Widerstand zwecklos?
„Kampf gegen Windmühlen“? Unterreit zeigt sich mit Kritikern am Windpark Taufkirchen solidarisch
„Wir werden es nicht aufhalten können“, vermutet der Unterreiter Gemeinderat. Doch auch wenn er den Widerstand gegen den Windpark Taufkirchen als „Kampf gegen Windmühlen“ sieht, will er die Anlieger auf Gemeindegebiet in ihrem Protest unterstützen. Wie das klappen soll und wie es nun weitergeht.
Unterreit – Dass für eine Gemeinderatssitzung zunächst einmal weitere Stühle für die fast 30 Zuhörer in den Saal getragen werden mussten, überraschte wenig, stand doch mit den geplanten Windenergieanlagen im Gemeindegebiet von Taufkirchen das große Reizthema für viele auch in der Nachbargemeinde Unterreit auf der Tagesordnung.
Ja zu Agri-Park in Grünthal
Der volle Umfang der Problematik wurde nicht zuletzt dadurch deutlich, dass zuvor noch zu einer weiteren Anlage zur alternativen Stromerzeugung Stellung zu nehmen war. Ein Landwirt aus der Gemarkung Grünthal möchte auf vier seiner Grundstücke eine „Agri-Photovoltaik-Freiflächenanlage“ errichten. Da es sich ausnahmslos um Grünflächen handelt und das Vorhaben im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem landwirtschaftlichen Betrieb steht, der noch keine weitere Anlage betreibt, wurde vom Gemeinderat einstimmig das Einverständnis erteilt, zumal es schon früher einen positiven Grundsatzbeschluss in der Sache gegeben hatte. Allerdings wurde die Zustimmung mit der Auflage verbunden, dass neben der Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben wegen der die Grundstücke durchquerenden Wasserleitung eine Lösung mit dem Zweckverband zur Wasserversorgung gefunden, die naturschutzrechtlichen Erfordernisse erfüllt und der Rückbau im Rahmen der rechtlichen Vorgaben gesichert sein müssen.
Betroffene tief verunsichert
Im Übrigen hatten auch alle Anlieger ihr schriftliches Einverständnis zum Bau der PV-Anlage erteilt. Und hier wurde nun der Unterschied zu den anschließend behandelten Windkraftanlagen sehr deutlich: Eine Photovoltaikanlage hört man nicht, sie wirft keine riesigen Schatten in die Umgebung und beeinträchtigt nicht die Fernsicht, ganz im Gegensatz zu fünf Windrädern mit einer Nabenhöhe von 162 Metern, Rotordurchmessern von 175 Metern und dementsprechend mit einer Gesamthöhe von 249,5 Metern. Es ist schon die Massivität dieses Bauvorhabens, das mitten in den Wald gesetzt werden soll (Baumfällbedarf laut Unterlagen von etwa 1,66 Hektar), die die Menschen zutiefst verunsichert und ihnen Angst macht, wie sich im Gemeinderat herausstellte. Das wird auch aus den Einwendungen und Fragen zu den etwa 1700 Seiten Bauantrag und beigefügten Gutachten deutlich, die von den Betroffenen an den Gemeinderat herangetragen worden waren.
So besteht die Sorge, dass durch die Fundamente das Grundwasser mit Schwermetallen belastet werden könnte, da in den eher instabilen Moränenablagerungen eine Tiefgründung mit Bohrpfählen erforderlich sein wird. Könnten durch witterungsbedingten Abrieb von den Rotorblättern als sehr bedenklich eingestufte und in Europa zunehmend verbotene Per- und Polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) den Boden angrenzender Grundstücke kontaminieren? Wurde beim Brandschutz der benachbarte Erdgasspeicher angemessen berücksichtigt, wird es hinreichend Brandschneisen und Löschwasser geben? Einige von vielen Fragen aus der Bürgerschaft.
Sorge um Wertverlust für Grundstücke
Wenn es in den vorgelegten Gutachten heißt, dass zum Schallschutz in der Nacht die Leistung von drei Windrädern reduziert werden und im Hinblick auf die Beschattung oder die Begrenzung von Eiswurf im Winter eine Abschaltautomatik aktiv werden muss, so wird deutlich, wie unmittelbar Anlieger permanent von den Anlagen betroffen sein werden, keineswegs nur im Hinblick auf die Aussicht, was auch einen Wertverlust bei den Grundstücken zur Folge haben werde, hieß es.
Kompensation nicht vor Ort geplant
Ein weiterer aussagekräftiger Punkt ist der Naturschutz. Hier wird durch die unvermeidbaren Beeinträchtigungen ein Kompensationsbedarf von 112.449 Wertpunkten errechnet, die bei einem staatlich anerkannten Ökokontobetreiber vom Bauherrn „eingezahlt“ werden müssen, so etwa durch Maßnahmen im Unterbayerischen Hügelland oder den Isar-Inn-Schotterplatten, also nicht im Umfeld der errichteten Anlagen.
In der Sitzung wurde deutlich, was viele Gemeindebürger besonders erbost: Von den Kompensationsmaßnahmen und insbesondere der erwarteten Wertschöpfung in Millionenhöhe, so wurde mehrfach moniert, hätten die betroffenen Anwohner und Gemeinden nichts. Sie würde ihre Stromrechnung den Gewinn aus der Anlage mitfinanzieren und die Subventionen für diese mit ihren Steuern. Mit einer gewissen Beteiligung am Gewinn hätte man die Anlieger und auch die betroffenen Gemeinden entschädigen können. Auch ein differenzierteres Eingehen auf die vorhandenen Bedenken und Ängste wäre eine deeskalierende Geste gewesen, anstatt das Vorhaben, so wird es empfunden, völlig über die Köpfe der Bürger hinweg durchzuziehen, gestützt auf die Privilegierung und die Subventionen durch staatliche Beschlüsse, so der Tenor in den Stellungnahmen.
Ziel: „Das Beste für die Bürger rausholen“
So stand am Ende einer Diskussion, bei der auch hervorgehoben wurde, dass man über wenig Erfahrung mit derartigen Projekten verfüge, und in der wiederholt resignativ betont wurde, dass man letztlich an der Realisierung des Projekts nichts wird ändern können, ein einstimmiger Widerspruch der Gemeinderäte gegen das Vorhaben, vor allem mit solidarischer Rücksicht auf die unmittelbar stark betroffenen Gemeindebürger. „Wir werden es nicht aufhalten können, aber wir müssen schauen, dass wir zumindest das Beste für die betroffenen Bürger herausholen“, so das offenkundig von allen geteilte Fazit von Gemeinderat Maximilian Binsteiner (FW Stadl). Man fordert daher vom Betreiber, im Bereich Brand- und Grundwasserschutz sowie im Hinblick auf mögliche Bodenkontamination und Eiswurf deutlich präzisere Aussagen zu machen. Der Beschluss endet mit dem bezeichnenden Satz „Es wird dem Betreiber dringend nahegelegt, die betroffenen Anliegenden mit einzubeziehen.“

