Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

Grünen-Sprecherin Goller und Ministerin Kaniber beziehen Stellung

„Spaltet Erzeuger und Verbraucher“ und „Realität schaut aktuell anders aus“: Politik reagiert auf Ariwa

In einem Stall sind zwei Kälber an einer Wand angebunden. Mehrere Milchkühe liegen auf dem Boden, ihre Schwänze wurden mit Seilen in die Höhe fixiert.
+
Mia Goller (rechts, oben) und Michaela Kaniber (rechts, unten) äußern sich zum Thema Tierschutz und Anbindehaltung.

Die Enthüllungen von Animal Rights Watch (Ariwa) in vier Betrieben der Molkerei Berchtesgadener Land stoßen auf großes Interesse. Der Tierschutzverein kritisiert unter anderem auch Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir und dessen Entwurf zu strengeren Tierschutzgesetzen. Während die Landwirtschaftssprecherin der Grünen im Landtag, Mia Goller, erklärt, wieso ihre Partei den Entwurf als Erfolg einstuft, schildert Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber, warum sie die Ariwa-Methoden für bedenklich hält und warum tierhaltende Betriebe in Bayern nicht alleingelassen werden sollen.

Piding/München - Mit „Bergbauern-Lüge“ und „Märchen-Image“-Vorwürfen konfrontierte Ariwa die Molkerei Berchtesgadener Land, nachdem der Tierschutzverein in mehreren Videoaufnahmen schlechte Haltungsbedingungen aufgedeckt hatte. Zu sehen waren unter anderem Schwanzfixierungen und angebundene Kälber. Das Unternehmen reagierte umgehend, doch die Kritik der Tierschützer reißt nicht ab.

Eine deutliche Meinung vertreten die Tierschützer auch zum Thema Anbindehaltung, die aus ihrer Sicht generell verboten werden muss. Inzwischen haben sich auch der Bayerische Bauernverband und ein Landwirt aus Piding erklärt, warum sie der Forderungen nach einer generellen Abschaffung der Nutztierhaltung kritisch und ablehnend gegenüber stehen. Auch aus der Politik erfolgten Reaktionen auf die Diskussionen.

„Beweidung ist ein wertvoller Schatz für Bayern“

So verteidigt Mia Goller, Landwirtschaftssprecherin der Grünen im Landtag, den neuen Gesetzesentwurf zum Tierschutz: „Für mich als grüne Landwirtschaftspolitikerin ist es ein Erfolg, dass wir die Kombihaltung weiter ermöglichen können. Das hilft den kleinen Landwirtschaften, die ihre Tiere in den warmen Monaten auf die Weide und auf Almen treiben. Und die Beweidung ist ein wertvoller Schatz für Bayern.“ Sie trage einen wichtigen Anteil zum Artenschutz und zur Biodiversität bei – und sie sei auch relevant für den Tourismus in Bayern. „Wir wollen die Beweidung keinesfalls verlieren.“

Wie Goller mitteilt, wünsche sie sich natürlich, dass keine Kuh mehr angebunden werde. „Aber die Realität schaut aktuell nun mal anders aus. Eine Veränderung können wir nur gemeinsam, zusammen mit der Landwirtschaft, erreichen“, so die Grünen-Sprecherin aus dem Landtag. Sie will kleine Betriebe mit Kombihaltung dabei unterstützen, den Stall möglichst in einen Laufstall zu verwandeln und die Weide zu behalten. „An manchen Orten wird das sehr schwierig werden. Dazu arbeiten wir gerade an einigen Anträgen, wie dem Bayerischen Weidepakt und einem Förderpaket für kleine Laufställe und besseren Tierschutz.“

Bundesrat legte im April 2016 bereits eine zwölfjährige Übergangsfrist fest

Auf die Frage, wieso die Übergangsfrist für ganzjährige Anbindehaltung gleich um zehn Jahr verlängert wurde, antwortet sie: „Ich persönlich hätte mir eine etwas kürzere Übergangsfrist gewünscht. Aber hier mussten viele Interessen unter einen Hut gebracht werden.“

Spannend: Bereits am 22. April 2016 gab es eine „Entschließung des Bundesrates zum Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung von Rindern“. Offiziell hieß es damals: „Der Bundesrat stellt fest, dass die ganzjährige Anbindehaltung von Rindern kein tiergerechtes Haltungssystem im Sinne des § 2 des Tierschutzgesetzes darstellt. Er hält ein gesetzliches Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung von Rindern für erforderlich, wobei eine angemessene Übergangsfrist von zwölf Jahren berücksichtigt werden soll.“ Die Begründung zu diesem Entschluss ist hier zu lesen.

Mehr Geld gleich mehr Investitionen in einen Laufstall?

Darauf angesprochen, erklärt Goller: „Die regierende CSU/CDU hat sich nie getraut, hier klare Ziele durchzusetzen. Das ist ein großes Problem in der bisherigen CSU-/CDU-Landwirtschaftspolitik: dass so oft der Schneid fehlt, Klarheit zu schaffen. So werden Entwicklungen verzögert und es gibt keine gescheite Planungssicherheit.“ Goller findet, dass Özdemir nun einiges anpacke, zum Beispiel die bessere Stellung der Landwirte gegenüber dem Einzelhandel. „Eines ist ja klar: Die Bäuerinnen und Bauern müssen mit ihren guten Produkten mehr Geld erwirtschaften können. Dann fällt auch die Investition in einen Laufstall und damit in eine Zukunft viel leichter.“

Auf die Ariwa-Enthüllungen angesprochen, äußert sich Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber aus Bad Reichenhall recht deutlich: „Für äußerst bedenklich halte ich, dass es in der heutigen Zeit möglich ist, kurzerhand Videos zu drehen, die bedauerlicherweise nur dazu dienen, landwirtschaftliche Betriebe gezielt unter Druck zu setzen.“ Die Molkerei habe bereits klargestellt, dass es sich bei den Betrieben in diesem Video um Kombinationsbetriebe handelt, deren Kühe mittlerweile schon längst auf der Weide stehen.

Kaniber: „Hilft weder dem Tierschutz noch den bäuerlichen Familien“

„Wem helfen denn solche irreführenden Darstellungen und Vorwürfe? Ich befürchte, das hilft weder dem Tierschutz noch den bäuerlichen Familien. Solche Videos dienen allenfalls dazu, die eigenen Spendenkampagnen zu befeuern.“ Das sei unnötig und spalte nur Erzeuger und Verbraucher, wenn künstlich eine Grundsatzfrage der Urproduktion von tierischen Lebensmitteln oder rein pflanzenbasierter Kost propagiert werde.

Das Ziel der bayerischen Staatsregierung ist laut Kaniber klar: „Wir werden uns auch weiter ganz gezielt dafür einsetzen, unseren bäuerlichen Familien mit Tierhaltung eine Zukunftschance zu geben. Und wir werden nicht zuschauen, wie unsere Betriebe ihre Hoftüren schließen, mit der Folge, dass dann Fleisch, Milch und Käse aus anderen Ländern dieser Welt, mit niedrigeren Standards, negativen Klimaeffekten und Tierleid importiert werden.“

Somit bleibt die Nutztierhaltung nicht nur ökonomisches Rückgrat, sondern ein Garant für eine einzigartige Kulturlandschaft, eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft und beste regionale Lebensmittelversorgung.

Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber

Bayern sei geprägt durch seine bäuerlichen Familienbetriebe, von denen zwei Drittel Tiere halten. „Somit bleibt die Nutztierhaltung nicht nur ökonomisches Rückgrat, sondern ein Garant für eine einzigartige Kulturlandschaft, eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft und beste regionale Lebensmittelversorgung“, findet die Ministerin. Für die Staatsregierung habe das Tierwohl oberste Priorität. Nicht umsonst habe Kaniber in ihrer Regierungserklärung 2021 klargestellt, dass die ganzjährige Anbindehaltung ein Auslaufmodell sei, doch dafür brauche es Übergangsszenarien.

Erstattung von Investitionskosten

Für viele Betriebe sei die Kombihaltung mit Sommerweide ein guter Weg. „Und genau deshalb lassen wir unsere tierhaltenden Betriebe in Bayern nicht allein. Es war uns wichtig, mit Beratung und Förderung diese weiter zu verbessern.“ Alle Betriebe, die von ganzjähriger Anbindehaltung umstellen wollen, bekämen 40 Prozent der anrechenbaren Investitionskosten erstattet. Auch der Investitionsdeckel wurde hier von 800.000 Euro auf 1,2 Millionen Euro angehoben. Im Durchschnitt gehe somit jeden Tag ein neuer staatlich geförderter Tierwohlstall ans Netz. „Und um das zu realisieren, reicht Bayern rund 100 Millionen Euro pro Jahr in die Verbesserung des Tierwohls aus. Mit unserem eigenen Landesprogramm BayProTier gehen wir beim Thema Tierwohl im Vergleich zum Bund entschieden voran“, hebt Kaniber hervor.

Kommentare