Kritik an Abschiebeplänen
Jens Spahn will Flüchtlinge nach Ruanda abtransportieren – Kritik von Sachverständigen
CDU-Co-Chef Jens Spahn will Geflüchtete in Drittländer wie Ruanda abtransportieren. Dass das nicht so einfach ist, zeigt ein Beispiel aus einem anderen europäischen Land.
Berlin – Jens Spahn hatte eine Idee: Geflüchtete, die irregulär in die EU eingereist sind, will er „binnen 48 Stunden“ nach Ruanda oder Ghana abtransportieren. Die Menschen würden dann nicht in deutschen Unterkünften leben, bis es zum Asylverfahren kommt – sondern in einem sogenannten Drittstaat. Ziel: Geflüchtete sollen abgeschreckt werden, sich überhaupt auf den Weg nach Deutschland zu machen. „Wenn wir das vier, sechs, acht Wochen lang konsequent durchziehen, dann werden die Zahlen dramatisch zurückgehen“, sagte der CDU-Co-Chef in einem Interview. Ist das denn wirklich so einfach? Nein, sagen Expertinnen und Experten und kritisieren Spahn scharf.
Aussage von Jens Spahn zu Geflüchteten „außerst kritisch“
Beim Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) hält man von einem solchen Vorgehen nicht viel. Der Rat besteht aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen und sieht sich als unabhängiges Gremium der Politikberatung. Spahns Vorstoß sehe man „äußerst kritisch“, heißt es auf Anfrage von IPPEN.MEDIA. . „Es wird nicht die eine schnelle Lösung geben“, so der SVR-Vorsitzende Hans Vorländer. Die Herausforderungen seien vielfältig. Offenbar ist es nicht so einfach, wie Jens Spahn sich das vorstellt.
„Die Verantwortung darf nicht ausgelagert werden“
Tatsächlich ist Spahns Idee nicht neu. Bund und Länder haben bereits eine Machbarkeitsstudie beschlossen, die prüfen soll, ob eine Verlagerung von Asylverfahren in sichere Transit- oder Drittstaaten möglich ist. Grundsätzlich sei eine enge Zusammenarbeit mit Drittstaaten bei dem Thema unerlässlich, so Vorländer. Aber: „Die Verantwortung darf nicht einfach ausgelagert werden, sondern muss geteilt werden.“
Gericht kippt Ruanda-Deal in Großbritannien
Vor allem juristisch gibt es zahlreiche Hürden für den Plan, Geflüchtete nach Ruanda abzuschieben. Das zeigt auch die Entwicklung in Großbritannien. Dort hatte die konservative Regierung einen Migrationsdeal mit Ruanda beschlossen, wie er Jens Spahn jetzt vorschwebt. Mitte November hatte das Oberste Gericht in London das Prozedere gestoppt. Es bestehe die Gefahr, dass die Menschen in Ruanda kein faires Asylverfahren in dem zentralafrikanischen Land bekämen.
Und es gebe noch weitere Hürden. Bevor man über solche Abkommen mit Drittstaaten nachdenke, müsse es eine Einigung innerhalb der EU geben: „Die Auslagerung von Asylverfahren setzt eigentlich voraus, dass die Asylpolitik in der EU grundlegend harmonisiert und solidarisch gestaltet wird“, so Vorländer. „Personen mit festgestelltem Schutzbedarf würden dann über einen gerechten Verteilschlüssel in der EU aufgenommen. Das ist nicht absehbar und im Übrigen auch nicht Teil der aktuellen Pläne zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems.“