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NATO-Länder mit eigener Strategie

„Bei Bedarf drastische Maßnahmen ergreifen“ – Norwegen bereitet Gesundheitssystem auf Kriegsszenario vor

Das deutsche Gesundheitssystem wäre im Kriegsfall überfordert. Ein Blick in nordische Länder kann Aufschluss über nötige Maßnahmen bringen.

Es ist ein Szenario, über das viele Jahre lang niemand ernsthaft nachgedacht hat. Doch spätestens seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine wird die Frage in Westeuropa immer lauter: Was, wenn Putin angreift? Russland stockt seine Kriegsreserven schneller wieder auf als gedacht. Beobachter sprechen von einem „Weckruf“.

Die Bundesregierung hat längst reagiert, ein Sondervermögen soll die Bundeswehr stärken. Indes: Das Gesundheitssystem würde im Kriegsfall schnell zusammenbrechen, beklagte jüngst das Deutsche Rote Kreuz im Gespräch mit IPPEN.MEDIA. Deutschland sei nicht ausreichend auf einen hypothetischen Kriegsfall oder eine andere große Krise vorbereitet.

NATO-Länder Norwegen, Schweden, Finnland: Auf Angriff durch Putin vorbereitet

Norwegens Verteidigungsminister Bjørn Arild Gram (Mitte) mit Vertretern von KNDS und Ritek: Norwegen hat im Juni 54 Panzer in Deutschland bestellt. Spezialisten sollen sie vor Ort montieren. Das Land im Norden bereitet sich vor: „Russland ist die größte Bedrohung für die norwegische und europäische Sicherheit“, sagt Minister Gram.

Vorbild könnte Europas hoher Norden sein. Die NATO-Länder Finnland, Schweden und Norwegen haben unter dem Stichwort „Total Defence“ schon vor Jahren Verteidigungsstrategien entwickelt, die auch den Zivilschutz miteinbeziehen. Vor allem Norwegen, das eine gemeinsame Grenze mit Russland hat und lange Zeit Wert auf eine gute Beziehung zum Nachbarn legte, gibt sich inzwischen wehrhaft. „Russland ist die größte Bedrohung für die norwegische und europäische Sicherheit“ sagte Norwegens Verteidigungsminister Bjørn Arild Gram vor wenigen Monaten im Interview mit unserer Redaktion deutlich. Bis 2036 will die Regierung 600 Milliarden Kronen mehr für die Verteidigung ausgeben, das entspricht über 50 Milliarden Euro. Das NATO-Zwei-Prozent-Ziel, das eigentlich erst für 2026 angepeilt war, ist damit schon jetzt erreicht.

Das „Total Defence“-Konzept betrifft auch das Gesundheitssystem, wie Usman Ahmad Mushtaq, Staatssekretär im norwegischen Ministerium für Gesundheit und Pflege, IPPEN.MEDIA sagt: „Wir müssen unsere Kapazitäten für den Umgang mit gesundheitlichen Notfällen jedoch weiter stärken, um sicherzustellen, dass wir auf künftige Krisen besser vorbereitet sind.“

Industriepark Raufoss: Wo Spezialmunition für die Ukraine und Autoteile produziert werden

Ein zugefrorener See in Norwegen nördlich von Oslo
Raufoss liegt zwischen dichten Wäldern und großen Seen – gut 130 Kilometer nördlich der norwegischen Hauptstadt Oslo.  © Peter Sieben
Ein rotes Haus mit Holzfassade in der Dämmerung im Schnee
Bunte Häuser mit Holzfassaden säumen die Straßen. © Peter Sieben
Ein Straßenschild in Raufoss in Norwegen und ein Haus im Schnee
„Verteidigungsausrüstung“ steht auf dem Schild über dem Logo von Rüstungsproduzent Nammo. Wer durchs idyllische Städtchen Raufoss schlendert, rechnet nicht damit, dass direkt neben an ein bedeutender Industriepark liegt, in dem auch Munition für die Ukraine produziert wird.  © Peter Sieben
Øivind Hansebråten, CEO vom Raufoss Industriepark in Norwegen
Øivind Hansebråten ist CEO vom Raufoss Industriepark, einem der bedeutensten in Norwegen. Im Vergleich zu deutschen Parks ist er recht überschaubar. „Ich weiß, in Deutschland ist alles größer, aber für uns ist das schon ganz gut“, sagt Øivind und grinst. Dafür geht es hier recht familiär zu. © Peter Sieben
Emma Østerbø im Catapult Centre in Raufoss
Know-how wird im Industriepark geteilt: Emma Østerbø ist General Manager beim Raufoss Katapult Center. Hier können Start-Ups Prototypen testen.  © Peter Sieben
Gebäude von Benteler im Raufoss Industriepark in Norwegen
Im Raufoss Industriepark gibt es auch ein großes deutsches Unternehmen: der Autozulieferer Benteler. Dabei sind die Löhne hier höher als in Deutschland. Aber: Das Unternehmen nutzt hier auch norwegisches Know-How, um Automationsmechanismen zu testen.  © Peter Sieben
Mitarbeiter von Benteler in Raufoss in Norwegen
In den Produktionshallen von Benteler arbeiten pro Schicht nur zwei bis drei Menschen – das meiste läuft automatisiert. Das hat zwei Gründe: Fachkräfte sind Mangelware, im riesigen Norwegen leben vergleichsweise wenige Menschen. Und: Die Löhne für Fachkräfte sind hoch. Viele Unternehmen setzen auf Automation.  © Peter Sieben
Das moderne Verwaltungsgebäude von Nammo in Raufoss in Norwegen
Das moderne Verwaltungsgebäude von Nammo: Der Rüstungskonzern und Produzent von Spezialmunition gehört zu den ganz großen und zentralen Unternehmen im Industriepark.  © Peter Sieben
Eine Backstein-Werkshalle von Nammo im Raufoss-Industriepark in Norwegen
Eine der Werkshallen von Nammo: Im Raufoss Industriepark gibt es zahlreiche renovierte historische Gebäude.  © Peter Sieben
Nammo-Munitionsfabrik in Raufoss in Norwegen
Fotos dürfen in der Munitionsfabrik nur an einer einzigen Stelle gemacht werden. Damit keine sensiblen Informationen nach außen dringen, gelten strenge Sicherheitsregeln.  © Peter Sieben
Ein Arbeiter an einer Maschine in der Munitionsfabrik von Nammo in Raufoss in Norwegen
Präzision hat eine hohe Priorität: Mithilfe von Robotern und Computertechnik werden die Projektile gefertigt.  © Peter Sieben
Thorstein Korsvold (links), Pressesprecher von Nammo, im Gespräch mit Redakteur Peter Sieben.
Thorstein Korsvold (links), Pressesprecher von Nammo, im Gespräch mit Redakteur Peter Sieben.  © Ippen.Media
Thorstein Korsvold, Pressesprecher von Nammo, stemmt eine Stahlhülse
Thorstein Korsvold stemmt eine der fertigen Hülsen, die zu Projektilen weiterverarbeitet werden: „Wiegt locker 30 bis 40 Kilo.“ Das meiste, das sie hier produzieren, geht an die ukrainischen Streitkräfte. So werden hier Rohlinge für M72-Panzerabwehrmunition gefertigt, die von ukrainischen Soldaten massenhaft verschossen werden. „Wir sind stolz auf unsere Produktion“, sagt Thorstein. „Aber es hat alles zwei Seiten. Wenn unser Geschäft besonders gut läuft, hat das düstere Gründe.“  © Peter Sieben

„Total Defence“ betrifft auch das Gesundheitssystem im Fall einer Attacke durch Russland

Die norwegischen Gesundheitsdienste seien auf Notfälle vorbereitet und verfügten über die entsprechende Ausbildung und Erfahrung im Umgang mit Massenopfern, so der Arbeiterpartei-Politiker. In einem Whitepaper hatte das Gesundheitsministerium bereits 2023 konkrete Maßnahmen formuliert. Denn: Militärische Konflikte seien komplexer und ihr Management unterscheide sich von nichtmilitärischen Krisen oder Sicherheitskrisen deutlich, so Mushtaq. „Es kann notwendig sein, alle verfügbaren Gesundheitsressourcen in Norwegen einer gemeinsamen nationalen Verwaltung zu unterstellen, um die verfügbaren Ressourcen wie Personal, Transportmittel, Land, Arzneimittel und Ausrüstung bestmöglich zu nutzen und zu koordinieren.“

Usman Ahmad Mushtaq ist Staatssekretär im norwegischen Gesundheitsministerium.

Das werde sowohl private als auch öffentliche Dienstleister einschließen. „Das Gesundheitsvorsorgegesetz und andere Gesetze zur Gesundheits- und Notfallvorsorge enthalten die notwendigen rechtlichen Bestimmungen, um bei Bedarf solche drastischen Maßnahmen zu ergreifen“, erklärte der Staatssekretär.

NATO-Land Schweden übt Logistik: Falls Putin angreift

Auch in Schweden lautet das Stichwort „totalförsvar“, „Komplettverteidigung“ – die eben nicht nur das Militär betrifft. Besonders seit 2020 steht die „zivile Bereitschaft“ im Fokus, wie eine Sprecherin der zuständigen Regierungsbehörde „Socialstyrelsen“ IPPEN.MEDIA erklärt. Einerseits geht es dabei um Vorräte an Schutzausrüstung und medizinischem Gerät, um zentral koordinierte Notfallpläne in den Regionen und Kommunen, um ein Investment-Programm für Krankenhäuser. Anderseits um Modelle zur „Priorisierung der Gesundheitsversorgung im Fall von knappen Ressourcen“, wie die Behörde erklärt. Bittere Debatten um „Triage“ hallen in Deutschland noch aus Corona-Tagen nach. In einem Kriegsfall könnte sie auf größerer Ebene relevant werden.

Schweden arbeitet weiter an seinem Konzept. Anfang September hat das noch recht frische Nato-Mitglied erstmals im eigenen Land ein Manöver geleitet. Es hieß „CAMO24“ – und betraf weniger Panzerbewegungen, denn medizinische und logistische Fragen: Geübt wurde eine Massenevakuierung samt Versorgung der Betroffenen. Im Oktober findet in der zweitgrößten Stadt Schwedens, Göteborg, zudem eine „nationale Katastrophenmedizin-Konferenz“ statt. Auch hier geht es um „Patientenströme“ und medizinische Versorgung im Nato-Rahmen, um „Lehren aus dem Ukraine-Krieg“. Und um ein typisch nordisch weitgedachtes Thema: „mentale Gesundheit“ als Teil der Komplettverteidigung.

Finnland hat Verteidigungskapazitäten nie reduziert

Finnland wiederum hatte als einziges Land der Ostseeregion seine Verteidigungskapazitäten ohnehin nie reduziert. Auch nicht nach dem Ende des Kalten Kriegs. Im Falle eines Angriffs könnten Streitkräfte eine Reservistenreserve von 280.000 Personen mobilisieren, bei gerade einmal 5,5 Millionen Einwohnern.

Rubriklistenbild: © Ole Håkon Ostby/dpa

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