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IPPEN.MEDIA-Interview
„Trumps Zölle treffen Deutschland am härtesten“
Trumps Zölle beantwortet die EU mit Gegenzöllen. Bernd Lange, Vorsitzender des EU-Ausschusses für Handel, sieht Europa bereits im Handelskrieg.
Straßburg/Washington – Nach seinen Drohungen hat Donald Trump erste Fakten geschaffen: Ab dem 12. März erheben die USA Zölle auf europäische Stahl- und Aluminiumwaren. Die EU kündigte bereits Gegenzölle auf zahlreiche Produkte an. Der Vorsitzende des EU-Ausschusses für den internationalen Handel, Bernd Lange, rechnet im exklusiven IPPEN.MEDIA-Interview mit einer weiteren Eskalation in den transatlantischen Handelsbeziehungen.
Als Vorsitzender des EU-Handelsausschusses stehen Sie regelmäßig in Kontakt mit Unternehmen. Was berichten die Geschäftsleute Ihnen in persönlichen Gesprächen? Hat die Wirtschaft Angst vor Donald Trump und einem Einschnitt in den Handelsbeziehungen mit den USA?
Ja klar, weil niemand weiß, was er genau machen wird. Dass Trump nun erhöhte Zölle in der Stahl- und Aluminiumbranche festgelegt hat, ist eine Hausnummer. Sollten später weitere Zölle in anderen Bereichen folgen, wäre das eine wirtschaftliche Bedrohung für europäische Unternehmen. Ein paar große Firmen können in den USA investieren und somit Zölle umgehen – was bereits passiert – aber viele andere Unternehmen können das eben nicht. Für die Arbeitsplätze sind solche Entwicklungen nicht gut. Insofern gibt es viele Sorgen.
Die US-Zölle sollen am 12. März in Kraft treten. Wie hart werden sie Europa und Deutschland treffen?
Bei den Stahlprodukten kann man das noch nicht sagen. Zuletzt lieferte Europa jährlich vier Millionen Tonnen Stahl in die USA – davon kam rund eine Million aus Deutschland. Damit steht fest: Trumps Zölle treffen Deutschland am härtesten. Hinzu kommt, dass sich die meisten Stahlwerke in Deutschland eh nicht in einer rosigen Situation befinden. Wenn sich die Umsätze analog zu den Stahlzöllen aus Trumps erster Amtszeit entwickeln, dann würden die Umsätze um die Hälfte einbrechen. Ob jetzt unmittelbar Arbeitsplätze in Gefahr sind, weiß ich nicht. Aber klar ist: Die Stahlbranche wird nun zusätzlich enorm belastet.
EU beantwortet Trumps Zölle mit Gegenzöllen auf zahlreiche Produkte
In seiner ersten Amtszeit begründete er seine Entscheidung mit der nationalen Sicherheit. In den USA gibt es ein Gesetz aus der 1960er-Jahren, mit dem der US-Präsident Zölle erheben kann, um die nationale Sicherheit zu gewährleisten. Dabei geht es primär um den Schutz von Arbeitsplätzen, wobei keine wissenschaftliche Untersuchung nachweisen kann, dass Zölle die Arbeitsplätze schützen. In den USA gab es zuletzt auch keinen Stellenabbau in der Stahlindustrie. Aber das ist eben Trumps Argumentationslinie.
Die Trump-Dynastie: Alle Mitglieder und ihre Rollen in der „First Family“
Sein Narrativ verkauft sich gut bei den Wählerinnen und Wählern.
Genau, beispielsweise im Swingstate Michigan, wo die US-amerikanische Industrie zuhause ist.
Die EU will mit Gegenzöllen reagieren. Auf welche Produkte?
Dabei handelt es sich um Gegenzölle, die wir bereits 2019 als Reaktion auf Trumps damalige Zölle beschlossen hatten. Diese hatten wir während der US-Regierung unter Joe Biden als Friedensvereinbarung ausgesetzt. Nun werden die EU-Zölle am 1. April erneut in Kraft treten. Die Liste mit den betroffenen Produkten ist mehrere Din-A4-Seiten lang, der gesamte Wert liegt bei etwa 2,8 Milliarden Euro. Es geht um Produkte wie Motorräder mit einer Leistung ab 500 Kubikzentimeter – also insbesondere der Marke Harley Davidson –, Jeanshosen, Erdnussbutter und Whiskey-Sorten.
EU-Abgeordneter Lange: USA und Europa sind im Handelskrieg
Warum haben Sie sich für diese Produkte entschieden?
Aus drei Gründen: Erstens besitzen diese Waren enormen Symbolcharakter und zweitens tun unsere Zölle in bestimmten US-Regionen wirklich weh. Drittens sollen unsere Erhebungen den Schaden der US-Zölle ausgleichen.
Befürchten Sie weitere US-Zölle und einen Handelskrieg mit den USA?
USA und Europa befinden sich ab sofort in einem Handelskrieg, weil eindeutig Regeln der Welthandelsorganisation missachtet werden. Und wir müssen mit einer weiteren Eskalation rechnen, weil niemand sagen kann, was Trump noch so im Schilde führt. Auf seinem Flug zum Super Bowl hat er bereits von möglichen Zöllen auf Autos, Halbleiterchips und Pharmaprodukte gesprochen. Insofern befürchte ich, dass Trump weiter eskalieren wird.
Wie kann Europa diese Eskalationsspirale verhindern? Die Europäer wollen stärker auf Verhandlungen setzen, na klar. Aber was heißt das konkret?
Für seine ökonomische Begründung bezieht sich Trump auf das US-Handelsdefizit gegenüber der EU, also rund 200 Milliarden Dollar.
US-Zölle gegen die EU: Trumps Rechnung ist schief
Wobei seine Rechnung schief ist. Er bezieht sich auf den Güterhandel und lässt den Dienstleistungssektor außen vor.
Genau. Wenn wir das Defizit der Dienstleistungen in der Europäischen Union im Wert von 100 Milliarden gegenrechnen – und zudem die Investitionen in den USA miteinbeziehen – dann reduziert sich das vermeintliche US-Defizit sehr deutlich. Daher ist Trumps Betrachtung unfair.
Aber was soll das bringen? Wenn man Trump diese Rechnung vorlegt, wird er seine Verdrehung der Tatsachen nicht eingestehen.
Dennoch sollten wir damit argumentieren. Und voraussichtlich werden wir verstärkt Güter in verschiedenen Bereichen kaufen – beispielsweise Flüssiggas. Das hätte den Vorteil, dass wir uns noch stärker unabhängig von russischen Energien machen. Zudem könnte die EU noch mehr militärische US-Güter importieren. Und wir können schauen, ob man sich im Bereich bestimmter Zölle stärker annähert.
Gibt es neben Flüssiggas und militärischen Importen weitere Güter, die Europa von den USA kaufen kann?
Die politischen Einflussmöglichkeiten sind begrenzt. Wir können Unternehmen ja nicht zwingen, US-Waren zu kaufen. Andere Bereiche zu finden, um das Defizit signifikant zu verringern, wird schwierig.
Trump schafft Agentur für ausländische Einnahmequellen
Oft heißt es: Bei einem Handelskrieg gibt es nur Verlierer. Allerdings sagen vermehrt europäische – auch deutsche – Unternehmer, dass sie mittelfristig weniger in Europa und stärker in den USA investieren, um die US-Zölle zu umgehen. Geht Trumps Rechnung also doch auf?
Das ist in der Tat eine kreative Idee: Mit Zöllen den eigenen Markt abschotten, um Investitionen ins Land zu holen und diese Güter dann noch zu exportieren. Obwohl ich nicht weiß, ob diese Strategie aufgeht – vor allem hinsichtlich der erhofften Exporte. Europa muss wettbewerbsfähig bleiben, indem wir Investitionen fördern, Kreditvergaben verbessern und Bürokratie abbauen.
Wie passen Trumps Zölle zu seinem Wahlversprechen? Immerhin versprach er seinen Wählerinnen und Wählern, die Lebenskosten zu senken?
Das ist eine spannende Frage, weil die meisten Menschen ihn wegen dieses Versprechens gewählt haben. Er hat eine neue Agentur ins Leben gerufen – sozusagen die Agentur für ausländische Einnahmequellen. Dort kommt das Geld aus den Zöllen an, mit denen Trump Steuern senken könnte oder etwas anderes tun, um inflationäre Tendenzen auszugleichen. Und ich glaube, dass ihm kurzfristige Preissteigerungen egal sind.
EU-Experte Lange über Zölle: Europa darf sich von Trump nicht erpressen lassen
Die Schuld für höhere Kosten könnte er – wie so oft – anderen in die Schuhe schieben, beispielsweise der Biden-Regierung.
Das ist zu befürchten.
In anderen Interviews erwähnten Sie, dass Trump Zölle nicht nur als ökonomisches Instrument nutzen könnte, sondern als politisches Druckmittel – unter anderem um Regeln im digitalen Bereich wie Datenschutz im Sinne seines Kumpels Elon Musk zu verändern. Darf sich das Europa gefallen lassen?
Auf keinen Fall. Dieses Vorgehen ist ein großer Unterschied zu Trumps erster Amtszeit. Das haben wir jetzt bereits mehrfach beobachtet – unter anderem bei den angedrohten und teilweise verabschiedeten Zöllen gegenüber Mexiko, Kanada, China und Kolumbien. Ich könnte mir vorstellen, dass Trump bald sagt: Ich erhebe 25 Prozent auf europäische Autos, wenn die Nato-Staaten nicht fünf Prozent in die Verteidigung investieren. Das dürften wir uns nicht bieten lassen und müssten hart reagieren – zum Beispiel mit ruhenden Patentrechten, Marktzugangsbeschränkungen für US-Unternehmen oder weniger öffentlichen Beschaffungen. Aber das wäre eine erhebliche Eskalation, die wir vermeiden wollen. (Interview: Jan-Frederik Wendt)