffen, den 34-jährigen Somalier H. Warum er ihn getötet habe, wisse er nicht, so seine Aussagen bisher bei der Polizei und dem Haftrichter, er habe „Blut gerochen“.

Sein Verteidiger Moritz Knauseder erklärt, dass sich der Angeklagte vollinhaltlich schuldig bekennen werde, zu allen Anklagepunkten. „Ich darf schon jetzt in seinem Namen sagen, dass es ihm sehr leidtut, vor allem was er der Familie des Opfers angetan hat“. Es sei eine Tragödie, die er nicht rückgängig machen könne. „Wenn später seine Antworten auf Fragen holprig sein werden, dann liegt das daran, dass er sehr aufgeregt ist und Angst hat, nicht die richtigen Worte zu finden“, so Knauseder.

„Ich bekenne mich schuldig“

Die Aussage des 27-Jährigen beginnt dann schon mit einer Verwirrung, er bekennt sich zwar zum Mord an dem 34-Jährigen H. schuldig, aber nicht zum Mordversuch an dem Taxifahrer, „ich wollte niemanden töten“. Fragen will er nicht wirklich beantworten, „ich möchte mich entschuldige und ich bereue es, mehr als das möchte ich dazu nicht sagen“. An den Vorfall an sich könne er sich nicht erinnern, er sei berauscht gewesen und hätte an diesem Abend wohl auch Drogen genommen. Am Ende bekennt sich A. doch, wie von seinem Anwalt angekündigt, zu allen Anklagepunkten schuldig, also auch zum Mordversuch. „Ich war betrunken und kann nicht erklären, wie es dazu gekommen ist.“

Später will ein Sachverständiger ein Bild zeigen, dass das Opfer mit der abgebrochenen Klinge im Operationssaal zeigt. Der Richter lehnt dies aus Respekt vor den Angehörigen im Gerichtssaal ab, die Geschworenen würden das Bild im Rahmen ihrer Beratung zu sehen bekommen.

„Er war wütend auf das Opfer, weil er ihn nicht im Gefängnis besucht hat“, Zeuge

Eine zentrale Rolle in der Verhandlung spielte ein somalischer Taxifahrer, er wurde erst um Hilfe gerufen und wäre später selbst beinahe zum zweiten Opfer geworden. Als Zeuge schilderte er vor dem Gericht sehr detailgenau den Ablauf: Der Somalier M., einer der zwei Mieter der Wohnung, habe ihn um Hilfe gebeten, er habe Angst vor einem Somalier in seiner Wohnung, gemeint ist der jetzt Angeklagte A., „beruhige Dich, ich gehe mit, sobald wir mit dem Spiel fertig sind“, soll der Taxifahrer geantwortet haben. Später habe er den Hilferuf vergessen, der Freund habe ihn aber angerufen und erneut um Hilfe gebeten.

In der Wohnung habe er später noch zwei Somalier angetroffen, unter anderem das spätere Opfer. Er habe dann alle aus der Wohnung geworfen, vor einem Kebab-Laden sei der Angeklagte A. zu der Gruppe Somalier wieder dazu gestoßen. Er sei wütend auf M. gewesen, weil dieser ihn nicht im Gefängnis besucht hatte, er habe ihn beschimpft, der Angeklagte sei dann kurz weggegangen, um eine Tasche zu holen, er sei auf alle Fälle stark betrunken gewesen. Bei seiner Rückkehr sei er auf das spätere Opfer H. losgegangen, als dieser wegläuft, verfolgt ihn A. Der Zeuge versucht H. zu helfen und holt dazu einen Radschlüssel zum Reifenwechsel aus seinem Taxi. Als der Angeklagte den Zeugen bemerkte, habe er versucht, auch auf ihn einzustechen. Der Zeuge hat dann die Polizei alarmiert, daraufhin flüchtete der Angeklagte. „Ich war im Schock, ich wollte das Messer aus dem Opfer herausziehen, zwei vorbeikommende Männer sagten allerdings‚ nicht anfassen“. Der Zeuge sei dann kurzfristig auch von der Polizei gefesselt worden. Das Opfer H. sei ein friedlicher Mensch gewesen und habe nie Probleme gehabt, auch nicht mit dem Angeklagten, er habe ihm sogar immer wieder Geld geschenkt.

Wodka und vier Dosen Bier

Der bei der Verhandlung nicht erschienene Zeuge M. sagte vor der Polizei aus, dass er mit dem Angeklagten ab ca. 21 Uhr vor der HAK vier Dosen Bier und eine Flasche Wodka getrunken hätte. Er sei dann sehr betrunken gewesen, Drogen seien in diesem Zeitraum nicht konsumiert worden. Später auf der Straße habe der Angeklagte A. plötzlich sein Messer aus einem Gürtel gezogen, M. habe sich daraufhin in das Taxi des anderen Zeugen geflüchtet und sich eingeschlossen, „er musste ja auf mich wütend sein, weil ich ihn aus der Wohnung haben wollte“. Einen Streit zwischen A. und dem späteren Opfer H. habe er nicht mitbekommen.

Opferanwalt Stefan Rieder fordert für die Witwe und die vier leiblichen Kinder ein Teilschmerzengeld von jeweils 40.000 Euro, also in Summe 200.000 Euro, im Namen des Angeklagten anerkennt der Verteidiger jeweils 20.000 Euro.

Nach rund dreistündiger Beratung stand das Ergebnis der Geschworenenberatung fest: Alle acht Geschworenen entschieden, ja, er ist des Mordes schuldig, beim Mordversuch gegen den Taxilenker stimmte ein Geschworener mit „nein“, die drei Berufsrichter verkündeten das Urteil: lebenslange Freiheitsstrafe, als mildernd wurde das Geständnis gewertet, bei einem Mord blieb es beim Versuch, erschwerend seien allerdings die zahlreichen, einschlägigen Vorstrafen gewesen. Außerdem müsste er innerhalb von 14 Tagen jeweils 40.000 Euro an die Witwe und die vier Kinder als Teilschmerzengeld bezahlen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, sein Verteidiger hat Berufung angemeldet. (hud)

Kommentare