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Wie „Kriegsgebiet“ oder „Kidnapping“
Wie „Kidnapping“: So geht die US-Behörde ICE gegen Migranten vor
Die ICE nutzt Vans für überraschende Festnahmen und hinterlässt leere Stadtteile und Angst. So agiert die US-Einwanderungsbehörde gegen Migranten.
Los Angeles – Helle Vans oder Geländewagen fahren in eine Parkbucht ein, dann geht alles ganz schnell. Heraus kommen eine Reihe von vermummten Beamten der US-Einwanderungsbehörde ICE. Panik bricht aus, Migranten werden von einigen Personen zur Flucht aufgerufen oder fliehen von selbst. Für einige ist es zu spät, sie werden gepackt und in Handschellen gelegt, ohne viel Reden – um dann schnellstmöglich abgeschoben zu werden. So oder so ähnlich zeigen Berichte oder Videos immer wieder die Erfahrungen mit der Abschiebepolitik des Präsidenten der USA, Donald Trump.
Die Tage danach herrscht Leere in den sonst sehr beschäftigten Stadtteilen. „Sehen Sie – nichts, nur Stille“, sagte beispielsweise Pedro, über dessen Erfahrungen The Guardian berichtete. „So etwas habe ich noch nie gesehen. Nicht hier. Niemals hier in LA.“ Die Abschiebebehörden zielen oft auf Läden ab, in denen undokumentierte migrantische Arbeiter vermutet werden – in Pedros Fall beobachtete er eine Operation der Behörden auf einem Parkplatz eines Baumarktes, wo um die hundert Tagelöhner gewesen seien. Der Fall in Los Angeles ist exemplarisch für das Vorgehen der US-Einwanderungsbehörde ICE gegen Migranten.
Kristi Noem: Die schrägen Outfits von Trumps „Abschiebe-Barbie“
Langjährige Stadtbewohner durch ICE abgeschoben: Betroffene beschreiben „schreckliche Angst“
Viele der Betroffenen lebten schon Jahrzehnte in Los Angeles und haben die Stadt mit aufgebaut, gesäubert und nach dem großen Feuer in LA erneuert, meinte Jorge Nicolás, ein leitender Organisator in einem Tagesarbeitszentrum namens Central American Resource Center (Carecen), gegenüber The Guardian. „Es gibt eine Menge Emotionen, eine Menge Traurigkeit“, so Nicolás. Er verglich den Vorfall in LA, bei dem er wie Pedro in der Nähe war, mit einem „Kriegsgebiet“ oder mit „Kidnapping“. Wer inhaftiert wird, folgt scheinbar keinem anderen Muster als der Hautfarbe. „Selbst Arbeitnehmer mit legalem Status sind besorgt“, so Nicolás.
„Es ist schwer zu beschreiben. Es ist eine schreckliche Angst“, erklärte Eduardoseine Erfahrung The Guardian. Er kam vor 18 Jahren von Honduras in die USA. „Es fühlt sich an wie ein Sandsack, der auf deinen Körper fällt. Die Sicht verdunkelt sich, denn der amerikanische Traum entweicht in diesem Moment. Und alles, was du tun kannst, ist von deinem Land zu träumen und dir vorzustellen, wie es wäre, nach so vielen Jahren zurückzukehren.“ Er wurde von den Behörden verschont und geht weiter zum Baumarkt-Parkplatz, weil er das Geld braucht. Seine beiden Töchter (24 und 9 Jahre) hätten Angst um ihn, erzählt er.
„Keine sicheren Räume“ vor US-Einwanderungsbehörde ICE: Trump gibt Hardlinern in der Regierung nach
Vor Kurzem hat sich das Vorgehen der Einwanderungsbehörde laut der Washington Posterneut verschärft, als Trump die Wiederaufnahme von Razzien in der Landwirtschaft und in der Hotelindustrie anordnete. Die Pause für diese beiden Sektoren hatte nur vier Tage angehalten. Die Regelung sollte Landwirte vor der Verlust von Arbeitskräften „beschützen“, wie Trump auf Truth Social schrieb. Eine tatsächliche Gesetzesänderung gab es dafür allerdings nicht und Trump gab irgendwann dem Druck der Hardliner nach, die sich gegen eine Ausnahme für bestimmte Industriesektoren aussprachen.
„Es wird keine sicheren Räume für Industrien geben, die gewalttätigen Kriminellen Unterschlupf gewähren oder absichtlich versuchen, die Bemühungen von ICE zu untergraben“, betonte die stellvertretende Sekretärin des Ministeriums für innere Sicherheit, Tricia McLaughlin, gegenüber The Guardian.
Trumps kurzer Rückzieher zeigt allerdings deutlich das Spannungsverhältnis zwischen der Abschiebepolitik des Republikaners und dem Versprechen, die Wirtschaft zu stärken. Undokumentierte Migranten machen laut dem American Immigration Council 4,6 Prozent der US-Arbeitskraft aus. Über 7 Millionen undokumentierte Migranten arbeiten in den Bereichen Landwirtschaft, Hotellerie und Bau.
Brennende Autos, Tränengas, Nationalgarde: Proteste in L.A. gegen Trump eskalieren
FBI, Nationalgarde, Steuerbehörde: US-Einwanderungsbehörde soll Unterstützung bekommen
Dazu kommt, dass Trumps Abschiebemission personell gestärkt werden soll: Über 5 000 Mitarbeiter aus allen Bundesbehörden und bis zu 21 000 Soldaten der Nationalgarde sollen künftig laut dem Plan „Operation At Large“ an den Abschiebungen beteiligt sein, geführt von der ICE. Neben den rund 3 000 ICE-Agenten werden eine Vielzahl von Bundesbehörden zweckentfremdet, um die Zahl zu erreichen.
Dazu gehören 1 800 Mitarbeiter der des US-Ministeriums für Innere Sicherheit, 2 000 Mitarbeiter des Justizministeriums vom FBI und der Behörde United States Marshals Service, 500 Mitarbeiter des Zolls und des Grenzschutzes. Dazu kommen 250 Mitarbeiter der Bundessteuerbehörde, die neben Inhaftierungen auch Aufenthaltsorte von Migranten anhand von Steuerinformationen liefern sollen.
Abigail Jackson, eine Sprecherin des Weißen Hauses, sagte laut NBC News zu den Massen an Beamten, die in Trumps Abschieberegime involviert sind: „Die Einhaltung des Versprechens von Präsident Trump, illegale Aliens abzuschieben, ist etwas, das die Regierung ernst nimmt. Wir sind entschlossen, illegale Aliens aggressiv und effizient aus den Vereinigten Staaten abzuschieben und dafür zu sorgen, dass unsere Strafverfolgungsbeamten über die dafür notwendigen Ressourcen verfügen. Die Sicherheit des amerikanischen Volkes hängt davon ab.“
Keine 3000 Festnahmen pro Tag: US-Einwanderungsbehörde ICE strauchelt unter Zielquote
Trotz all dieser Maßnahmen und Änderungen ist unklar, ob die ICE die vom stellvertretenden Stabschef des Weißen Hauses, Stephen Miller, postulierte tägliche Quote von 3 000 Personen erreichen kann. Die Behörde teilt keine täglichen Inhaftierungsstatistiken mehr, hat allerdings Details von mindestens 350 Inhaftierungen in den sozialen Medien geteilt, wie NBC News berichtete. In einem kürzlichen Interview mit der Washington Post hat Trumps sogenannter Grenz-Zar Tom Homan von etwa 2 000 Inhaftierungen pro Tag gesprochen.
Die Mitarbeiter sind unter Druck. Mitte Mai wurden sie beispielsweise von Miller, wegen einer wohl zu geringen Anzahl an Inhaftierungen und Abschiebungen pro Tag gerügt, wie NBC News berichtete. Sollten nicht 3 000 Migranten pro Tag festgenommen werden, sollten die Chefs der am schlechtesten abschneidenden Außenstellen gefeuert werden, so die Drohung.
Auch die Gerichte ächzen unter dem Druck der vielen Verfahren zum Thema Abschiebungen. Laut Dokumenten, auf die NBC News Zugriff hat, würden Gerichtsverfahren zu anderen Themen dadurch verlangsamt werden. Womöglich kontroverse Gesetzgebungen könnten so wohl länger unter dem Radar bleiben.
Proteste von Los Angeles drücken Wut und Angst aus – Haftbedingungen nach ICE-Festnahme oft hart
In der Haft haben es Anwälte offenbar schwer, die Inhaftierten zu erreichen. Einige werden direkt in Haftanstalten mit größerer Distanz gebracht, für Migranten aus LA zum Beispiel nach Texas. Andere werden direkt abgeschoben. So oder so sprechen Anwälte von einer inadäquaten Versorgung mit Essen und Wasser. Das Ministerium für innere Sicherheit wies diese Berichte als falsch ab, obwohl es dokumentierte Beweise für diese Erfahrungen gibt.
Razzien wie die, die Pedro und Nicolás erlebt haben, führten letztendlich zu den heftigen Protesten in Los Angeles. Während ein Großteil friedlich blieb, gab es auch immer wieder gewalttätige Konfrontationen zwischen Protestierenden und der Polizei, später auch der Nationalgarde und der US-Marine. Auch Polizeigewalt gegen Journalisten wurden mehrfach dokumentiert. In mehreren anderen Städten gab es Solidaritätsdemonstrationen, darunter vor dem Trump Tower in New York City. (lismah)