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Kommentar zu Ariwa-Enthüllung bei Molkerei Berchtesgadener Land

Missionarischer Eifer hilft niemandem weiter und verhärtet die Fronten

Ein Kalb wurde in einem Stall an einer Wand angebunden, ein anderes Kalb liegt auf dem Boden im Stroh.
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Unser Redakteur findet, dass es den Tieren nicht weiterhilft, wenn sich Veganer und Nicht-Veganer gegenseitig verteufeln.

Die Videos von Animal Rights Watch (Ariwa) zu vier Betrieben der Molkerei Berchtesgadener Land sorgten für Aufsehen. Die Reaktionen dazu waren erwartbar und verdeutlichten das Problem: Mit reinem Schwarz-Weiß-Denken geht es beim Thema Ernährung nicht weiter. Das trifft auf beide Seiten zu, wie Redakteur Marcel Sowa aus eigener Erfahrung zu berichten weiß. Für ihn ist klar, in wessen Händen das Tierwohl liegt.

Piding - Dass Tierschützer bei Enthüllungen über schlechte Haltungsbedingungen nicht zimperlich zu Sache gehen, ist bekannt. Wenig überraschend fiel daher die Wortwahl deutlich aus, als der Tierschutzverein Ariwa vor einigen Tagen Aufnahmen aus vier Betrieben der Molkerei Berchtesgadener Land veröffentlichte. „Bergbauern-Lüge“ und „Märchen-Image“ hieß es in Richtung der Firma, die umgehend reagierte.

Wie immer entfachen solche „Neuigkeiten“ heftige Diskussionen. Die Kommentarspalten auf Social Media explodieren generell, sobald es um das Thema Ernährung geht. Vor allem die vegane Ernährung wird schnell zum Streitpunkt. Diese Erfahrung mache ich auch seit zwei Jahren, obwohl ich mich selbst nur als Fast-Veganer bezeichne und keinesfalls mit dem erhobenen moralischen Zeigefinger herumstolziere.

Man gewöhnt sich erstaunlich schnell

Zum Großteil packe ich es in meinem Alltag, auf tierische Lebensmittel zu verzichten und mich überwiegend pflanzlich zu ernähren. Natürlich war das am Anfang eine Umstellung, aber man gewöhnt sich erstaunlich schnell daran. Vermisse tue ich jedenfalls nicht und ich ernähre mich seitdem bewusster, aber vor allem vielfältiger.

Aber, wenn ich eins gelernt habe: Missionarischer Eifer hilft niemandem weiter und verhärtet die Fronten. Das gilt für beide Seiten. Spannend ist es immer wieder zu beobachten, wie sich manchmal die Stimmung in einem Gespräch verändert, sobald man erwähnt, dass man sich überwiegend vegan ernährt. Selbst wenn man keine Vorwürfe dem Gegenüber macht, selbst wenn man keine Kampagne pro Veganismus startet, verzieht es manchen Personen schon die Mundwinkel.

Wirklich noch so ungewöhnlich?

Warum eigentlich? Ist es so schwer sich vorzustellen, dass man mit einer veganen Ernährung glücklich ist? Dass man sich damit gesund und ausgewogen ernähren kann, wenn man sich damit richtig auseinandersetzt? Ich bevormunde niemanden und möchte auch niemanden bekehren. Höchstens an das Thema heranführen, wenn mich jemand danach fragt. Es wäre nur schön, wenn man sich als Veganer nicht jedes Mal erklären und rechtfertigen muss. Das sollte in der heutigen Zeit eigentlich nicht mehr ungewöhnlich sein.

Andererseits ist der Extremismus von manchen Veganern auch wenig hilfreich. Ich verstehe die Ungeduld und den Ärger, wenn zum Beispiel neue Tierschutzgesetze auf den Weg gebracht werden, die manche als „zu lasch“ bewerten. Über die Anbindehaltung wird schon seit vielen Jahren diskutiert, schon 2016 bewertete der damalige Bundesrat die ganzjährige Anbindehaltung von Rindern als kein tiergerechtes Haltungssystem. Damals wurde über eine zwölfjährige Frist diskutiert. Jetzt wird es wieder eine Übergangsphase von zehn Jahren geben. Und wer weiß, was passiert, wenn bei den nächsten Bundestagswahlen eine neue Regierung entsteht.

Abschaffung von Nutztierhaltung geht nicht von heute auf morgen

Doch mit einem moralischen Zeigefinger kommt auch diese Seite nicht weiter. Das Thema ist zu komplex, als dass die Landwirtschaft mit Nutztierhaltungen von heute auf morgen abgeschafft werden könnte. Zu sehr sind Fleisch und Co. in den Köpfen von vielen Menschen verankert, vor allem bei älteren Generationen. Zu viele Menschen können sich eine vegane Lebensweise nicht vorstellen, zumindest noch nicht.

Dabei sollten einen als Nicht-Veganer die Zustände in manchen Betrieben keinesfalls mehr überraschen. Und selbst bei der Kombi-Haltung muss jedem klar sein: Die Tiere leben immer noch einen Großteil ihres Lebens in einem Stall, in der Regel an Ort und Stelle. Laufställe mögen eine Verbesserung darstellen, doch auch sie bringen Nachteile mit sich.

Landwirte aus der Schusslinie nehmen

Noch immer werden die Kälber von ihren Müttern getrennt, damit die Milch überhaupt erst ihren Weg in die Produkte findet. Das - und viele andere Praktiken wie die Zwangsbesamung der Kuh, die Enthornung der Kälber, die Fahrt zum Schlachthof und vieles mehr - wird man natürlich nicht zu Gesicht bekommen, wenn man dem netten Bauern von nebenan einen gut gemeinten Besuch abstatten möchte. Vielleicht wäre aber genau das die wirksamste Methode, damit ein Umdenken stattfindet.

Bitte nicht falsch verstehen: Es geht nicht um ein Landwirte-Bashing. Diese machen ihre Arbeit, führen Betriebe schon in der x-ten Generationen und sicherlich wären viele Inhaber daran interessiert, mehr Tierwohl zu ermöglichen oder vielleicht sogar ganz aufzuhören mit der Nutztierhaltung. Wenn sie nur könnten: Kleinbäuerliche Betriebe kämpfen ums Überleben, in denen die Landwirte von morgens bis abends, manchmal sogar bis in die Nacht, arbeiten. Auf den ersten Moment mögen die Einnahmen hoch wirken, doch die Bezahlung von Futter, Maschinen, Diesel und Co. lässt einen Landwirt sicherlich nicht zum Krösus werden.

Genügend Alternativen vorhanden

Und das bringt mich zum entscheidenden Aspekt: Schlussendlich haben es die Verbraucher selbst in der Hand. Für mehr Tierwohl muss auch mehr Geld ausgegeben werden. Das fängt bei der politischen Unterstützung an und hört beim Einkaufsverhalten im Supermarkt (oder, ganz verrückt, beim Bauern selbst) auf. Wenn sich Veganer und Nicht-Veganer gegenseitig verteufeln, hilft das dem Tierwohl auch nicht weiter. Doch wenn sich mehr und mehr Menschen gegen tierische Produkte und deren Praktiken bei der Entstehung entscheiden, wird es langfristig ein Umdenken geben: in der Landwirtschaft, in den Supermärkten, in der Politik.

Unabhängig davon, ob man eine vegane Lebensweise gut oder schlecht findet: Solange Schnitzel weiterhin für wenig Geld im Einkaufswagen landen und man im Café für Hafer- statt Kuhmilch zusätzlich zahlen muss, solange wird es weiter aufrüttelnde Aufnahmen aus Ställen geben. Doch es kann mittlerweile wirklich niemand mehr behaupten, ihm sei das alles überhaupt nicht bewusst gewesen und es gäbe keine Alternativen. Die gibt es schon lange, man muss sich nur mit ihnen auseinandersetzen - wenn man das auch möchte. Zwang hilft schließlich niemandem weiter. Ich jedenfalls habe diese Entscheidung bis heute nicht bereut, im Gegenteil.

Info: Es handelt sich um einen persönlichen Kommentar dieses Redakteurs, der keinesfalls die Meinung der Redaktion widerspiegelt.

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