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Ruanda-Modell für Geflüchtete

Kritik aus der Kirche am CDU-Grundsatzprogramm: „Ich frage mich, wofür das C steht“

Die CDU will Asylbewerber schnell in Drittstaaten unterbringen. Bei Vertretern kirchlicher Initiativen stößt das auf Kritik. Aber nicht nur dort.

Köln – Zwischen den Zeilen tauchten die drei Buchstaben immer wieder auf: CDU. Beim Flüchtlingsgipfel der Deutschen Bischofskonferenz tagten am Dienstag (30. April) Vertreterinnen und Vertreter katholischer Gemeinden und kirchlicher Träger aus ganz Deutschland im Kölner Maternushaus.

Eine Woche vor CDU-Parteitag: Grundsatzprogramm und Ruanda-Modell sorgen für Debatten

Knapp eine Woche später wird die CDU bei ihrem Parteitag in Berlin ihr neues Grundsatzprogramm beschließen. Ein zentraler Punkt, über den in Köln am Rande des Gipfels immer wieder diskutiert wurde: das sogenannte Ruanda-Modell. Konkret geht es darum, dass nach dem Willen der CDU jeder, der in Europa Asyl beantragt, erst einmal „in einen sicheren Drittstaat überführt werden und dort ein Verfahren durchlaufen“ soll. Vorbild ist ein umstrittenes Gesetz aus Großbritannien: Von dort werden entsprechend einem neuen Gesetz Asylbewerber ins ostafrikanische Ruanda transportiert.

Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße beim Flüchtlingsgipfel in Köln.

Hamburger Erzbischof: Auslagerung in ärmere Regionen „geradezu grotesk“

Eine „ziemliche Sauerei“ nannten das manche der Gipfel-Teilnehmer, von denen viele in der Flüchtlingshilfe arbeiten. In den offiziellen Reden der Kirchenvertreter tauchte das Ruanda-Thema immerhin implizit auf: „Auch wenn eine wachsende Zahl von Menschen in der Europäischen Union Schutz gefunden hat, dürfen wir nicht vergessen: Die überwiegende Mehrzahl der Geflüchteten wird nach wie vor in den Ländern des globalen Südens aufgenommen“, sagte etwa der Hamburger Erzbischof Stefan Heße. Und deutlicher: „Angesichts dieser ohnehin bestehenden Schieflagen scheint meines Erachtens der Ruf nach einer immer stärkeren Auslagerung des Flüchtlingsschutzes in ärmere Regionen dieser Welt geradezu grotesk.“

Das darf man wohl auch als Anspielung auf den jüngst beschlossenen EU-Pakt GEAS (Gemeinsames Europäische Asylsystem) verstehen: Das GEAS macht es Mitgliedsländern möglich, Asylbewerber mit geringen Chancen auf einen positiven Bescheid direkt an den Außengrenzen in sogenannte sichere Drittstaaten abzuschieben.

CDU-Grundsatzprogramm: „Christlich finde ich dieses Programm nicht“

Isabel Heinrichs ist Integrationsbeauftragte bei der Aktion Neue Nachbarn.

Isabel Heinrichs, Integrationsbeauftragte der Caritas-Geflüchteten-Initiative Aktion Neue Nachbarn, äußert sich im Gespräch mit IPPEN.MEDIA klar: „Ich frage mich, wofür das C in CDU steht. Christlich finde ich dieses Programm jedenfalls nicht.“ Der Vorstoß der CDU in Richtung Ruanda-Modell sei „keine Lösung“, kritisiert Heinrichs. „Man verschiebt ja nur ein Problem, statt Fluchtursachen zu bekämpfen.“ Die CDU bediene damit „bewusst populistische Ansichten“: „Das nehme ich ihr übel.“

Jens Spahn und die Ruanda-Idee: Sachverständigenrat sieht Vorgehen „äußerst kritisch“

Der Ex-Gesundheitsminister und CDU-Bundestagsabgeordnete Jens Spahn hatte mit der Ruanda-Idee schon Ende 2023 gespielt. „Binnen 48 Stunden“ sollten irregulär Eingereiste nach Ghana oder Ruanda abgeschoben werden, sagte er in einem Interview. Beim Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) gab es bereits damals Kritik an einem solchen Vorgehen. Man sehe das „äußerst kritisch“, hieß es auf Anfrage von IPPEN.MEDIA. „Es wird nicht die eine schnelle Lösung geben“, sagte der SVR-Vorsitzende Hans Vorländer. Grundsätzlich sei eine enge Zusammenarbeit mit Drittstaaten bei dem Thema unerlässlich, so Vorländer. Aber: „Die Verantwortung darf nicht einfach ausgelagert werden, sondern muss geteilt werden.“

Auf dem Weg nach Europa: Die Aufnahmekandidaten der EU

EU Parlament Straßburg
Jeder europäische Staat hat laut Artikel 49 des EU-Vertrags das Recht, einen Antrag auf Mitgliedschaft zu stellen. Wichtig dabei: „Europäisch“ wird politisch-kulturell verstanden und schließt die Mitglieder des Europarats mit ein. Das betrifft zum Beispiel die Republik Zypern. Eine wichtige Rolle spielt im Beitrittsverfahren das EU-Parlament in Straßburg (im Bild). Verschiedene Delegationen verfolgen die Fortschritte in den Beitrittsländern und weisen auf mögliche Probleme hin. Zudem müssen die Abgeordneten dem EU-Beitritt eines Landes im Parlament zustimmen. Derzeit gibt es neun Beitrittskandidaten und einen Bewerberstaat. © PantherMedia
Edi Rama Albanian EU
Albanien reichte 2009 den formellen EU-Mitgliedschaftsantrag ein – vier Jahre, bevor Edi Rama (im Bild) das Amt des Ministerpräsidenten übernahm. Es dauerte aber noch eine lange Zeit, bis die Verhandlungen beginnen konnten. Grund war ein Einspruch der Niederlande, die sich zusätzlich zu den EU-Kriterien auch die Sicherstellung der Funktion des Verfassungsgerichts und die Umsetzung eines Mediengesetzes wünschte. Im Juli 2022 konnte die Blockade beendet werden und die EU startete die Beitrittsverhandlungen. © John Thys/afp
Bosnien und Herzegowina EU
Auch Bosnien und Herzegowina drängt in die EU. Gut erkennen konnte man das zum Beispiel am Europatag 2021, als die Vijećnica in der Hauptstadt Sarajevo mit den Farben der Flaggen der Europäischen Union und Bosnien und Herzegowinas beleuchtet war. EU-Botschafter Johann Sattler nutzte sofort die Gelegenheit, um das alte Rathaus zu fotografieren. Vor den geplanten Beitrittsverhandlungen muss das Balkanland noch einige Reformen umsetzen. Dabei geht es unter anderem um Rechtsstaatlichkeit und den Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbrechen.  © Elvis Barukcic/afp
Georgien EU
Zum Kreis der EU-Beitrittskandidaten gehört auch das an Russland grenzende Georgien. Das Land, in dem rund 3,7 Millionen Menschen leben, hatte kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs die Aufnahme in die EU beantragt. Auf schnelle Fortschritte im Beitrittsprozess kann Georgien allerdings nicht hoffen. Dabei spielt auch ein ungelöster Territorialkonflikt mit Russland eine Rolle. Nach einem Krieg 2008 erkannte Moskau die abtrünnigen georgischen Gebiete Südossetien (im Bild) und Abchasien als unabhängige Staaten an und stationierte Tausende Soldaten in der Region. © Dimitry Kostyukov/afp
Moldau EU
Seit Juni 2022 gehört auch Moldau offiziell zu den EU-Beitrittskandidaten. Das Land, das an Rumänien und die Ukraine grenzt, reichte kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs das Beitrittsgesuch ein. Am 21. Mai 2023 demonstrierten 80.000 Menschen in der Hauptstadt Chișinău für einen Beitritt Moldaus in die Europäische Union. Die damalige Innenministerin Ana Revenco (Mitte) mischte sich damals ebenfalls unters Volk. © Elena Covalenco/afp
Montenegro EU
Das am kleine Balkanland Montenegro will beim EU-Beitritt zügig vorankommen. Direkt nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten Ende Oktober 2023 verkündete Milojko Spajic (im Bild), dass er den Beitritt Montenegros zur EU vorantreiben und die Justiz im Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbrechen stärken wolle. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (rechts) hörte es damals sicher gerne. Montenegro verhandelt seit 2012 über einen Beitritt, hatte sich aber vor der Wahl nicht mehr ausgiebig um Reformen bemüht.  © Savo Prelevic/afp
Scholz Westbalkan-Gipfel Nordmazedonien EU
Nordmazedonien kämpft schon seit langer Zeit für den Beitritt in die EU. Leicht ist das nicht. So hat das kleine Land in Südosteuropa aufgrund eines Streits mit Griechenland sogar schon eine Namensänderung hinter sich. Seit 2019 firmiert der Binnenstaat amtlich unter dem Namen Republik Nordmazedonien. Auch Bulgarien blockierte lange den Beginn von Verhandlungen. Bei einem Gipfeltreffen im Oktober 2023 drängte Kanzler Olaf Scholz dann aber auf eine möglichst schnelle Aufnahme der Balkanstaaten in die EU. Nordmazedoniens Ministerpräsident Dimitar Kovacevski (rechts) war sichtlich erfreut. © Michael Kappeler/dpa
Serbien EU
Auch Serbien strebt in die EU. Wann es zu einem Beitritt kommt, scheint derzeit aber völlig offen. Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine hat sich die serbische Regierung geweigert, Sanktionen gegen Russland zu verhängen. Damit ist Serbien der einzige Staat in Europa, der keine Sanktionen verhängt hat. Offen bleibt, welche Auswirkungen das auf die seit 2014 laufenden Verhandlungen über einen EU-Beitritt Serbiens hat. Die politische Führung in Belgrad, die seit 2012 von Präsident Aleksandar Vučić (im Bild) dominiert wird, zeigt zudem wenig Willen zu Reformen. Demokratie und Medienpluralismus höhlt sie zunehmend aus. © Andrej Isakovic/afp
Türkei EU
Die Türkei ist bereits seit 1999 Beitrittskandidat. Die Verhandlungen selbst haben im Oktober 2005 begonnen. Inzwischen hat die EU-Kommission vorgeschlagen, die Beziehungen wieder auszubauen, sofern sich die Regierung in Ankara unter Präsident Recep Tayyip Erdoğan (im Bild) in einigen Punkten bewegt. Zuvor waren Projekte wie die geplante Modernisierung der Zollunion und eine Visaliberalisierung wegen Rückschritten bei Rechtsstaatlichkeit, Grundrechten und Meinungsfreiheit in der Türkei auf Eis gelegt worden. Ein EU-Beitritt scheint aktuell weiter entfernt denn je. © Adem Altan/afp
Ukraine EU
Im Dezember 2023 wurde der Beginn von Verhandlungen mit der Ukraine grundsätzlich beschlossen. Allerdings muss die Ukraine sämtliche Reformauflagen erfüllen. So waren nach dem letzten Kommissionsbericht manche Reformen zur Korruptionsbekämpfung, zum Minderheitenschutz und zum Einfluss von Oligarchen im Land nicht vollständig umgesetzt. Ohnehin gilt es als ausgeschlossen, dass die Ukraine vor dem Ende des Ukraine-Kriegs EU-Mitglied wird. Denn dann könnte Kiew laut EU-Vertrag militärischen Beistand einfordern – und die EU wäre offiziell Kriegspartei. © Roman Pilipey/afp
Kosovo EU
Kosovo hat einen Mitgliedsantrag eingereicht, jedoch noch nicht den offiziellen Status eines Beitrittskandidaten erhalten. Das Land hat 2008 seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt. Die Freude darüber war damals bei den Menschen riesengroß. Das Bild macht auch deutlich, dass vor allem Menschen albanischer Herkunft im Kosovo beheimatet sind. Die Flagge Albaniens (links) ist ebenso zu sehen wie die des neuen Landes (hinten). Mehr als 100 Länder, darunter auch Deutschland, erkennen den neuen Staat an. Russland, China, Serbien und einige EU-Staaten tun dies aber nicht. Ohne die Anerkennung durch alle EU-Länder ist eine Aufnahme von Beitrittsverhandlungen aber nicht möglich.  © Dimitar Dilkoff/afp

Kritik hatte es zuletzt auch an einem anderen Passus im CDU-Grundsatzprogramm gegeben. Dort hieß es zunächst: „Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland“. Daran hatte sich eine heftige Debatte entzündet, SPD-Chef Lars Klingbeil etwa sprach von rhetorischer Ausgrenzung einer ganzen Bevölkerungsgruppe. Die CDU hatte den Satz im Nachhinein angepasst, jetzt lautet er: „Ein Islam, der unsere Werte nicht teilt und unsere freiheitliche Gesellschaft ablehnt, gehört nicht zu Deutschland.“ Das Bekenntnis zu einer Leitkultur bleibt unterdessen im Programm.

Rubriklistenbild: © Peter Sieben

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