Das große Starbulls-Exklusivinterview, Teil 2
„Wir sind an unsere Grenzen gegangen“ – Das sagt der Starbulls-Vorstand über den DEL2-Aufstieg
In der kommenden Woche starten die Starbulls Rosenheim als Aufsteiger in die DEL2. Die Vorstände Christian Hötzendorfer und Marcus Thaller verraten, wann sie für den Verein an die Grenze gegangen sind und was sie von allen Mitarbeitern erwarten.
Rosenheim – Die Starbulls Rosenheim sind nach sechs langen Jahren in der Oberliga endlich wieder zurück in der DEL2. In Teil 1 des großen Interviews der OVB-Sportredaktion mit den beiden Vorständen Marcus Thaller und Christian Hötzendorfer ging es um das Saisonziel, um Sponsoren, die Zusammenstellung der Mannschaft und den Dauerkartenverkauf. Das Thema Sponsoring wurde auch im zweiten Teil des Interviews noch einmal angeschnitten. Dazu äußern sich beide Vorstände, wie sie den Aufstieg erlebt haben, erinnern sich an das Basispapier 2016 und die Umsetzung und sagen: “Wir sind in der letzten Saison an unserer Grenzen gegangen.”
Die Attraktivität des Stadions und die gesamte Präsentation des Eishockeys hat sich enorm verbessert. Nur so konnte man die Sponsorenzahl erhöhen. Wie viel Prozent machen die Sponsorengelder mittlerweile vom Etat aus?
Marcus Thaller: Wir haben mittlerweile gut 120 Partner-Unternehmen. Die ganzen Umbaumaßnahmen waren dabei extrem wichtig und das kommt jetzt zurück. Da waren natürlich die multimedialen Werbemöglichkeiten mit der LED-Bande ein entscheidender Part. Da ist natürlich ein riesiges Interesse vorhanden. Als wir angefangen haben, betrug das Sponsoring 35 bis 40 Prozent vom Gesamtetat. Und jetzt sind wir bei 70 Prozent. Das ist für uns einfach enorm wichtig, denn mit dem Geld können wir planen.
Das heißt auch weniger Risiko, falls es sportlich nicht so gut läuft und die Besucherzahlen zurückgehen.
„Wir wollen stabil, sauber und nachhaltig wirtschaften“
Christian Hötzendorfer: Genauso ist es. Wir haben uns immer auf die Fahnen geschrieben, dass wir stabil, sauber und nachhaltig wirtschaften wollen. Das ist für uns das Grundcredo, denn wenn wir unsere Rechnungen zahlen können, können wir unseren Nachwuchs erhalten. Das ist das Wertigste, was du als Verein hast. Das ist für uns sehr wichtig. Von daher sind wir sehr zufrieden mit der Entwicklung. Das gilt nicht nur im Sponsorenbereich, sondern auch in der Gastronomie.
Das alles ist auch im Basispapier gestanden. Im Jahr des Abstiegs gab es deshalb ein großes Kopfschütteln.
Thaller: Viele Sponsoren waren durchaus skeptisch. Die gaben uns zwar eine Zusage, forderten aber auch Beweise. Genau das ist die Herausforderung. Das ist eigentlich unsere Grundidee, wo wir sagen: Wir freuen uns, wenn wir getestet und geprüft werden. Das sind letztendlich auch die Situationen, in die wir uns begeben wollen. Geprüft zu werden heißt nach vorne arbeiten. Wir wollen nie auf der Stelle stehen bleiben.
Hötzendorfer: Die Sponsorenbasis, die wir in Rosenheim haben, ist über viele Jahre gewachsen, unglaublich verlässlich und einfach absolut allererste Sahne. Also das ist sensationell. Und wenn mal einer absagt oder abspringt, dann ist das nicht so schlimm. Wenn der größte Sponsor wegbricht, tut es natürlich auch uns weh. Gar keine Frage. Aber wir sind schon sehr breit aufgestellt und das ist uns auch wichtig. Seit dem Abstieg haben wir einmal oder vielleicht zweimal ein leicht negatives Ergebnis gehabt. Allerdings haben wir sogar die Überschuldung, die durch den Abstieg entstanden ist, komplett abgebaut und zusätzlich echtes Anlagevermögen geschaffen. Das ist ja auch nicht selbstverständlich.
„Vielleicht dürfen wir wieder mal ein Jahr lang kein Eishockey spielen“
Zum Beispiel?
Hötzendorfer: Viele Vereine arbeiten jahrzehntelang immer auf ausgeglichene Haushalte hin. Geld einnehmen, Geld ausgeben. Wir haben gesagt, für uns sind immer zwei Themen wichtig: Steine und Beine. Also Steine im Sinne vom Stadion oder vielleicht eine Spielerwohnung kaufen, die dem Verein gehört. Damit man was hat, wo man runterbeißen kann, wenn es nicht so läuft. Wer weiß, was alles kommt. Corona hat auch keiner vorausgesehen. Vielleicht dürfen wir wieder mal ein Jahr lang kein Eishockey spielen - aus welchem Grund auch immer. Zum Beispiel weil die Energie nicht da ist. Du weißt das ja alles nicht. Und da ist es natürlich schon wichtig, dass man als Verein zu einem Teil unabhängig vom Eissport-Produkt ist.
Sie haben gerade ein mögliches kleines Minus seit dem Abstieg angesprochen. In der Aufstiegssaison soll es ein größeres Minus gegeben haben.
Hötzendorfer: Nein, das stimmt nicht. Wir haben gelernt, dass man in den Playoffs in der Regel nicht mehr viel Geld verdient. Wir haben in der abgelaufenen Saison brutal investiert. Also für den sportlichen Erfolg, dass um die Mannschaft herum alles passt. Das, was wir da in den Playoffs betrieben haben, haben wir auch ansatzweise noch nie gemacht. Wir sind zum Beispiel zu jeder Auswärtsfahrt einen Tag vorher mit Übernachtung angereist. Das war natürlich ein Kostenapparat, der da entstanden ist.
Thaller: Da haben wir schon das volle Stadion gebraucht, damit es passt. Wir haben da schon alle Posten mitgenommen, wo man Geld ausgeben konnte. Wir sind da für uns, für den Verein und von der Wirtschaftlichkeit her an die Grenzen gegangen. Von der Kaderzusammenstellung, von den Ausgaben während der Playoffs, von den Nachverpflichtungen und vom ganzen Drumherum.
Hötzendorfer: Das war an der Grenze. Und deswegen ist das ein Grund mehr, warum wir sagen: Mein Gott, wir sind froh aus dieser Oberliga raus zu sein. Fakt ist: Dieses Rennen zwischen Hannover und Weiden, was auch dieses Jahr noch verschärfter stattfindet, hätten wir nicht mehr mitgehen können.
Heißt so viel, dass die Oberliga mehr Geld kostet als die DEL2?
Thaller: Man braucht definitiv mehr Geld, um aus der Oberliga rauszukommen, als sich in der zweiten Liga zu halten. Sofern sportlich alles normal läuft. Deswegen gibt man das Geld für die Aufstiegsprämien gerne aus, weil das in der Folgesaison potenziell Geld spart, beziehungsweise nicht noch mehr Geld kosten wird, wenn man das Ziel weiter verfolgt.
Hötzendorfer: Aufsteigen ist eklatant teurer. Die letzten fünf Vereine aus der DEL2 geben mindestens ein Drittel weniger aus als die ersten drei, vier Mannschaften in der Oberliga. Und da reden wir dann schnell von 600000 bis 800000 Euro.
Mit den genannten Vereinen braucht man sich nächste Saison nicht mehr auseinandersetzen. Wie war denn das Gefühl, als die Serie gegen Hannover gewonnen war und der Aufstieg nach dem Finale gegen Weiden feststand?
Thaller: Ich für meine Verhältnisse war in den Playoffs sehr entspannt. Aber wenn es dann wirklich passiert, wenn es dann so weit ist, nimmst du den Moment wahr, aber du bist in der Situation trotzdem irgendwie nur der Beifahrer. Ich habe jede Sekunde aufgesaugt und habe das entscheidende Tor noch genau vor Augen. Und dann hat man diese Freude im ganzen Stadion, bei den Fans, bei allen Mitarbeitern, die alle in den Playoffs an ihre Grenzen gegangen sind. Und wenn man dann diese ehrliche Freude mitkriegst, dann weiß man, wofür man die ganze Arbeit macht.
Hötzendorfer: Um das Gefühl von diesem Moment zu beschreiben, muss man wirklich drei Schritte weiter vorne anfangen. Da stellt sich die Frage: Wo sind wir hergekommen? Wir sind 2022 im April ausgeschieden. Dann war klar, dass es mit John Sicinski nicht weiterging. Wir haben ein fast schon freundschaftliches Gespräch gehabt, bei dem wir die gemeinsame Zusammenarbeit beendet hatten. Dass John uns danach während der Saison im Nachwuchsbereich ausgeholfen hat, rechne ich ihm hoch an. Davor habe ich ganz großen Respekt und das werde ich auch nicht vergessen. Das hat er in einer Ausnahmesituation für den Verein gemacht.
Die Ausnahmesituation entstand durch den Tod von Nachwuchstrainer Oliver Häusler.
Hötzendorfer: Genau. Du stellst die Mannschaft zusammen und am 30. Juni hast du den verstorbenen Chef-Nachwuchstrainer. Du kannst gar nicht fassen, was da passiert ist. Du brauchst psychologische Betreuung für die Mannschaften und du brauchst ja auch einen Ersatz. Derek Mayer ist ja nach Augsburg gegangen. Von jetzt auf gleich gehen dir zwei Nachwuchstrainer ab, die du irgendwie adäquat ersetzen musst. In Rosenheim kann nicht irgendjemand trainieren. Du musst schauen, dass du die Burschen auf ihrem Weg richtig begleitest. Und dann kam im Februar das Unglück mit Mike Glemser dazu. Der nächste Tiefschlag für den gesamten Verein.
Das Verletzungspech blieb den Starbulls in der gesamten Saison treu.
Hötzendorfer: Wir hatten ständig 20 Prozent Ausfälle. Nach Grafing sind wir mit 13 Leuten gefahren. Jari Pasanen hat mich vor diesem Spiel gefragt: Christian, was machen wir? Wollen wir das Spiel gewinnen oder wollen wir einfach alle wieder gesund heimbringen? Ich habe gesagt, Jari, bringen wir einfach alle wieder nach Hause, weil wir uns nicht noch mehr Ausfälle leisten können.
Die Nachverpflichtungen waren Glücksgriffe
Trotzdem hattet ihr auch ein glückliches Händchen mit den Nachverpflichtungen.
Thaller: Richtig. Norman Hauner und Marius Möchel, später noch Tomas Pöpperle und ganz spät Brad McGowan. Das waren natürlich dann auch Glücksgriffe, keine Frage.
Hötzendorfer: Aber auch das sind ja Themen, die nicht einfach zu handeln sind. Gerade bei den Torhütern. Wir hatten mit Andi Mechel und Christopher Kolarz zwei sehr gute Keeper, aber die sportliche Planung vor der Saison war klar: Wir planen nicht für das Spiel am 30. Oktober in Klostersee, sondern wir planen für den April. Für das Halbfinale und Finale. Und da stellte sich die Frage: Gehe ich mit zwei Torhütern in die Playoffs? Wenn wir aufsteigen wollen, brauchen wir eine dritten starken Keeper. Das war uns allen klar. Damit wir auf dieser Position wirklich auf der sicheren Seite sind.
Thaller: Und obwohl wir einen dritten Torhüter geholt haben, sind wir dann nach Tilburg mit Patrik Mühlberger gefahren. Wir haben auf unserem Weg praktisch nichts ausgelassen. Diese unfassbare Playoff-Serie mit diesem total völlig geisteskranken Hannover-Spiel. Aber wir hatten immer das Gefühl, dass wir besser sind. Wir waren gegen Tilburg besser, wir waren gegen Hannover besser, wir waren auch gegen Weiden besser.
Hötzendorfer: Bei uns hat es kein Links und kein Rechts gegeben. Das alles musst du erzählen, wenn du diesen einen Moment am 28. April um 22.52 Uhr nimmst und dann die Leute siehst, die beteiligt sind. Das alles läuft dann in diesem Moment in einem Film ab. Und trotzdem sind wir aufgestiegen, auch deshalb, weil wir eine tolle Gruppe waren. Nicht nur die Trainer und die Spieler.
Aber die Kombination Trainer/Spieler war auch stark.
Hötzendorfer: Klar, zum Schluss müssen es die Jungs machen, die spielen. Aber wenn du zeigst, dass zwischen den Staff, die Coaches, die Vereinsführung bis hin zur Putzfrau kein Blatt Papier passt, dann strahlt das auf den Spieler aus. Davon sind wir überzeugt.
Habt ihr von der Vorstandschaft eigentlich einmal eingreifen müssen?
Hötzendorfer: Nein. Ich glaube, dass es keinen Vorstand und keinen Geschäftsführer dieser Welt gibt, der jemals mit einer Brand- oder Wutrede in einer Kabine nachhaltig etwas verändert hat. Wirklich verändern kannst du nur dann was, wenn du viel Kontakt zu den Spielern hast. Dann kannst du Fragen stellen und den Spielern sagen: Wir machen unseren Part und versuchen, das professionell zu machen. Auto, Wohnung, wenn irgendetwas nicht passt, ist es am nächsten Tag repariert. Wir erwarten von dir das Gleiche.
Thaller: Natürlich gab es zum Start ins neue Jahr ein gemeinsames Gespräch mit allen Beteiligten, um einfach ein paar Dinge gerade zu rücken und auch die Ziele nachzuschärfen. Wir vom Vorstand sagen unsere Meinung, wenn wir gefragt werden.
Dann sagen Sie und mal Ihre Meinung, was jetzt in der DEL2 passiert.
Hötzendorfer: Wir haben es schon ein paar Mal gesagt: Nicht nur die Spieler müssen sich beweisen, sondern der ganze Standort muss sich beweisen. Jeder muss seinen Job zu 100 Prozent sauber erledigen: Vorstand, Geschäftsführung, Trainer, Spieler, der Betreuer, der Physio, die Putzfrau, im Vermarktungsbereich, völlig egal. Wir alle, alle 65 Menschen, die mittlerweile beim Starbulls Rosenheim e.V. einen Arbeitsvertrag haben, müssen sich für die zweite Liga und in diesem Umfeld beweisen.
Wie lauten die Erwartungen an die Saison. Was muss passen und was darf nicht passieren, damit die Saison ein Erfolg wird?
Thaller: Es ist ein großes Zahnrad und da muss alles ineinander passen. Und natürlich ist ein gewisser sportlicher Erfolg wichtig , wobei ich nicht einmal von Erfolg reden muss, sondern vor allem wie die Mannschaft auftritt. Wir können verlieren, überhaupt kein Thema. Wenn wir sehen, dass die Mannschaft alles gibt und eine Mannschaft besser ist, und das wird uns heuer passieren, dann ist es in Ordnung, wenn man verliert.
Hötzendorfer: Es kommt darauf an, wie die Truppe auftritt. Das muss passen und das merkt das Publikum. Das ist ein Thema, das sich gegenseitig befruchtet. Wenn die Mannschaft Leistung bringt, Willen zeigt, dann merken das die Zuschauer. Und die Zuschauer geben das auch wieder zurück. Wir haben nicht umsonst diese Euphorie in der letzten Saison gehabt.
Worauf ist denn die Vorfreude am größten?
Hötzendorfer: Auf unsere jungen Burschen. Zu sehen wie die Jungen, die wir geholt haben, aber auch wie unsere eigenen jungen Spieler sich präsentieren. Wir haben jetzt heuer einen ganz großen Vorteil im Unterschied zu den ganzen vergangenen Spielzeiten. Wir müssen heuer nicht mehr für das 4. Spiel gegen Hannover im Halbfinale oder im Finale planen, sondern wir können, in Anführungsstrichen, eine ganz normale sportliche Saison planen. Das heißt, wir können auch den einen oder anderen jungen Spieler, wenn er fit und vom Spielverständnis weit genug ist, auch wirklich einmal einsetzen.
Definitiv ein wichtiger Punkt, aber was ist noch wirklich wichtig?
Thaller: Dass der Standort nachhaltig funktioniert. Nachhaltig funktionieren heißt, du musst deine Bilanz im Griff haben und du musst mit der gesamten Organisation in der zweiten Liga ankommen. Das ist entscheidend für uns. Wir müssen verstehen, wie das Eishockey in der zweiten Liga tickt. Und wenn wir das herausgefunden haben, das wird ein, zwei Saisonen dauern, dann können wir uns auch ein Bild davon machen, welchen Aufwand es bräuchte für ein Ereignis X zu planen.
Das Ereignis X heißt Aufstieg in die DEL. Das war ja auch Thema des Basispapiers 2016.
Hötzendorfer: Unsere Intention mit der Hinterlegung der Bürgschaft für die DEL war damals: Wenn es den anderen Klubs oder dem Eishockey in Deutschland gut geht, dann geht es uns auch besser. Und genau das war der Gedanke dahinter. Wir wollten diese Wiedereinführung des Auf- und Abstiegs im deutschen Eishockey möglich machen. Wir haben die Möglichkeit dazu gehabt und deshalb haben wir das unterstützt. Auf- und Abstieg gehört im deutschen Sport einfach dazu. Wir konnten mit der Bürgschaft unseren Teil dazu beitragen.
Das war ja nur ein Punkt des Basispapiers. Wir haben uns dieses Basispapier vor kurzem noch einmal durchgelesen. Und man hat tatsächlich viele Haken hinter die einzelnen Punkte setzen können. Gratulation dafür.
Thaller: Also alle wichtigen Punkte sind, zwar mit ein bisschen Zeitverzögerung durch Corona, umgesetzt worden. Dieses Basispapier, das wir damals geschrieben haben, war letzten Endes Ausgangspunkt für den Wiederaufstieg, weil wir uns eine klare rote Linie und ein Ziel gesetzt haben.
Hötzendorfer: Du brauchst ein Ziel für die Fans, du brauchst ein Ziel für Sponsoren und du musst einen Weg aufzeigen. Das haben wir gemacht und jetzt sind wir endlich in der DEL2 zurück.




