Zukunft der Deutschen Wirtschaft
Vor den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen: Mittelstand äußert Bedenken gegen AfD und Wagenknecht
Die Unzufriedenheit mit der Ampelkoalition treibt die Bürger im Osten des Landes zu populistischen Parteien. Experten warnen jedoch, dass ein Sieg von AfD und BSW bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen die Entwicklung im strukturschwachen Ostdeutschland erheblich beeinträchtigen könnte.
Dresden - Die anstehenden Wahlen in Thüringen und Sachsen bereiten Wirtschaftsverbänden und Familienunternehmen Kopfschmerzen. Angesichts der starken Umfrageergebnisse für die AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) herrscht große Besorgnis über die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Ostdeutschland.
Wie aus einer INSA-Umfrage im Auftrag von Familienunternehmen der Freistaaten hervorgeht, hat die Ampel-Politik die Bürger stark gefrustet - und die Landtagswahlen im September damit einem Risiko ausgesetzt. „Je stärker wirtschaftsfeindliche Gruppen werden, desto unattraktiver wird Thüringen für Arbeits- und Fachkräfte“, mahnte Colette Boos-John, Landesvorsitzende der „Familienunternehmer“ in Thüringen, gegenüber der F.A.Z.
Ostdeutschland floriert: Mehr Investitionen für mehr Lebensqualität
Nach jüngsten Wachstumsprognosen birgt der Osten des Landes immenses Potenzial, die deutsche Wirtschaft wieder aus der Krise zu holen. Dafür braucht die Wirtschaft des Ostens allerdings dringend Fachkräfte. Denn ohne Zuwanderung erleiden Unternehmen in Zeiten akuter Personalnachfrage einen erheblichen Wettbewerbsnachteil.
Wie Daten des Dresdner ifo-Instituts belegen, soll die ostdeutsche Wirtschaft in diesem Jahr um 1,1 Prozent wachsen. Dagegen erwartet man für den gesamten deutschen Wirtschaftsraum ein schwaches Wachstum von 0,4 Prozent. Große Unternehmen wie Tesla, Intel und TSMC investieren in den Standort, sodass mehr Arbeitsplätze und lebenswichtige Infrastrukturen entstehen können.
Trotz erfreulicher Fortschritte muss Ostdeutschland im Vergleich zum Westen noch immer als strukturschwach bezeichnet werden. So zeigt der aktuelle Gleichwertigkeitsbericht der Bundesregierung, dass Menschen in Ostdeutschland durchschnittlich längere Wege zurücklegen müssen, um beispielsweise zur Schule oder zum Arzt zu gelangen. In den ländlichen Gegenden ist demnach die Infrastruktur am schwächsten ausgebaut.
Daher profitiert nicht nur die Gemeinde der brandenburgischen Grünheide mit Tesla, sondern auch Mecklenburg-Vorpommern mit dem Ausbau von LNG-Terminals und einem Anstieg an Rüstungsaufträgen für Werften, wie zdfheute schrieb. Die Ansiedlung des Chip-Herstellers TSMC aus Taiwan in Dresden und die Investitionen in Magdeburg durch das Halbleiter-Unternehmen Intel bringen darüber hinaus staatliche Gelder in den zukunftsfähigen Ausbau der Standorte.
Kein Wachstum ohne Fachkräfte: Demografische Entwicklung im Osten hemmt Wirtschaft
Doch ohne qualifizierte Fachkräfte kann der wirtschaftliche Ausbau im Osten nicht dauerhaft aufrechterhalten werden. Vor allem der Arbeitsmarkt in den Regionen der ehemaligen DDR kann nicht mit den erwarteten, wirtschaftlichen Entwicklungen standhalten – sondern kann sie letztendlich wieder hemmen. Obwohl sich die Arbeitslosenquote dem Regierungsbericht zufolge in den vergangenen zwei Jahrzehnten von 20 Prozent auf sieben Prozent verringert hat, stellt der starke Geburtenrückgang in den östlichen Regionen ein Hemmnis dar.
Wie das Ifo-Institut weiter schreibt, fehlen nicht nur Arbeitskräfte, die Bevölkerung ist demnach auch stark überaltert. Junge Menschen neigen zum Wegzug in den Westen. Neue Fachkräfte, die die Wirtschaft unbedingt braucht, könnten durch das politische Klima zunehmend abgeschreckt werden. So sollen bis 2035 allein in Thüringen eine Viertelmillion Fach- und Arbeitskräfte fehlen.
„Bei unserer alternden Gesellschaft ist das die größte Herausforderung für die Wirtschaft überhaupt. Ohne Arbeitskräfte und Auszubildende aus dem In- und Ausland, ohne geregelte Zuwanderung werden sich die bisher erzielten wirtschaftlichen Erfolge in Thüringen nicht fortsetzen lassen“, kommentiere Geschäftsführerin des Straßen-, Tief- und Hochbauunternehmens Bauer Bauunternehmen in Walschleben.
Bedeutung von Wirtschaftspolitik steigt: AfD und BSW erstarken durch Ampel-Frust
Inflation, hohe Mieten und niedrige Renten zeichnen sich deutlich im politischen Klima Ostdeutschlands ab. SPD, Grüne und FDP haben mit den vergangenen Krisenjahren das Vertrauen der Wähler einbüßen müssen. Für die Bürger in den Regionen gewinnt die Wirtschaftspolitik zunehmend an Bedeutung.
Wie aus der repräsentativen Umfrage des Markt- und Sozialforschungsinstituts Insa im Auftrag von Familienunternehmen aus Sachsen und Thüringen hervorgeht, meinen 67 Prozent der befragten Bürger in Sachsen und 56 Prozent der Thüringer, dass das Thema Wirtschaftspolitik bei den Landtagswahlen eine „große bis sehr große Rolle“ spielt.
Mehr größere Unternehmen wünschten sich der Umfrage nach 68 Prozent der sächsischen und 73 Prozent der thüringischen Wähler. „AfD und BSW werden mit ihren Programmen jedoch sicher keine Unternehmen zu uns holen – schon gar keine größeren“, so Boos-John.
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