Rechtsextreme Parolen
Medienminister Liminski warnt nach Sylt-Video: „Immer mehr Videos auf TikTok mit diabolischem Humor“
Ein verstörendes Video von Feiernden auf Sylt sorgt für Entsetzen: Junge Menschen skandierten dort rechtsextreme Parolen. NRW-Minister Liminski sorgt sich ob eines neuen Phänomens.
Düsseldorf/Kampen – Dass es kein harmloser Selfie-Clip von feiernden jungen Leuten ist, wird in der ersten Sekunde klar: „Ausländer raus! Ausländer raus!“, singt eine junge Frau lächelnd in die Kamera. Und die anderen vollenden den furchtbaren Refrain auf die Melodie des Gigi D‘Agostino-Klassikers „L’amour toujours“: „Deutschland den Deutschen.“
Video aus Sylt: „Schande für Deutschland“
Das Video zeigt Szenen aus Sylt. Dort hatten junge Feiernde an Pfingsten im Außenbereich des Kamper Edel-Clubs „Pony“ rechtsextreme Parolen skandiert und sich dabei gefilmt. Seit Donnerstag geht der Clip in den sozialen Medien viral – dem Tag, an dem das Grundgesetz, das die Menschenwürde in Deutschland schützt, 75 Jahre alt geworden ist. Das Entsetzen ist groß, Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte: „Wer Nazi-Parolen wie ‚Deutschland den Deutschen – Ausländer raus‘ grölt, ist eine Schande für Deutschland.“ Und die CDU-Bundestagsabgeordnete Serap Güler sagte gegenüber IPPEN.MEDIA: „Feierlaune und Champagner sind für so einen Fehltritt auch keine Entschuldigung.“ Es sei gut, dass das Video öffentlich geworden sei.
NRW-Medienminister Liminski beobachtet Phänomen auf TikTok: Neue Art von Zynismus
NRW-Medienminister Nathanael Liminski (CDU) sieht im Verhalten der Sylter Parolenschreier Symptome eines neuen Medien-Phänomens. „Das Video aus Sylt ist schockierend, dieses Verhalten ist ekelhaft und inakzeptabel“, sagte der Minister im Interview mit IPPEN.MEDIA. Er beobachte eine „erschreckend schnell sinkende Hemmschwelle“ und seit einiger Zeit ein besorgniserregendes Phänomen vor allem auf der Plattform TikTok. Dort gebe es immer mehr Videos „mit einem fast schon diabolischen Humor“. Bei vielen jungen Menschen verfange diese neue Art von Zynismus, so Liminski: „Da heißt es dann: Witzig ist es irgendwie schon und man muss ja nicht alles so bierernst nehmen – und dann wird es geteilt.“
Auf diesem Wege würden „zuerst die Grenzen zwischen Humor, Hass und Hetze und dann zwischen digitaler und analoger Welt“ verschwimmen. Das Video aus Sylt sei ein weiteres Beispiel dafür. Seit Monaten zeige sich der Trend, dass Menschen den Text, der dort gesungen wurde, in Discos und auf Feiern skandierten.
Nazi-Parolen im Sylt-Video: „Selbstinszenierung gehört mittlerweile dazu“
Das deckt sich mit einer Einschätzung des Konfliktforschers Andreas Zick. „Die Selbstinszenierung gehört mittlerweile dazu, weil die Leute wissen, dass sie in den sozialen Medien dafür Anklang finden“, sagte er im Gespräch mit dieser Redaktion. „Das zeigt den Einbruch sozialer Normen. Es reiht sich ein in eine Normalisierung des Rechtsextremen in bürgerlichen Milieus, es reiht sich ein in die Tradition der immer stärkeren Radikalisierung von Mitte-Milieus.“
Serap Güler über Video aus Sylt: „Rechtslastiges Denken verfängt in allen Schichten“
In der Tat wirken die Feiernden von Sylt in ihren weißen Hemden und lässig über die Schultern drapierten Pullovern nicht wie vernachlässigte Jugendliche aus benachteiligten sozialen Gruppen. Es sind vielmehr oft Kinder wohlhabender Eltern, die in dem Sylter Etablissement feiern. Serap Güler kommentierte das so: „Rechtslastiges Denken verfängt in allen Schichten und ist bei weitem kein rein ostdeutsches Problem.“

