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Vor den Landtagswahlen
„Gefährliches Experiment“: Ökonom warnt vor Regierungsverantwortung von AfD und BSW im Osten
AfD und BSW könnten nach den Landtagswahlen im Osten mindestens mitregieren. DIW-Präsident Fratzscher warnt vor wirtschaftlichen Folgen.
Berlin – Wer ist das Volk, von dem Populisten so gerne sprechen? Parteien wie die AfD inszenieren sich gerne als Stellvertreter der einfachen Leute, aber wer einen genauen Blick auf ihr Wahlprogramm wirft, merkt schnell: von Umverteilung keine Spur. Von der Wiedereinführung der Vermögenssteuer will die AfD nichts wissen, von Mindestlöhnen teilweise auch nichts, die Erbschaftssteuer will sie komplett abschaffen. Dennoch blicken auch Wirtschaftseliten besorgt auf die Landtagswahlen 2024 im Osten.
Wirtschaftswissenschaftler Marcel Fratzscher, Professor für Makroökonomie an der Humboldt-Universität zu Berlin und Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), dem größten deutschen Wirtschaftsforschungsinstitut, warnt nun öffentlich vor Folgen einer möglichen Regierungsbeteiligung der AfD nach den Landtagswahlen im Osten. Auch den Einfluss des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) sieht der Ökonom skeptisch und verweist auf Parallelen im Wahlprogramm.
DIW-Präsident vor Landtagswahlen 2024 im Osten: „AfD kann zum Standortrisiko werden“
„Die Positionen von AfD und BSW überschneiden sich sehr stark in der Klima- und der Innenpolitik sowie in manchen Bereichen der Gesellschaftspolitik. Ihre Positionen sind nicht nur radikal, sondern teils auch widersprüchlich. Auch deshalb wäre eine Regierungsbeteiligung ein gefährliches Experiment“, schreibt der Ökonom in einer Publikation des DIW Berlin. Gemeinsamkeiten seien bei Skepsis gegenüber Klimaschutzmaßnahmen und Waffen für die Ukraine oder der Ablehnung kostenloser Deutschkurse für Geflüchtete zu finden. Fratzschers konkrete Kritik im Bereich Wirtschaftspolitik richtet sich allerdings allein gegen die AfD. Das BSW, das erstmals zu Landtagswahlen antritt, muss seine genaue Richtung in Wirtschaftsfragen erst unter Beweis stellen. Eine Nachfrage von IPPEN.MEDIA nach möglichen Parallelen zur AfD ließ die Wagenknecht-Partei unbeantwortet.
Das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ will die deutsche Politik prägen
Die AfD wolle die Zuwanderung nach Deutschland stark reduzieren. „Mehr noch, sie trägt mit ihrer Politik und Rhetorik dazu bei, dass sich die Willkommenskultur in den ostdeutschen Ländern verschlechtert und dass dadurch das Anwerben von ausländischen – aber teilweise auch inländischen – Fachkräften erheblich erschwert wird“, schreibt Fratzscher. Zuletzt hätten sich große Chipproduzenten wie TSMC und Intel in Mitteldeutschland angesiedelt. Mit ihnen wachse der Bedarf an Fachkräften, die AfD könne zum Standortrisiko werden.
AfD sieht keine Gemeinsamkeiten mit BSW
Die AfD weist diese Vorwürfe zurück und sieht in der DIW-Publikation eine gezielte Propagandakampagne gegen die Partei, wie Torben Braga, Pressesprecher des AfD-Landesverbands Thüringen, auf Nachfrage von IPPEN.MEDIA erklärt. „Die andauernde Kritik aus den Reihen dieses Instituts ist unsachlich, alles andere als parteipolitisch unabhängig oder neutral und stellt nicht den wirtschaftswissenschaftlichen Konsens dar“, schreibt Braga. Auch die These der inhaltlichen Nähe zwischen AfD und BSW weist er zurück. Es gäbe keine größere Nähe als bei anderen Parteien. Bei den Gemeinsamkeiten müsse das BSW „noch beweisen, ob es diese Positionen und Forderungen tatsächlich konsequent verfolgt“.
Die Warnung von DIW-Präsident Fratzscher, die AfD könne mit ihrer feindlichen Rhetorik Fachkräfte verschrecken, sei falsch, sagt Braga. Seine Partei spreche sich nicht gegen jede Zuwanderung aus. Vielmehr fordert die AfD Thüringen „zuerst die inländischen Personalressourcen zu mobilisieren und in konkreten Bedarfsfällen auch auf gezielte Zuwanderung hoch qualifizierter, integrationswilliger Personen mit deutschen Sprachkenntnissen zu setzen“.
Politik für Reiche? Die Unterschiede zwischen AfD und BSW liegen vor allem in der Sozialpolitik
Laut DIW liegen die Unterschiede zwischen der AfD und der BSW vor allem in der Sozialpolitik. Während die AfD den Sozialstaat häufig abbauen, Leistungen kürzen oder sie auf bestimmte Gruppen beschränken möchte, plädiert die BSW in einigen Bereichen für eine stärkere Rolle des Sozialstaats und der sozialen Sicherungssysteme und strebt sogar eine gezielte Ausweitung an. Ein konkretes Beispiel ist die Mietpreisbremse in Dresden und Leipzig, die die BSW beibehalten möchte, während die AfD deren Abschaffung anstrebt. In Thüringen hingegen zeigt sich die BSW in Bezug auf bestimmte soziale Leistungen sehr kritisch – welche Kräfte sich in der neu gegründeten Partei langfristig durchsetzen werden, ist noch unklar.
AfD-Sprecher Braga verteidigt gegenüber IPPEN.MEDIA die AfD-Visionen zur Abschaffung von Erbschaftssteuer und Mindestlohn als Schutz für den Mittelstand. Die Erhöhung des Mindestlohnes habe „viele Betriebe im Osten überfordert“ und den Verlust von Arbeitsplätzen in dieser Region zur Folge gehabt. Durch die Erbschaftssteuer würde oft die Substanz von Familienunternehmen des Mittelstands angegriffen und so Arbeitsplätze verloren gehen. Im Gegensatz zu ihrer volksnahen Rhetorik fällt die AfD bereits seit ihrer Gründung immer wieder mit sozial feindlichen Ideen auf. AfD-Mitbegründer Konrad Adam spielte in der Vergangenheit etwa mit dem Gedanken, den „Inaktiven und Versorgungsempfängern“ das Wahlrecht abzuerkennen – also unter anderem Rentnern und Arbeitslosen.
AfD-Regierung nach Landtagswahlen 2024 würde eigener Wählerschaft am meisten schaden
Immer wieder rütteln die Rechtspopulisten sogar an essenziellen Sicherheiten der Arbeiterklasse – wie etwa dem Mindestlohn. Frühere AfD-Chefin und Unternehmerin Frauke Petry sagte etwa einmal: „Wir sind gegen einen gesetzlich festgelegten allgemeinen Mindestlohn“. Er sei ein „neosozialistisches“ Konzept, ein Ergebnis „der realitätsfernen Sozialromantik“ von der damaligen Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD). Doch die Positionen der Rechtspopulisten sind nicht in Stein gemeißelt und variieren je nach Personalie und Wahljahr: Im Wahlprogramm der AfD zur Bundestagswahl 2021 sprach sich die Partei beispielsweise für die Beibehaltung des Mindestlohns aus.
Erstaunlicherweise werden die Rechtspopulisten teilweise von Menschen gewählt, deren Leben unter einer AfD-Regierung schwieriger werden würde. Eine Studie des DIW Berlin hat aufgezeigt: Die politischen Positionen der AfD sind nicht nur in vielen Bereichen widersprüchlich, sondern sie würden der eigenen Wählerschaft am meisten schaden. (lm)