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Interview mit NRW-Minister

Staatskanzleichef Liminski: „Sicherheit ist nicht mehr so selbstverständlich, wie sie mal schien“

Nathanael Liminski nennt die Drittstaatenlösung im Interview einen „ernsthaften Lösungsansatz“. Einen solchen erkenne bei der Kirche und bei anderen Parteien nicht. 

Düsseldorf – Der Minister fährt sich vor dem Foto fürs Interview noch einmal schnell mit der Hand durchs Gesicht. Neulich, da habe er auf einem Bild irgendwie ein bisschen müde ausgesehen, sagt er. Verständlich wär’s. Das Aufgabenspektrum von Nathanael Liminski ist außerordentlich breit, sein Titel passt auf keine Visitenkarte: Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales sowie Medien des Landes Nordrhein-Westfalen – und dann ist der CDU-Politiker auch noch Chef der Staatskanzlei von Ministerpräsident Hendrik Wüst. 

Der nächste Termin steht schon an, es geht um Filmförderung und den Kulturstandort NRW. Und immer wieder ist er in diesen Tagen mit TikTok im Gespräch, ein regelrechter „Desinformationskrieg“ tobe dort im Netz in diesem Superwahljahr, um den will er sich kümmern. Doch erst mal geht es um Europa.

Herr Liminski, können Sie die Bedeutung der EU mit nur einem Satz erklären? 
Die Europäische Union ist in dieser Welt für seine Bewohner Garant für Frieden, Freiheit und Wohlstand.
Da haben Sie aber schon ein bisschen überlegen müssen. 
Weil ich versucht habe, es wirklich in einem Satz zu sagen. Ich sehe das zu 100 Prozent so. Seit dem Zweiten Weltkrieg gab es gut 20 militärische Konflikte auf europäischem Boden, der Ukraine-Krieg ist längst nicht der erste. Aber nie auf dem Gebiet der Europäischen Union. Das zeigt: Die EU schafft Frieden und das gibt Raum für Freiheit und Wohlstand.
NRW-Medien- und Europaminister Nathanael Liminski: „Die EU schafft Frieden und das gibt Raum für Freiheit und Wohlstand.“
Warum steht Ihr Satz nicht auf den CDU-Wahlplakaten vor der Europawahl? 
Die Begriffe aus meinem Satz finden Sie auf den CDU-Plakaten. Ich habe am Europawahlprogramm der CDU mitgearbeitet. Wir haben unser Angebot fokussiert und konkretisiert. Wahlkampf ist immer die Chance, die Relevanz einer Wahl für das tägliche Leben der Menschen herzustellen. Dafür müssen Sie am konkreten Leben der Menschen anknüpfen. 
Im CDU-Wahlkampf geht es sehr viel um Sicherheit. Warum?
Die Begründung Europas als Friedensprojekt erfährt eine neue Aktualität. Der Ukraine-Krieg ist nur zweieinhalb Flugstunden von hier entfernt. Die Leute spüren, dass Krieg etwas ist, das auch sie konkret bedroht. Und sie auch jetzt schon im Alltag beschäftigt. Stichwort Flüchtlinge aus der Ukraine, Stichwort Energiepreise, Stichwort Lieferkettenprobleme. Das erschüttert das Sicherheitsgefühl. Und die Menschen merken, dass Sicherheit anstrengender geworden ist. 
NRW-Medienminister Nathanael Liminski im Gespräch mit Redakteur Peter Sieben in der NRW-Staatskanzlei.
Inwiefern? 
Sicherheit ist nicht mehr so selbstverständlich, wie sie mal schien. Wir müssen dafür jetzt viel Geld in die Hand nehmen, zum Beispiel für die Bundeswehr. Und wir müssen darüber auf einmal auch mit unseren Verbündeten politisch streiten, mit den USA, oder mit Frankreich, wenn es etwa darum geht, was wir geben wollen, damit die Ukraine den Kampf gegen Russland besteht. Das Thema Sicherheit berührt den Staat in seinem Kern.
Wie meinen Sie das?
Der Grund dafür, dass es überhaupt einen Staat gibt, ist das Versprechen von Sicherheit. Kann man bei Thomas Hobbes schon nachlesen. 
Sie meinen den englischen Philosophen des 17. Jahrhunderts, laut dem Menschen staatliche Herrschaft um ihrer Sicherheit willen anerkennen. 
Genau. Deshalb ist es so wichtig, dass der Staat sich bei diesen Themen – Ordnung, Sicherheit, Verteidigung – als entscheidungs- und handlungsfähig erweist. Und in dem Moment, in dem das nicht der Fall ist, wird es gefährlich für die Demokratie.
Die CDU hat ein neues Grundsatzprogramm beschlossen. Damit gibt sie sich ein deutlich konservatives Profil. Man könnte sagen: Sie ist jetzt eher eine Merz-CDU als eine Wüst-CDU. Ist das in Ihrem Sinne?
Unser neues Grundsatzprogramm übersetzt die Grundwerte der CDU auf die Themen der heutigen Zeit und konzentriert sich dabei auf das tatsächlich Grundsätzliche. 
Will man mit dem konservativen Weg vielleicht auch Menschen erreichen, die sonst die AfD wählen würden?
Wenn man Menschen, die darüber nachdenken, die AfD zu wählen, überzeugt, es nicht zu tun, ist das ein Dienst an unserer Demokratie und ein erstrebenswertes Ziel. Das gilt auch, wenn die CDU es tut. Aber ich weiß auch, dass es um einzelne Punkte im Grundsatzprogramm größere Diskussionen gab. 

Wandel in Europa: Die Geschichte der EU in Bildern

Karte der Europäische Union
Die Europäische Union ist eine wirtschaftliche und politische Vereinigung von 27 europäischen Ländern. Insgesamt leben etwa 450 Millionen Menschen im Gebiet der EU. Ursprünglich als Wirtschaftsverbund gegründet, hat sie sich zu einer Organisation entwickelt, die eine Vielzahl von Feldern abdeckt. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt ist der europäische Binnenmarkt der größte gemeinsame Markt weltweit. Er ermöglicht die freie Bewegung der meisten Waren, Dienstleistungen, Kapital und Menschen. © PantherMedia (Montage)
Römischen Verträge EU
Der Grundstein für die heutige EU wurde am 25. März 1957 gelegt. Die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien, die Niederlande und Luxemburg unterzeichneten damals die Römischen Verträge. Für Deutschland setzten Kanzler Konrad Adenauer (links) und Walter Hallstein, der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, ihre Unterschriften unter das Dokument. Damit waren die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und die Europäische Atomgemeinschaft (Euratom) besiegelt. © dpa
Margaret Thatcher und François Mitterrand
Am 1. Januar 1973 traten Dänemark, die Republik Irland und das Vereinigte Königreich der EG bei. Einfach war das Verhältnis zwischen Großbritannien und Europa nie. Auch Premierministerin Margaret Thatcher (links) war keine Freundin Europas. Mit der Forderung „We want our money back“ setzte die Eiserne Lady 1984 beim Gipfel in Fontainebleau einen Rabatt bei den Zahlungen Großbritanniens in die Gemeinschaftskasse durch. Verhandlungspartner wie der französische Präsident François Mitterrand (rechts) waren machtlos. © Daniel Janin, Gabriel Duval/afp
Militärjunta in Griechenland
Zum 1. Januar 1981 trat Griechenland der Europäischen Gemeinschaft bei. Die Aufnahme des Landes war heftig umstritten. Europa befürchtete, sich einen unangenehmen Partner ins Nest zu holen. So sorgte zum einen das konfliktreiche Verhältnis Griechenlands zur Türkei für Unbehagen. Noch schwerer wog die Diktatur der rechtsextremen Militärjunta, die erst im Juli 1974 zu Ende gegangen war. Ein interner Machtwechsel am 25. November 1973, als Panzer im Athener Zentrum auffuhren (im Bild), konnte den Wandel nicht mehr aufhalten. © Imago
Von wegen grenzenlos - Ärger in Schengen über Grenzkontrollen
1985 unterzeichneten Deutschland, Frankreich und die Benelux-Staaten das „Schengener Abkommen“ über den schrittweisen Abbau der Personenkontrollen an ihren gemeinsamen Grenzen. Die weitgehende Reisefreiheit erleichterte das Leben und Arbeiten in anderen europäischen Ländern erheblich. Alle Bürgerinnen und Bürger der EU haben das Recht und die Freiheit, selbst zu entscheiden, in welchem EU-Land sie arbeiten, studieren oder ihren Ruhestand verbringen möchten.  © Harald Tittel/dpa
Franco und Juan Ćarlos
1986 nahm die EG zwei neue Mitglieder auf: Portugal und Spanien. Damit konnten beide Staaten ihre Isolation auf dem Kontinent beenden. Vor allem für Spanien war der Beitritt in die EG ein markanter Wendepunkt, um die Folgen der jahrzehntelangen Diktatur unter Francisco Franco (rechts) zu überwinden. Juan Carlos (links), der zwei Tage nach Francos Tod am 20. November 1975 zum König proklamiert worden war, spielte eine entscheidende Rolle bei der Überwindung der Diktatur. Bei der Aufnahme des Bildes im Jahr 1971 hatte er noch im Schatten Francos gestanden. © afp
Silvester 1989 am Brandenburger Tor
Eine Erweiterung im eigentlichen Sinne war es nicht. Doch als am 3. Oktober 1990 die Länder der DDR der Bundesrepublik Deutschland beitraten, wurde die EG automatisch um ein gutes Stück größer. Mit der Wiedervereinigung erstreckte sich das gesamte Gemeinschaftsrecht nun auch auf das Beitrittsgebiet. Mit einer Bevölkerungszahl von mehr als 80 Millionen Menschen ist Deutschland seitdem der bevölkerungsreichste Mitgliedsstaat. © Wolfgang Kumm/dpa
Genscher und Waigel unterzeichnen Maastrichter Vertrag
Anfang der Neunziger war die Zeit reif für einen Wandel. Die Römischen Verträge hatten ausgedient. Am 7. Februar 1992 unterzeichneten die Staats- und Regierungschefs der EU ein neues Vertragswerk. Für Deutschland unterzeichneten Außenminister Hans-Dietrich Genscher (links) und Finanzminister Theo Waigel (rechts) das Dokument. Der Vertrag von Maastricht zur Gründung der Europäischen Union trat am 1. November 1993 in Kraft. Mit dem EU-Vertrag entwickelte sich die europäische Gemeinschaft zu einer politischen Union. © dpa
Volksabstimmung zum EU-Beitritt in Norwegen 1994
1995 nahm die EU drei neue Länder auf. In Österreich, Schweden und Finnland hatten zuvor die Menschen in Volksentscheiden dem Beitritt zugestimmt. Auch Norwegen ließ das Volk in einem Referendum darüber abstimmen. Doch hier sah das Ergebnis anders aus. 52,2 Prozent der Wahlberechtigten in Norwegen votierten in einer Volksabstimmung gegen einen Beitritt.  © Berit Roald/Imago
Tschechien feiert EU-Beitritt
Neun Jahre später kam es zur ersten Osterweiterung. Am 1. Mai 2004 traten Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Slowenien, Malta und die Republik Zypern der EU bei. Die neuen EU-Länder feierten den Beitritt, in Prag (hier im Bild) und anderen Hauptstädten freuten sich die Menschen über eine Zukunft unter dem Dach der EU. Die Europäische Union setzte sich somit aus 25 Mitgliedstaaten zusammen. © Michal Svacek/afp
Rumänien - EU
Der zweite Teil der Osterweiterung ließ nicht lange auf sich warten. Am 25. April 2005 unterzeichneten Rumänien und Bulgarien den Beitrittsvertrag zur EU. Beide Länder wurden zum 1. Januar 2007 in die Europäische Union aufgenommen. Für die Menschen in Bukarest (hier im Bild) gab es also mehr als nur einen Grund, die Nacht zum Tage zu machen. Die Fläche der EU wuchs mit dieser Erweiterung auf etwas mehr als 4,3 Millionen Quadratkilometer.  © Robert Ghement/dpa
Kroatien wird EU-Mitglied
Schon im Juni 2004 war Kroatien der Status eines offiziellen Beitrittskandidaten verliehen worden. Doch die Verhandlungen verzögerten sich mehrmals, erst sieben Jahre später konnten sie erfolgreich abgeschlossen werden. Kurz danach stimmten 66,3 Prozent der Wahlberechtigten bei einem Referendum für den Beitritt in die EU. Am 1. Juli 2013 war schließlich der Zeitpunkt gekommen, um vor dem Europäischen Parlament in Straßburg die Flagge Kroatiens zu hissen. Die EU bestand damit aus 28 Mitgliedsstaaten. © Frederick Florin/afp
EU Parlament Straßburg
Jeder europäische Staat hat laut Artikel 49 des EU-Vertrags das Recht, einen Antrag auf Mitgliedschaft zu stellen. Wichtig dabei: „Europäisch“ wird politisch-kulturell verstanden und schließt die Mitglieder des Europarats mit ein. Das betrifft zum Beispiel die Republik Zypern. Eine wichtige Rolle spielt im Beitrittsverfahren das EU-Parlament in Straßburg (im Bild). Verschiedene Delegationen verfolgen die Fortschritte in den Beitrittsländern und weisen auf mögliche Probleme hin. Zudem müssen die Abgeordneten dem EU-Beitritt eines Landes im Parlament zustimmen. Derzeit gibt es neun Beitrittskandidaten und einen Bewerberstaat. © PantherMedia
Edi Rama Albanian EU
Albanien reichte 2009 den formellen EU-Mitgliedschaftsantrag ein – vier Jahre, bevor Edi Rama (im Bild) das Amt des Ministerpräsidenten übernahm. Es dauerte aber noch eine lange Zeit, bis die Verhandlungen beginnen konnten. Grund war ein Einspruch der Niederlande, die sich zusätzlich zu den EU-Kriterien auch die Sicherstellung der Funktion des Verfassungsgerichts und die Umsetzung eines Mediengesetzes wünschte. Im Juli 2022 konnte die Blockade beendet werden und die EU startete die Beitrittsverhandlungen. © John Thys/afp
Bosnien und Herzegowina EU
Auch Bosnien und Herzegowina drängt in die EU. Gut erkennen konnte man das zum Beispiel am Europatag 2021, als die Vijećnica in der Hauptstadt Sarajevo mit den Farben der Flaggen der Europäischen Union und Bosnien und Herzegowinas beleuchtet war. EU-Botschafter Johann Sattler nutzte sofort die Gelegenheit, um das alte Rathaus zu fotografieren. Vor den geplanten Beitrittsverhandlungen muss das Balkanland noch einige Reformen umsetzen. Dabei geht es unter anderem um Rechtsstaatlichkeit und den Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbrechen.  © Elvis Barukcic/afp
Georgien EU
Zum Kreis der EU-Beitrittskandidaten gehört auch das an Russland grenzende Georgien. Das Land, in dem rund 3,7 Millionen Menschen leben, hatte kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs die Aufnahme in die EU beantragt. Auf schnelle Fortschritte im Beitrittsprozess kann Georgien allerdings nicht hoffen. Dabei spielt auch ein ungelöster Territorialkonflikt mit Russland eine Rolle. Nach einem Krieg 2008 erkannte Moskau die abtrünnigen georgischen Gebiete Südossetien (im Bild) und Abchasien als unabhängige Staaten an und stationierte Tausende Soldaten in der Region. © Dimitry Kostyukov/afp
Moldau EU
Seit Juni 2022 gehört auch Moldau offiziell zu den EU-Beitrittskandidaten. Das Land, das an Rumänien und die Ukraine grenzt, reichte kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs das Beitrittsgesuch ein. Am 21. Mai 2023 demonstrierten 80.000 Menschen in der Hauptstadt Chișinău für einen Beitritt Moldaus in die Europäische Union. Die damalige Innenministerin Ana Revenco (Mitte) mischte sich damals ebenfalls unters Volk. © Elena Covalenco/afp
Montenegro EU
Das am kleine Balkanland Montenegro will beim EU-Beitritt zügig vorankommen. Direkt nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten Ende Oktober 2023 verkündete Milojko Spajic (im Bild), dass er den Beitritt Montenegros zur EU vorantreiben und die Justiz im Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbrechen stärken wolle. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (rechts) hörte es damals sicher gerne. Montenegro verhandelt seit 2012 über einen Beitritt, hatte sich aber vor der Wahl nicht mehr ausgiebig um Reformen bemüht.  © Savo Prelevic/afp
Scholz Westbalkan-Gipfel Nordmazedonien EU
Nordmazedonien kämpft schon seit langer Zeit für den Beitritt in die EU. Leicht ist das nicht. So hat das kleine Land in Südosteuropa aufgrund eines Streits mit Griechenland sogar schon eine Namensänderung hinter sich. Seit 2019 firmiert der Binnenstaat amtlich unter dem Namen Republik Nordmazedonien. Auch Bulgarien blockierte lange den Beginn von Verhandlungen. Bei einem Gipfeltreffen im Oktober 2023 drängte Kanzler Olaf Scholz dann aber auf eine möglichst schnelle Aufnahme der Balkanstaaten in die EU. Nordmazedoniens Ministerpräsident Dimitar Kovacevski (rechts) war sichtlich erfreut. © Michael Kappeler/dpa
Serbien EU
Auch Serbien strebt in die EU. Wann es zu einem Beitritt kommt, scheint derzeit aber völlig offen. Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine hat sich die serbische Regierung geweigert, Sanktionen gegen Russland zu verhängen. Damit ist Serbien der einzige Staat in Europa, der keine Sanktionen verhängt hat. Offen bleibt, welche Auswirkungen das auf die seit 2014 laufenden Verhandlungen über einen EU-Beitritt Serbiens hat. Die politische Führung in Belgrad, die seit 2012 von Präsident Aleksandar Vučić (im Bild) dominiert wird, zeigt zudem wenig Willen zu Reformen. Demokratie und Medienpluralismus höhlt sie zunehmend aus. © Andrej Isakovic/afp
Türkei EU
Die Türkei ist bereits seit 1999 Beitrittskandidat. Die Verhandlungen selbst haben im Oktober 2005 begonnen. Inzwischen hat die EU-Kommission vorgeschlagen, die Beziehungen wieder auszubauen, sofern sich die Regierung in Ankara unter Präsident Recep Tayyip Erdoğan (im Bild) in einigen Punkten bewegt. Zuvor waren Projekte wie die geplante Modernisierung der Zollunion und eine Visaliberalisierung wegen Rückschritten bei Rechtsstaatlichkeit, Grundrechten und Meinungsfreiheit in der Türkei auf Eis gelegt worden. Ein EU-Beitritt scheint aktuell weiter entfernt denn je. © Adem Altan/afp
Ukraine EU
Im Dezember 2023 wurde der Beginn von Verhandlungen mit der Ukraine grundsätzlich beschlossen. Allerdings muss die Ukraine sämtliche Reformauflagen erfüllen. So waren nach dem letzten Kommissionsbericht manche Reformen zur Korruptionsbekämpfung, zum Minderheitenschutz und zum Einfluss von Oligarchen im Land nicht vollständig umgesetzt. Ohnehin gilt es als ausgeschlossen, dass die Ukraine vor dem Ende des Ukraine-Kriegs EU-Mitglied wird. Denn dann könnte Kiew laut EU-Vertrag militärischen Beistand einfordern – und die EU wäre offiziell Kriegspartei. © Roman Pilipey/afp
Kosovo EU
Kosovo hat einen Mitgliedsantrag eingereicht, jedoch noch nicht den offiziellen Status eines Beitrittskandidaten erhalten. Das Land hat 2008 seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt. Die Freude darüber war damals bei den Menschen riesengroß. Das Bild macht auch deutlich, dass vor allem Menschen albanischer Herkunft im Kosovo beheimatet sind. Die Flagge Albaniens (links) ist ebenso zu sehen wie die des neuen Landes (hinten). Mehr als 100 Länder, darunter auch Deutschland, erkennen den neuen Staat an. Russland, China, Serbien und einige EU-Staaten tun dies aber nicht. Ohne die Anerkennung durch alle EU-Länder ist eine Aufnahme von Beitrittsverhandlungen aber nicht möglich.  © Dimitar Dilkoff/afp
Banksy-Kunstwerk zu EU und Brexit
Seit dem 31. Januar 2020 besteht die EU nur noch aus 27 Staaten. Nach 47 Jahren verließ das Vereinigte Königreich als erstes Mitgliedsland die Europäische Union. Im Juni 2016 hatte eine knappe Mehrheit in einem Referendum für den Abschied aus der EU gestimmt. Der britische Street-Art-Künstler Banksy kommentierte den Brexit auf seine Art. In der Hafenstadt Dover malte er eine riesige EU-Flagge an eine Hauswand – zusammen mit einem Handwerker, der einen der Sterne entfernt. © Glyn Kirk/afp
Friedensnobelpreis für EU.
2012 wurde die Europäische Union mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Herman Van Rompuy, José Manuel Barroso und Martin Schulz (von links nach rechts) nahmen den Preis bei der Verleihung im Osloer Rathaus am 10. Dezember 2012 in Empfang. © Cornelius Poppe/afp
Ein solcher Punkt ist die sogenannte Drittstaatenlösung, die vorsieht, dass Asylbewerber sofort in Drittstaaten überführt werden. Kirchenvertreter nennen das unchristlich und fragen, wofür das C in CDU eigentlich steht. Was entgegnen Sie? 
Ich entgegne, dass der jetzige Zustand an den EU-Außengrenzen, allen voran auf dem Mittelmeer, weder rechtlich noch politisch noch moralisch verantwortbar ist. Im letzten Jahr sind 3100 Menschen auf dem Weg nach Europa auf dem Mittelmeer ertrunken. Ich will und werde mich damit nicht abfinden. Jeder, der das auch so sieht, muss eine Antwort darauf geben, wie es besser werden kann. Deswegen erwarte ich auch als katholischer Christ von meiner Kirche mit ihrem Auftrag und ihrem Know-how mehr, als nur die Situation zu beklagen. Wir brauchen ethisch verantwortbare Lösungen. Die können aber nicht darin bestehen, zu sagen, es soll jeder kommen. 
Sondern? 
Die CDU will die Migration steuern, ordnen – und das heißt auch, illegale Migration zu stoppen. Das steht sowohl im Europawahlprogramm als auch im Grundsatzprogramm. Das Konzept der sicheren Drittstaaten ist ein ernsthafter Lösungsansatz. Jeder, der das verweigert, muss zur Kenntnis nehmen, dass die Offenheit gegenüber Migranten in unserem Land zunehmend schwindet. Das hat auch damit zu tun, dass diese Frage uns seit über zehn Jahren beschäftigt, ohne gelöst worden zu sein. Wir müssen jetzt endlich weiterkommen. Ich war kürzlich auf Zypern, im dortigen Erstaufnahmelager Pournara. Dort sind Tausende Menschen untergebracht und jeden Tag kommen bis zu 500 neue Flüchtlinge auf diesem kleinen Inselstaat an. Wenn Sie sehen, wie die Menschen auf dem Bordstein sitzen, mit ihren drei Papieren in der Hand, die ihnen das Leben bedeuten, und hilflose Helfer irgendwie Struktur ins Chaos zu bringen versuchen, dann können Sie nur zu einem Schluss kommen: Das kann so nicht weitergehen.
Sie glauben also, dass weniger Menschen fliehen, wenn Deutschland eine Drittstaatenlösung hat? 
Ich bin ein Gegner von Pushbacks. Also davon, Menschen auf der Flucht durch Härte zu verprellen oder gar ihrem Schicksal zu überlassen. Der Status quo ist aber, dass Schleuser und Schlepper darüber entscheiden, wer den Sprung nach Europa schafft und wer nicht. Das ist ein Armutszeugnis für Europa. Ich empfinde das wirklich als beschämend. Viele Flüchtlinge setzen darauf, einmal nach Europa zu kommen, die Lücke zu finden und nicht zuletzt wegen endloser Verfahren am Ende irgendwie bleiben zu können. Daran hängen ganze Lebensplanungen. Ich aber will, dass Asylbewerbern klar ist: Wenn sie sich in das geordnete Verfahren begeben, haben sie eine realistische Chance, dauerhaft mit einem belastbaren Status zu kommen, eine Familie zu gründen, arbeiten zu gehen, ein Leben aufzubauen. 
Und das kann nur mithilfe eines Drittstaates gehen? 
Mit einem sicheren Drittstaat, wohlgemerkt. Der muss natürlich Kriterien erfüllen. Und ja, das ist anstrengend in der Erarbeitung, aber es ist ein ernsthafter Lösungsansatz, der alle Faktoren berücksichtigt – und das erkenne ich bisher weder bei der Bundesregierung noch bei anderen Parteien. Dort beschränkt man sich darauf, insgeheim darauf zu hoffen, dass der Winter besonders hart wird, die Geflüchtetenzahlen heruntergehen und die Deutschen nicht die Nerven verlieren. Das ist aber für mich kein politisches Konzept. 
Laut einer Bertelsmann-Studie steigt die Zahl von Desinformationskampagnen vor allem in den sozialen Medien gerade stark an. Wie kann man gegensteuern?
Der Desinformationskrieg ist längst in vollem Gange. Vor allem Russland ist ein Aggressor. Im ersten Schritt müssen wir sensible Kommunikation technisch absichern. Der zweite Schritt ist, dass wir als Gesellschaft den Kampf aufnehmen und Informationen als hohes Gut erkennen. Die Politik muss für Qualitätsmedien Rahmenbedingungen schaffen, die es ihnen erlauben, in diesem Land erfolgreich, auch wirtschaftlich, Medienprodukte anzubieten. 
„Der Desinformationskrieg ist längst im vollen Gange“, sagt NRW-Medienminister Nathanael Liminski und fordert eine bessere Förderung von Journalismus.
Das fällt ja in Ihr Ressort als Medienminister. 
Und deshalb arbeite ich jeden Tag daran. Das heißt natürlich auch, manchmal schwierige Entscheidung zu treffen. Begrenzung des Öffentlich-Rechtlichen, um den Privaten Raum zu lassen zum Beispiel. Oder der Einsatz für die Zustellförderung für Printmedien.
Eine Studie aus den USA zeigt einen Zusammenhang zwischen dem Sterben von Lokalredaktionen und dem Aufkeimen von Extremismus. Reicht da wirklich eine Zustellförderung für Zeitungen als Maßnahme?
Ich bin auch für andere Konzepte offen, aber es wäre ein konkreter Schritt, wenn auch nur ein Baustein. In den USA sehen wir schon jetzt: In den Städten, wo Tageszeitungen eingestellt worden sind, gehen Leute weniger zu Wahlen, glauben Verschwörungstheorien. Daran erkennt man den konkreten Mehrwert von Qualitätsjournalismus für die Demokratie. Und deswegen kämpfe ich dafür, auch wenn viele den Kampf für verloren halten. Die Bundesregierung hat einfach aufgehört, darüber zu reden. Christian Lindner hat zwar vor ein paar Tagen noch gesagt, er sei weiterhin bereit zu einer Zustellförderung. Aber die Möhre hält er gemeinsam mit dem Bundeskanzler der Branche jetzt schon seit bald drei Jahren vors Gesicht, ohne zu liefern. Dabei reden wir über eine zeitlich befristete Förderung im dreistelligen Millionenbereich, der ist für einen Bundeshaushalt von 475 Milliarden Euro nun wahrlich kein Ding der Unmöglichkeit – wenn es doch um so viel geht.
Der Rundfunkbeitrag soll 2025 erhöht werden. Einige Bundesländer haben sich schon jetzt dagegen ausgesprochen. Wie bewerten Sie das? 
Es gibt ein klares Verfahren. Erst kommt die Anmeldung durch die Sender, dann die Überprüfung durch die Rundfunkkommission KEF und dann gibt es die Festlegung durch die Länder. Wir sind jetzt an Schritt drei angekommen. Ich finde, Vertrauen in Demokratie beginnt auch damit, dass solche Verfahren eingehalten werden und man sie nicht übergeht, wenn es einem politisch gerade nicht opportun ist. Ich sehe, dass es häufig bejubelt wird, wenn man sich an prominenter Stelle gegen höhere Rundfunkgebühren ausspricht. Aber mir ist wichtig, dass wir uns auch bei diesem Thema an Recht und Gesetz halten. Und trotzdem unserer Aufgabe nachkommen, auch über den Preis die Akzeptanz zu erhalten für ein pflichtfinanziertes Rundfunkangebot.
Manche Zuschauer zweifeln sozusagen am Preisleistungsverhältnis, etwa wenn es um Mehrfachproduktionen geht. Können Sie das verstehen?
Es gibt im öffentlich-rechtlichen Rundfunk definitiv Optimierungspotenziale. Es muss Schluss sein mit den verschiedenen Königreichen, in denen jeder Sender alles anbieten und können will. Es kann mir niemand erzählen, dass zum Beispiel die Verbrauchersendungen so regionaltypisch sind, dass die Sender sie nicht gemeinsam einmal für alle produzieren könnten. Andere Programmteile sind regional spezifisch, und das soll auch so bleiben. Aber die Sender müssen sich daran gewöhnen, dass in Zeiten knapper werdender Mittel Ü-Wagen, Studios und andere Produktionskapazitäten geteilt werden müssen. Da sehe ich durchaus auch eine Bereitschaft. 
Als wir vor einem halben Jahr miteinander sprachen, haben Sie TikTok die „größte Dreckschleuder“ genannt. Studien zeigen, dass Extremisten dort besonders viel Reichweite haben. Warum kann man die Plattform nicht einfach verbieten, wie es die USA jetzt tun wollen?
Die Server stehen in den USA. Insofern ist es gut, dass die USA jetzt handeln. Aber wir dürfen auch nicht außer Acht lassen, dass die Medienfreiheit ein sehr hohes Gut ist. Medienverbote können immer nur das letzte Mittel sein. Vieles auf TikTok ist grenzwertig. Aber ob das insgesamt ein Verbot rechtfertigt, da muss man sehr genau hinsehen. Die EU-Kommission knöpft sich TikTok und Meta, also die Mutter von Instagram und Facebook, bereits auf Basis der europäischen Gesetze vor. Bei uns in Deutschland greifen die Landesmedienanstalten bei illegalen Posts ein, auch mithilfe von Künstlicher Intelligenz. Und ich spreche natürlich mit den Leuten von TikTok. 
Was sagen Sie denen?
Gespräche führt man nicht über die Zeitung. Aber mir ist wichtig klarzumachen, dass eine Verantwortung damit verbunden ist, wenn man sich hier einen Markt erschließen will. Und wenn diese Verantwortung nicht wahrgenommen wird, muss man es aushalten, dass ich das immer wieder öffentlich kritisiere. Ich nehme einfach wahr, wie viel Schmutz und Scheiß über diese Plattform in Herz und Hirn unserer Kinder geraten. Das Beste wäre echte Selbstverantwortung und Selbstregulierung, auch im Sinne unseres Medienrechts. Darauf hat sich TikTok bisher nicht eingelassen. Dabei stelle ich fest, dass Extremisten immer perfider vorgehen, um Hass und Hetze dort zu verbreiten.
Was haben Sie beobachtet?
Häufig präsentieren Rechtsextreme und radikale Islamisten ihre Propaganda mit einem fast schon diabolischen Humor. Dadurch wird das Ganze banalisiert und bagatellisiert. Und mit einem gewissen zynischen Humor, den man gerade als Pubertierender nun mal so hat, ist das dann besonders kompatibel. Da heißt es dann: ‘Ah, das kommt zwar von diesem schlimmen Hetzer-Heini – aber witzig ist es schon und man muss ja nicht alles so bierernst nehmen.’ Und dann wird es geteilt. Und irgendwann verfängt dann vielleicht auch mal was, schon allein wegen der schieren Menge. 
Wie kann man gegenwirken?
Als allererstes sind die Eltern gefragt. Das ist nicht der Staat alleine, und auch nicht TikTok alleine. Aber es ist nicht einfach, weil Kinder und Jugendliche so viel Zeit mit dem Smartphone verbringen und die Videos überall rund um die Uhr abrufbar sind. Wir müssen diese Herausforderung als Gesellschaft annehmen und ernst nehmen. Da liegt viel Arbeit vor uns.
Wenn Sie Besucher aus dem Ausland haben: Welche drei Orte in NRW zeigen Sie ihnen?
Ganz sicher Bonn. Das ist erstens meine Heimat und zweitens ein besonderer Ort für bundesrepublikanische Geschichte. Dann würde ich sicherstellen, dass sie einerseits das urbane Nordrhein-Westfalen sehen, Köln, Düsseldorf oder das Ruhrgebiet. Aber auch das ländlich geprägte, also Südwestfalen oder Ostwestfalen. Es reicht nicht, den Dom, den Fernsehturm und die Zeche Zollverein zu zeigen. Man muss auch unsere kleineren und mittleren Städte sehen. Unsere ländlich geprägten Räume sind ja anders als in anderen Teilen Deutschlands wirtschaftlich nicht abgehängt oder politisch auf schwierigen Pfaden unterwegs. Sie sind bei uns das Powerhouse, mit viel Mittelstand und einem starken Ehrenamt.

Rubriklistenbild: © Peter Sieben/Ippen.Media

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