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„Leben nicht mehr im Frieden“

Putins Cyberangriffe auf Deutschland: „Keine Kommune und kein Betrieb, die nicht Opfer geworden sind“

Putins hybride Kriegsführung gegenüber Europa nimmt weiter zu. Auch Deutschland steht im Fokus der Angriffe. Was tun?

Straßburg – Seit Donald Trumps Amtsübernahme in den USA gerät die europäische Sicherheitsarchitektur aus den Fugen. Die Rede des US-Vizepräsidenten J.D. Vance auf der Münchener Sicherheitskonferenz machte endgültig klar: Die Partnerschaft zwischen Europa und den USA bröckelt. Gleichzeit steigt die Gefahr einer Konfrontation zwischen der EU und Putins Russland. Die EU-Abgeordnete Lena Düpont (CDU) erklärte im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau wie die EU neben der Nato die Sicherheit ihrer Bürgerinnen und Bürger gewährleisten kann.

Die Nato ist – neben den nationalen Regierungen – der zentrale Akteur für die Verteidigung der westlichen Welt. Inwiefern kann die Europäische Union seine Bevölkerung vor äußeren Gefahren wie Russland unter Präsident Wladimir Putin schützen?
Nicht nur in den Nato-Verträgen gibt es eine Beistandspflicht im Falle eines Angriffes, sondern auch in den EU-Verträgen mit Artikel 42, Absatz 7. Zumindest würde ich den Artikel als Solidaritätsklausel bezeichnen, weil dort festgeschrieben ist: Die Mitgliedsländer müssen bei einem „bewaffneten Angriff auf das Hoheitsgebiet“ unterstützen. Diese Klausel wurde bisher einmal aktiviert während der Anschlagsserie der islamistischen Miliz „Islamischer Staat“, bei der 128 Menschen in Frankreich 2015 starben. Zwar ist die EU nicht primär ein militärischer Akteur, die Verträge geben aber alle Möglichkeiten der Unterstützung her – auch im Bereich der zivilen Sicherheit.
Die CDU-Europaabgeordnete Lena Düpont (Archivbild).
Wie kann diese Hilfe aussehen?
Ganz unterschiedlich. Ein wichtiger Bereich ist die Krisenvorsorge. Dabei geht es übrigens nicht nur um militärische Konflikte, sondern auch um Naturkatastrophen, die mit dem Klimawandel zunehmen werden. Die gemeinsame Unterstützung zwischen den europäischen Staaten wird in diesen Zeiten immer wichtiger. Und wir müssen noch viel lernen – beispielsweise bei der hybriden Kriegsführung.
Da spielt die Cybersicherheit eine wichtige Rolle, natürlich auch in der Nato. Im Verteidigungsbündnis kümmern sich die baltischen Staaten hauptverantwortlich um dieses Thema. Wie kann die EU ihre Bevölkerung besser vor Cyberangriffen schützen?
In den vergangenen Monaten hat die EU einige Gesetze für verbesserte Cybersicherheit verabschiedet: beispielsweise das Cyberresilienzgesetz. Damit sollen die Sicherheitsstandards von Produkten mit digitalen Komponenten erhöht werden. Ein noch wichtigeres Beispiel ist die NIS2-Richtlinie, mit der die Sicherheit von Netzwerk- und Informationssystemen geschützt werden soll. Jetzt ist es wichtig, dass die Mitgliedsstaaten diese Beschlüsse umsetzen. Ein wichtiger Sektor ist der Gesundheitsbereich, weil Einrichtungen wie Krankenhäuser besonders verletzlich sind.

Putins Russland attackiert Deutschland mit Cyberangriffen

Bei Cyberangriffen denken viele Menschen vermutlich eher an Attacken auf wichtige Einrichtungen der kritischen Infrastruktur.  
In Deutschland gibt es keine Kommune und keinen Betrieb, die nicht in irgendeiner Weise Opfer eines Angriffs geworden ist. Und diese Bedrohung wirkt sich sehr konkret auf das Leben der Menschen aus. Aus diesem Grund müssen wir auf EU-Ebene weitere Strategien gegen Cyberangriffe entwickeln. Sanktionen gegen Angreifer sind ein weiteres Instrument. Allerdings ist auch klar: Die Sicherheit der eigenen kritischen Infrastruktur muss jeder Mitgliedsstaat für sich ernstnehmen.

Promis, Premieren und Problemfälle: Das ist Ursula von der Leyens neue EU-Kommission

Informeller EU-Gipfel
Ursula von der Leyen (Deutschland): Von der Leyen ist zum zweiten Mal EU-Kommissionschefin. Eine ihrer wichtigen Aufgaben ist es, den EU-eigenen Institutionen Gewicht zu verleihen und Kompromisse zu finden – auch im Austausch mit den Staats- und Regierungschefs, im „EU-Rat“. Hier ist sie bei einem informellen Treffen in Budapest zu sehen; im EU-blauen Blazer. © Kay Nietfeld
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Kaja Kallas (Estland, Liberale): Sechs Kommissions-Vizepräsidentinnen und -präsidenten hat von der Leyen. Eine davon ist Kaja Kallas. Als Außenbeauftragte der EU ist ihr ohnehin eine besondere Rolle zugedacht. Die Estin gilt als vehemente Unterstützerin der Ukraine und Vertreterin eines harten Kurses gegenüber Wladimir Putins Russland. Ihr großes Ziel: Die 27 Staaten auf eine gemeinsame Position und Stimme zu einen. © Kay Nietfeld/dpa
Am Ende ist es gutgegangen: Italiens neuer EU-Kommissar Raffaele Fitto und Giorgia Meloni bei einer Militärparade.
Raffaele Fitto (Italien, EKR): Über die Personalie Fitto wurde im EU-Parlament heftig gestritten. Der Grund: Der Italiener gehört Giorgia Melonis Partei Fratelli d‘Italia an. Er ist der erste Politiker rechts der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), der Kommissions-Vizepräsident wird. Vorgeworfen wurden ihm unter anderem Voten zugunsten Ungarns im Rechtsstaats-Streit mit Viktor Orbán. Mit seinem Fach, der Regionalentwicklung in der EU, kennt sich Fitto aber recht gut aus. Er gehörte jedenfalls lange dem zugehörigen Ausschuss an.  © Luigi Mistrulli/picture-alliance/dpa/IPA/Zuma
Teresa Ribera Rodriguez (Spanien, Sozialdemokraten): Auch für Kommissions-Vizepräsidentin
Teresa Ribera Rodriguez (Spanien, Sozialdemokraten): Auch für Kommissions-Vizepräsidentin Teresa Ribera war die Bestätigung durch das EU-Parlament kein Spaziergang. Die neue Wettbewerbs-Kommissarin amtierte zuvor als Spaniens Ministerin für „ökologischen Umbau“. Die Konservativen im Land machten ihr Vorwürfe in Zusammenhang mit der Flutkatastrophe in Valencia. Vielleicht auch aus taktischen Erwägungen. Der Streit endete mit einem Kuhhandel: Die Sozialdemokraten ließen Fitto passieren, die EVP Ribera. © IMAGO/Belga
Stéphane Séjourné (Frankreich, Liberale)
Stéphane Séjourné (Frankreich, Liberale): Eher indirekten Theaterdonner gab es um die Nominierung von Industrie-Kommissar und Vizepräsident Sejourné. Eigentlich wollte Emmanuel Macron noch einmal Thierry Breton als Kommissar sehen. Breton hatte in Brüssel polarisiert, unter anderem mit seinem Einsatz für Atomkraft – von der Leyen bat um eine Alternative. Die wurde in Sejourné gefunden. Der amtierte zuvor einige Monate lang als Frankreichs Außenminister. © Kay Nietfeld/dpa/picture-alliance
Henna Virkkunen (Finnland, Konservative) kommissarin technische souveränität
Henna Virkkunen (Finnland, Konservative): Auch Finnland bekommt eine Vizepräsidentin. Von 2008 bis 2014 war Virkkunen Ministerin in der Heimat – nacheinander für Bildung, öffentliche Verwaltung und (kurz) auch Verkehr. Ab 2014 war die 1972 geborene Konservative EU-Abgeordnete und zuletzt Leiterin der finnischen Delegation in der konservativen EVP. Ihr neuer Posten hat durchaus Relevanz: Als Kommissarin kümmert sich Virkkunen um „Technische Souveränität, Sicherheit und Demokratie“ – Stichwort Cyberattacken und Desinformation. © IMAGO/Nicolas Landemard/Le Pictorium
Roxana Minzatu (Rumänien, Sozialdemokraten) Kompetenzen Vorsorge Kommissarin
Roxana Minzatu (Rumänien, Sozialdemokraten): „Menschen, Kompetenzen und Vorsorge“ sind die inhaltlichen Aufgaben der ersten rumänischen Vizepräsidentin in der Geschichte der Kommission. Kleinere Verstimmungen gab es eher zu ihrem Titel als zu ihrer Person: Einige Abgeordnete hätten gerne auch die Worte „Bildung“ und „Beschäftigung“ über ihrem Portfolio gesehen. In der Heimat war Minzatu schon Staatssekretärin und kurzzeitig Ministerin. Beide Male ging es auch um die Verteilung von EU-Mitteln. © Denis Lomme/EP
Andrius Kubilius litauen konservative verteidigungs kommissar eu
Andrius Kubilius (Litauen, Konservative): Erstmals gibt es einen EU-Verteidigungskommissar – bemerkenswerterweise kommt er wie die Außenbeauftragte aus dem Baltikum. Kubilius ist in seiner Heimat höchst bekannt. Und in Russland Persona non grata. Kubilius war Litauens Premier, Chef der konservativen Vaterlandsunion und später Berater des damaligen ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko. Der Kreml verhängte ein Einreiseverbot. © Philipp von Ditfurth/dpa/picture-alliance
Valdis Dombrovskis (Lettland, Konservative) kommissar eu wirtschaft
Valdis Dombrovskis (Lettland, Konservative): „Sie kennen mich“ hätte Dombrovskis (li.) den EU-Parlamentariern zurufen können – der dritte Balte im Reigen ist schon seit 2014 Kommissar. Zuerst war er für den Euro zuständig, dann für Wirtschaft, ab 2020 schließlich für Handel. Nun heißt sein Portfolio wieder „Wirtschaft“; hinzu kommt „Vereinfachung“. Dombrovskis kennt das Feld und auch viele Minister auf dem internationalen Parkett. Mit einem kleinen Dämpfer muss er aber leben: 2019 noch machte ihn von der Leyen zu einem ihrer Vize. Das ist nun passé. © IMAGO/Nicolas Landemard
Dubravka Šuica (Kroatien, Konservative) EU-Kommissarin bei einer Papst-Audienz
Dubravka Šuica (Kroatien, Konservative): Unter der schönen Überschrift „Neuer Schwung für die Europäische Demokratie“ war Šuica schon Mitglied der Kommission „von der Leyen I“ – Demokratie und Demografie lauteten ihre Aufgaben. Eine Privataudienz beim Papst (im Foto) stand auch auf dem Programm. Die Kroatin hat nun ein taufrisches Amt bekommen: Kommissarin für den Mittelmeerraum. Diesen Posten gab es seit den 90ern nicht mehr. Eng zusammenarbeiten wird Šuica wohl mit der Außenbeauftragten Kaja Kallas. Anders als die ist aber nicht (mehr) Vize-Präsidentin. © IMAGO/VATICAN MEDIA / ipa-agency.net
Hadja Lahbib kommissarin Katastrophenmanagement befragung brüssel belgien
Hadja Lahbib (Belgien, Liberale): Kritische Fragen musste sich Lahbib bei ihrer Befragung im Europaparlament anhören: Sie galt einigen Beobachtern als zu unerfahren – und hat mit „Resilienz und Krisenmanagement“ sowie „Gleichstellung“ ein gewichtiges Portfolio. Lahbib hatte zwar seit 2022 als belgische Außenministerium schon eine herausgehobene Position. Schon diese Nominierung war aber eine massive Überraschung. Lahbib arbeitete bis dahin als Journalistin und war Quereinsteigerin in die Politik. Beruflich hatte sie allerdings schon mehrfach aus Kriegs- und Krisengebieten berichtet. © Virginia Mayo/dpa/picture alliance
Maria Luís Albuquerque (Portugal, Konservative): Einen interessanten Posten hat Portugals Vertreterin erhalten:
Maria Luís Albuquerque (Portugal, Konservative): Einen interessanten Posten hat Portugals Vertreterin erhalten: Maria Luís Casanova Morgado Dias de Albuquerque ist Kommissarin für Finanzdienstleistungen und für die „Spar- und Investitionsunion“. In den schwierigen Jahren 2013 bis 2015 war die 57-Jährige Finanzministerin. Später wechselte sie zu den Finanz-Playern Arrow Global und Morgan Stanley. Die Finanzwirtschaft findet das gut – im Parlament sorgte es auch für Argwohn. Die Politikerin versprach nun, sie werde sich vor allem um finanzielle Stabilität kümmern. © IMAGO/Wiktor Dabkowski
Piotr Serafin (Polen, Konservative) Haushalt EU Kommission PO
Piotr Serafin (Polen, Konservative): Der Machtwechsel in Polen hat auch Folgen in Europa. Die letzten fünf Jahre kam Warschaus Kommissar aus der PiS. Der neue Regierungschef Donald Tusk sendet nun mit Serafin einen engen Vertrauten. Schon von 2008 bis 2010 war der – in zweiter Reihe – in polnischen Tusk-Kabinetten dabei. Als Tusk 2014 bis 2019 EU-Ratschef war, stand ihm Serafin als Büroleiter zur Seite. Er gilt als zuverlässiger Arbeiter. Nun soll er von der Leyens EU-Haushalt erst schmieden, dann zusammenhalten. © IMAGO/Wiktor Dabkowski
Dan Jørgensen (Dänemark, Sozialdemokraten) Energie wohnen eu kommission
Dan Jørgensen (Dänemark, Sozialdemokraten): Jørgensen war eine Art Megatalent der dänischen Politik: 2004 mit 29 ins Europaparlament gewählt, seit dem 38. Lebensjahr Minister. Seit 2019 war der Sozialdemokrat für Klimapolitik zuständig. In der Kommission kümmert er sich nun um „Energie und Wohnen“ – da gibt es jedenfalls Schnittpunkte. Als Dänemarks Vertreter folgt Jørgensen auf die prominente Wettbewerbspolitikerin Margrethe Vestager. © IMAGO/Thomas Traasdahl
Apostolos Tzitzikostas (Griechenland; Konservative) Kommissar Verkehr
Apostolos Tzitzikostas (Griechenland; Konservative): 2015 wollte Tzitzikostas Parteichef der konservativen Nea Dimokratia werden – und verpasste die Stichwahl. Das Rennen machte Kyriakos Mitsotakis. Er entsandte den Ex-Rivalen jetzt nach Brüssel, die Nominierung gilt als Wink an rechte Hardliner. Denn Tzitzikostas ist einerseits ein erfahrener Regionalpolitiker, hat andererseits aber schon für Trouble gesorgt; etwa mit einer freundlichen Haltung gegenüber der mittlerweile verbotenen faschistischen Partei „Goldene Morgenröte“. Lenken soll Tzitzikostas das eher unheikle Ressort Verkehr und Tourismus. © IMAGO/Nicolas Landemard/Le Pictorium
Ekaterina Sachariewa (Bulgarien; Konservative) kommission forschung startups innovation
Ekaterina Sachariewa (Bulgarien; Konservative): Sachariewa ist keine Unbekannte auf europäischem Parkett – das Foto zeigt sie 2020 als bulgarische Außenministerin mit den Amtskollegen Jean Asselborn (li.) und Luigi Di Maio. Ministerin für regionale Entwicklung und Justizministerin war Sachariewa auch schon. Kritiker – darunter die Organisation LobbyControl – sehen Verdachtsfälle fragwürdiger Amtsführung nicht ausgeräumt. So oder so darf sich Sachariewa jetzt in ein neues Feld einarbeiten: Start-ups, Forschung und Innovation.  © picture alliance/dpa/European Council
Michael McGrath (Irland, Liberale) kommissar justitz demokratie rechtsstaat
Michael McGrath (Irland, Liberale): Ein konservativer Liberaler kommt aus Irland nach Brüssel. McGrath hat sich in Dublin vor allem mit Finanzen befasst, auch als Minister. Das passte offenbar ganz gut: Er hat zuvor unter anderem als Wirtschaftsprüfer gearbeitet. Das Portal „Politico“ beschreibt McGrath als Freund harter Arbeit und eher scheu gegenüber strategisch-taktischen Politikspielen. Der siebenfache Vater amtiert nun als Kommissar für Demokratie, Justiz und Rechtsstaatlichkeit. Zumindest ein wenig kontrovers wirkten dabei McGraths Skepsis gegenüber gleichgeschlechtlicher Ehe und liberalem Abtreibungsrecht. © IMAGO/Nicolas Landemard/Le Pictorium
Magnus Brunner (Österreich, Konservative) oevp kommissar migration
Magnus Brunner (Österreich, Konservative): Mitte August 2024 waren Brunner (Mi.) und Christian Lindner (2.v.r.) noch Finanzminister-Amtskollegen. Ende des Jahres ist der Österreicher bereits EU-Kommissar und Lindner einfacher Abgeordneter. Gemütlicher hatte es ÖVP-Mann Brunner daheim aber auch nicht: Erst kurz vor der Nationalratswahl im September veröffentlichte er nach oben korrigierte Defizitzahlen – ein Eklat. Trotzdem ist er in Brüssel nun für ein Großthema verantwortlich: Inneres und Migration. Eher überraschend votierten dabei auch die Sozialdemokraten für Brunner. © Gian Ehrenzeller/picture alliance/dpa/KEYSTONE
Jessika Roswall (Schweden, Konservative) eu kommissarin umwelt
Jessika Roswall (Schweden, Konservative): Mit der EU hatte Roswall schon vor ihrer Nominierung als Kommissarin zu tun. Ab 2019 war sie EU-politische Sprecherin der schwedischen Moderater, ab Oktober 2022 sogar Ministerin für EU-Angelegenheiten. Nicht ganz so firm schien die Juristin bei ihrer Parlamentsbefragung zum neuen Metier zu sein: Umwelt, Wasser und Kreislaufwirtschaft. Bei den Antworten zu letzterem Gebiet waren die Abgeordneten noch zufrieden. An den umweltpolitischen Kenntnissen gab es hörbare Zweifel, wie unter anderem „Euractiv“ berichtete. © IMAGO/Mikaela Landeström/TT
Christophe Hansen (Luxemberg, Konservative) landwirtschaft kommissar
Christophe Hansen (Luxemberg, Konservative): Hansen ist ein Kind der EU – jedenfalls beruflich. 2007, mit Mitte 20, wurde er Mitarbeiter der Abgeordneten Astrid Lulling. Fortan bekleidete er verschiedene Funktionen rund um das Thema EU, meist aus Luxemburger Perspektive. Seit 2019 ist Hansen Parlamentarier, seit 2022 als „Quästor“ Verbindungsmann zwischen Parlamentsverwaltung und Abgeordneten. Hansen hat mit dem Thema Landwirtschaft ein auch finanziell gewichtiges Ressort erhalten. Als Handels- und Umweltpolitiker hatte er schon mit einigen Aspekten zu tun. © IMAGO/Dwi Anoraganingrum
Wopke Hoekstra (Niederlande, Konservative) kommission von der leyen klima shell
Wopke Hoekstra (Niederlande, Konservative): Hoekstra ist eine Konstante in von der Leyens Kommission. Er behält die Zuständigkeit für das Klima – allerdings hatte er das Amt auch erst im Oktober 2023 von Frans Timmermans übernommen. Für Unruhe sorgte, dass Hoekstra seine berufliche Karriere just beim Öl-Riesen Shell begonnen hatte. In seinem Lebenslauf steht auch Minister-Erfahrung – fünf Jahre war Hoekstra Finanz-Ressortchef, 21 Monate lang Außenminister. Kritiker meinen, der Niederländer sei eher Experte für die steuerlichen Dimensionen seines Amtes. Die Bestätigung des Parlaments erhielt er 2024 dennoch nahezu geräuschlos. © IMAGO/Dominika Zarzycka/SOPA Images
Glenn Micallef (Malta, Sozialdemokraten) kommissar kommission bruessel jugend sport kultur
Glenn Micallef (Malta, Sozialdemokraten): Auch Brüssel-Insidern dürfte dieser Name kaum geläufig gewesen sein. Bis Sommer 2024 war Micallef vier Jahre lang Stabschef des maltesischen Premiers Robert Abela – zuvor kümmerte er sich um die Brexit-Vorbereitungen des Landes. Nun wird sich der jüngste Kommissar um die Themen Jugend, Kultur und Sport kümmern.  © IMAGO/Nicolas Landemard/Le Pictorium
Costas Kadis (Zypern, parteilos) kommissar fischerei eu leyen
Costas Kadis (Zypern, parteilos): Noch ein Ex-Minister in Ursula von der Leyens Kabinett: Kadis war von 2014 bis 2018 Kultusminister und von 2018 bis 2023 Agrarminister Zyperns. Außerdem ist er Professor der Naturschutzbiologie. Dass Kadis mit dieser Vorerfahrung für den Inselstaat Kommissar für „Fischerei und Ozeane“ wird, wirkt recht plausibel. Aus dem Parlament gab es dann auch breite Zustimmung. Allerdings ist das Ressort ungewöhnlich klein – seit 2014 war das Fischerei-Portfolio mit Umweltschutzbelangen verknüpft, bis 2004 meist mit dem Ressort Landwirtschaft. © Nicolas Landemard/IMAGO/Le Pictorium
Jozef Síkela (Tschechien, Konservative) handel kommission eu
Jozef Síkela (Tschechien, Konservative): Der Herr links ist der neue EU-Kommissar für „Internationale Partnerschaften“. Verträge gestaltet hat Síkela bereits: Als Prags Industrie- und Handelsminister – und sicher auch in 25 Jahren Karriere im Bankenwesen. Deals schließen ist weiterhin die Marschroute. Síkela soll die „Global Gateway Initiative“ voranbringen, das EU-Pendant zu Chinas „Neuer Seidenstraße“. Er geißelte in seiner Parlamentsanhörung „Neokolonialismus“ aus China und Russland. Zu Sikelas Aufgaben werden aber wohl auch Migrationsabkommen gehören. © Britta Pedersen/dpa/picture alliance
Marta Kos (Slowenien, parteilos) kommissarin erweiterung ukraine
Marta Kos (Slowenien, parteilos): Jugoslawische Schwimmmeisterin, Rundfunk-Korrespondentin in Deutschland, slowenische Regierungssprecherin, Chefin der Handelskammer, Botschafterin in Berlin und Bern – Marta Kos hat eine bewegte Biografie. Nur mit einer Präsidentschaftskandidatur scheiterte die Ex-Diplomatin 2022. Und verließ dann wenig später auch die liberale „Freiheitspartei“. Deren Regierungschef Robert Golob hat sie jetzt doch wieder nominiert, wenn auch im zweiten Anlauf: Im Frühjahr lehnte Kos laut „Politico“ einen Sprung nach Brüssel noch ab. Als im Spätsommer Alternativkandidat Tomaž Vesel das Handtuch warf, sagte sie doch zu. Als Kommissarin für Erweiterung (inklusive der östlichen Nachbarn und dem Wiederaufbau der Ukraine) hat Kos eine komplexe Aufgabe vor sich. © Ilaria Rota/EP
Olivér Várhelyi (Ungarn, parteilos): gesundheit orban eu kommission
Olivér Várhelyi (Ungarn, parteilos): Bislang war Olivér Várhelyi Kommissar für die EU-Erweiterung. In der Kommission „von der Leyen II“ soll(te) er sich um Gesundheit und Tierschutz kümmern. Das war dem Parlament aber in Teilen zu heikel. Um nicht den gesamten Prozess zu torpedieren, wurde der Ungar durchgewunken, einzelne Kompetenzen dafür entzogen. Sexuelle Diskriminierung und Selbstbestimmung etwa fallen weg, genauso wie Pandemievorsorge. Várhelyi ist zwar parteilos, gilt aber als Gefolgsmann Viktor Orbáns. Er hatte sich ausweichend zum Recht auf Abtreibung geäußert. © Christoph Soeder/dpa/picture alliance
Ein zurzeit sehr bekanntes Beispiel der hybriden Kriegsführung sind die – wohl durch Russland – zerstörten Kabel in der Ostsee. Was kann die Europäische Union gegen Putins Schattenflotte ausrichten?
Die Kontrolle und Überwachung des Gebiets sehe ich im militärischen Bereich – also vorrangig bei der Nato. Allerdings wird der Schutz der kritischen Infrastruktur ein Teil der neuen EU-Strategie zur Inneren Sicherheit sein, indem die Union unterschiedliche Akteure sinnvoll zusammenbringt, um die Kommunikations- und Operationsfähigkeit sicherzustellen. Zudem kann die EU weitere Sanktionen beschließen und den wirtschaftlichen Druck erhöhen. In einem Bereich sehe ich noch enormes Potenzial.

EU und Russland befinden sich nicht mehr im Frieden

In welchem?
Der europäischen Bevölkerung muss noch deutlicher klar werden, dass wir uns zwar noch nicht in einem Krieg mit Russland befinden. Aber: Wir leben nicht mehr im Frieden. Die Bürgerinnen und Bürger werden mehr Eigenverantwortung wahrnehmen müssen – beispielsweise, wie man sich selbst vor Desinformationen besser schützen kann oder eigene Krisenvorsorge betreibt. Das beginnt bei der Frage von Bevorratung lebenswichtiger Dinge wie Medikamente und Lebensmittel, geht über die Auffrischung Erster-Hilfe-Kenntnisse, aber auch in die Auseinandersetzung mit Krisen- und Kriegsszenarien. Wo sind meine wichtigsten Dokumente? Was bedeutet welcher Sirenenton und wo kann ich im Ernstfall Schutz suchen? Das ist nicht angenehm, trägt aber entscheidend zur eigenen Resilienz bei.  
Noch heute wird über den Begriff „Kriegstüchtigkeit“ von Verteidigungsminister Boris Pistorius diskutiert. Haben wir Deutsche überhaupt verstanden, dass sich die Zeiten radikal verändert haben?
Natürlich muss sich unsere Gesellschaft noch viel resilienter entwickeln. Mit Privatpersonen war ich bisher nachsichtiger. Wer setzt sich schon gerne mit den beängstigenden Umbrüchen unserer Zeit auseinander? Sich selbst mit den neuen Gefahren und Bedrohungen zu konfrontieren, ist nicht einfach. Aber von den politisch Verantwortlichen erwarte ich deutlich mehr. Wir müssen uns auf alle Szenarien vorbereiten – idealerweise, damit sie niemals eintreten. Sinnvollerweise in der Zusammenarbeit zwischen EU, Nato und allen Mitgliedsstaaten.

Möglicher Krieg mit Russland: Europa vor Problemen – „Schon Feuerwehrschläuche passen nicht“

Was bedeuteten die Veränderungen für Deutschland?
In Deutschland müssen wir unsere föderalistische Staatsstruktur im Blick haben. Wenn ein Notfall eintritt, stellen sich die Fragen: Was kann der Bund machen? Wie reagieren die Länder und Kommunen? Auch zivilgesellschaftliche Akteure wie Hilfsorganisationen spielen eine große Rolle. Und ich frage mich: Wissen alle, was sie im Zweifelsfall tun müssen? Ich glaube, dass wir noch viele Herausforderungen vor uns haben. Als Europäerin weiß ich, dass wir Deutsche hier viel von den Finnen, Schweden und Balten lernen können.
Jetzt haben wir viel über den zivilen Sektor gesprochen. Wie kann die Union die militärischen Einsätze nationaler Armeen erleichtern?
Ein wichtiger Bereich ist die Infrastruktur. Die EU muss Mobilitätshindernisse erkennen und beseitigen. Das ist besonders mit Blick auf Deutschland wichtig. Ein Großteil der militärischen Mobilität führt über deutsche Straßen und Brücken. Ihre Tragfähigkeit muss gesichert sein. Wir haben das Potenzial von transeuropäischen Verkehrsnetzen wie Zugschienen und Autobahnen noch nicht ausgeschöpft. Und wir müssen alle bürokratischen Verwaltungshürden abbauen.
Und sicherlich könnte die EU dabei helfen, den europäischen Rüstungsmarkt zu stärken.
Ja, ein Großteil der jetzigen Politiken betrifft den Binnenmarkt für Verteidigungsgüter. Parallel dazu müssen vorhandene Systeme aneinander angepasst werden, damit sie von verschiedenen Armeen genutzt werden können. Übrigens gilt das nicht nur für die militärische Seite, sondern auch für die zivile. Ein Beispiel ist die tragische Flutkatastrophe in Ahrtal. Unsere Nachbarn konnten uns aus einfachsten Gründen nicht so effektiv unterstützen, weil die Einsatzkräfte feststellen: Die Schläuche der einen Feuerwehr passen grenzüberschreitend nicht zu den Schläuchen der anderen. Solche Erkenntnisse will ich nicht erst im Ernstfall gewinnen. (Interview: Jan-Frederik Wendt)

Rubriklistenbild: © IMAGO / ZUMA Press Wire

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