Einzigartig in unserer Region
„Spielerpass in die Windel?“ – Wie in einer Gemeinde zwei Vereine je drei Fußball-Teams stellen
Eine Gemeinde, zwei Vereine, jeweils drei Herrenmannschaften! Das gibt’s in unserem heimischen Fußball-Kreis Inn/Salzach nur in der Gemeinde Teisendorf bei der DJK Weildorf und dem SV Oberteisendorf. Doch wie ist das überhaupt möglich? beinschuss.de ist der Sache auf den Grund gegangen.
Gemeinde Teisendorf (Landkreis Berchtesgadener Land) – SV Oberteisendorf gegen DJK Weildorf – eigentlich kein außergewöhnliches Fußball-Lokalderby im Gemeindegebiet Teisendorf. Doch nicht die ersten Mannschaften der beiden Dorfvereine standen sich am Samstagmittag (9. November) gegenüber, sondern die beiden dritten (!) Mannschaften. Zwei Vereine aus einer Gemeinde mit jeweils drei Herrenteams im aktiven Spielbetrieb! Das ist einzigartig im heimischen Fußballkreis Inn-Salzach. beinschuss.de hat die beiden Abteilungsleiter ans Mikrofon gebeten und nachgefragt, wie man trotz nur „einer Kirche und drei Häusl“ so viele Aktive für den Fußball begeistert.
„Natürlich funktionieren drei Herrenmannschaften, rein aus Weildorf, nicht“, betont DJK Fußball-Chef Mathias Berschl im Hinblick auf die Zahl von etwa 240 Einwohnern des Gemeindeteils am östlichen Ende der Marktgemeinde Teisendorf. Satte 1048 Mitglieder waren Anfang 2024 unter dem DJK-Dach versammelt. „Der Zusammenhalt ist einfach überragend. Jeder hilft jedem“, hebt Berschl die Weildorfer Dorfgemeinschaft mit Trachtenverein, Musikkapelle, Pfarrei, Feuerwehr, Sportverein und weiteren Gruppen hervor.
Teisendorf: Wie in einer Gemeinde zwei Vereine drei Fußball-Teams stellen
Die Recherche von beinschuss.de ergab, dass die DJK in ihrem Einzugsgebiet, also in den benachbarten Dörfern, Weilern und angrenzenden Gemeindegebieten auf etwa 1000 Einwohner zählen kann. Zusätzlich zu den drei Herren-Teams schickt Berschl mit seinem Stellvertreter Lorenz Reiter acht Jugendmannschaften (zwei weibliche, sechs männliche) auf die Fußballfelder in der Region. „Ganz brutal ist es in unserer G-Jugend, da tummeln sich teilweise 30 Kinder gleichzeitig im Training“, freut sich der 34-Jährige. Eine Damen-Spielgemeinschaft mit dem TSV Petting und dem SV Oberteisendorf rundet das Weildorfer Fußballangebot ab.
Apropos Frauenfußball, da kam es zuletzt in unserer Region zu einem regelrechten Eklat. Und apropos Oberteisendorf. Dort sind die Fußball-Strukturen, insbesondere im Jugendbereich, nicht ganz so breit. Schließlich ist man zwischen D- und A-Jugend mit dem TSV Teisendorf und dem SV Neukirchen in der Jugendfördergemeinschaft (JFG) Teisenberg engagiert. Und trotzdem sind auch beim SVO mittlerweile etwa siebzig fußballverrückte Kicker aktiv, weshalb man erstmals in der Saison 2021/22 eine dritte Mannschaft für den Spielbetrieb meldete.
Analog zu seinem Weildorfer Pendant legt Oberteisendorfs Abteilungsleiter Michael Schallinger Wert auf die Tatsache, dass, „alle Spieler das gleiche Training bekommen und keine Trennung zwischen den Teams stattfindet“. Bei allem sportlichen und gesellschaftlichen Erfolg weiß der Spartenchef aber auch, „dass wir nicht immer drei Mannschaften haben oder dauerhaft in der Kreisliga spielen werden“ und zielt dabei auf eine Art Momentaufnahme ab. „In Weildorf oder bei uns spielen keine drei Herrenmannschaften, weil’s Geld gibt oder weil wir uns über die Spielklasse definieren oder weil Spieler für den Erfolg von außen geholt werden, sondern weil das Einzugsgebiet so ist, wie es ist. Und weil die Typen so sind, wie sie sind. Die wollen einfach Spaß haben“, fasst Schallinger den kleinen Hype zusammen.
Oberteisendorf und Weildorf sorgen für Regionalkuriosität
Das unterschreibt Mathias Berschl vollumfänglich. „Es steht nicht ein Spieler über allem, jeder steht unter dem Verein“, und stellt stolz heraus, dass, „bei uns halt auch der Kapitän von der Ersten mit dem Auswechselspieler von der Dritten spricht“. Einig sind sich beide auch bei der Tatsache, dass eine anständige Jugendarbeit das A und O für den Erwachsenenbereich sei.
„Natürlich gibt es Jahrgänge, die entweder geburtenschwacher sind oder bei denen der Fußball nicht im Vordergrund steht. Aber wenn Du nur alle zehn Jahre einen oder zwei Jugendspieler rausbringst, ist das zu wenig“, sagt Schallinger leicht provokant mit Augenzwinkern und verdeutlicht, dass in mindestens jedem zweiten Jahrgang Nachwuchs aufrücken müsse.
SV Oberteisendorf III gegen DJK Weildorf III




Wie bewältigt man den Aufwand, drei Herrenmannschaften im Spielbetrieb halten zu können? „Schwierig wird’s, wenn alle drei Mannschaften am selben Tag auswärts spielen“, erklärt Mathias Berschl. Nachdem man sehr ländlich und mit viel Landwirtschaft geprägt sei, könne es im Herbst zur Erntezeit dann schon mal sein, „dass wir Aushilfen von der AH für die ‚Dritte‘ brauchen.“ Wenn man dann aber in der Kreisliga bei einem Spiel „Nichtantritt Gast“ zu lesen bekomme, frage man sich schon, was da verkehrt laufe.
„Verletzte, Studenten oder anderweitig verhinderte Spieler haben alle Vereine“, lassen die beiden Abteilungsleiter die Klagen mancher Kollegen nicht stehen. Beide können glücklicherweise auf junge, studierende Kicker aus ihren Reihen zählen, die donnerstags nur für zwei Stunden Training extra aus München oder Passau in die Heimat reisen und danach für die Vorlesung am nächsten Tag wieder zurückfahren. Natürlich mit dem Ziel, am Wochenende dann vom Coach berücksichtigt zu werden.
Weildorf und Oberteisendorf verraten Erfolgsgeheimnis
Unverständlich und schwierig für alle Vereine und Spielgemeinschaften sei die 15-Tage-Regel des Bayerischen Fußball-Verbandes. Diese Tatsache erschwere den Spielbetrieb besonders in den unteren Ligen wie der B- und C-Klasse, wo es ohnehin immer schwerer werde, Spieler zu begeistern. „Da wird es selbst mit einem Pool von 60 bis 70 Spielern kritisch, drei komplette Mannschaften zu stellen“, meint Schallinger, denn 15 bis 20 kranke, verletzte oder verhinderte Spieler, „hast gleich mal beieinander“. Damit teilt Schallinger die Meinung seines Grabenstätter Kollegen Hermann Schwaiger, der jüngst im beinschuss.de-Interview meinte: „Für einen heutigen Spielerkader braucht’s 25 bis 30 Mann, früher war das anders, da haben 17 bis 18 Spieler völlig ausgereicht.“
Stichwort beieinander: „Wenn in einem Verein alles sauber beieinander ist, dann gehen die Leute gerne hin“, sieht Berschl die Vereinsstruktur damit deutlich im Vorteil gegenüber Spielgemeinschaften, mit denen sich die Spieler vielleicht nicht ganz so stark identifizieren, wie mit dem eigenen Dorfverein.
Und wenn es, so wie beim SV Oberteisendorf letzte Saison oder bei der DJK diese Saison ohne A-Jugend mal mit dem Nachwuchs knapper wird? „Als Funktionäre ist es natürlich unsere Aufgabe, die Arrivierten bei Laune zu halten und sie, solange für den Fußball zu motivieren, bis wieder junge Spieler nachgerückt sind“, sieht Berschl sich und seine Kollegen in der Pflicht. Dazu betont er nochmals: „Die Spielklasse oder das Talent der jungen Generation muss dabei nachrangig sein. Die müssen Spaß haben, weil damit kommt die Erfahrung und später auch der persönliche, aber vor allem der gemeinschaftliche Erfolg dazu.“
Dem pflichtet Schallinger bei: „Es muss sowohl sportlich als auch gesellschaftlich was geboten sein. Dann passt der Zusammenhalt und das macht die Sache leichter.“
Bekommen Neugeboren in der Gemeinde Teisendorf „Spielerpässe in die Windel“?
Zum Abschluss wollte beinschuss.de von Mathias Berschl natürlich noch wissen: „Hand aufs Herz! Bekommen die Weildorfer Neugeborenen schon im Kreißsaal einen Spielerpass in die Windel?“ Berschl schmunzelt und unterstreicht: „Nein, unser Erfolgsrezept ist, dass jeder mitmachen darf, egal ob talentiert oder nicht. Es wird keiner vergrault, solange die allgemeinen Spielregeln eingehalten werden.“
Das Duell der „Reservereserven“ bestimmten übrigens bis kurz vor Schluss die Hausherren vom SV Oberteisendorf, jedoch ohne Torerfolg. Die Truppe von Weildorfs Coach Markus Egger stand defensiv stabil und wurde in der zweiten Halbzeit mutiger. Als sich in der 85. Minute schon alle auf ein torloses Unentschieden einstellten, wurde DJK Stürmer Thomas Berger auf die Reise geschickt, der Hubert Posch im SVO-Tor das Nachsehen gab und zum viel umjubelten Siegtreffer für die Gäste einnetzte. (mem)