„Angst, dass Heimat kaputtgeht“
Windräder in Taufkirchen? – Bürgerinitiative aus drei Orten wehrt sich dagegen
Familie Zeiser aus Unterreit steht nicht im Verdacht, Windkraft-Gegnerin zu sein. Bei ihr dreht sich sogar ein privat betriebenes Windrad. Doch was in der Schermannsöd zwischen Taufkirchen, Unterreit und Waldhausen geplant ist, bringt nicht nur die Zeisers, sondern auch ihre Nachbarn auf die Palme.
Unterreit/Taufkirchen/Schnaitsee – Sattgrüne Hügel, am Horizont ein dunkler Waldgürtel, der sich wie ein schmaler Bogen weit spannt: Vom Wohnzimmerfenster der Zeisers in Wettelsham (Unterreit) aus bietet sich ein idyllischer Blick Richtung Schermannsöd. Keine beeindruckende Voralpen-Landschaft, eher ein kleines, schlichtes Paradies vor der Haustür. Doch es ist bedroht, finden Bürger aus Unterreit, Schnaitsee und Taufkirchen, die sich in einer Bürgerinitiative zusammengeschlossen haben. Am Samstag, 20. April, treten sie zum ersten Mal mit einer Veranstaltung an die breitere Öffentlichkeit: Im Gasthaus Sahlstorfer in Taufkirchen wollen sie ab 19.30 Uhr aufklären über ein in ihren Augen „unsinniges Vorhaben“. Denn im Wald in der Schermannsöd gebe es Pläne, fünf große Windräder aufzustellen: auf einem Grundstück, das der Familie Graf zu Toerring gehört.
Für das Vorhaben gibt es laut Bernhard Wieslhuber, Geschäftsbereichsleiter Kreisbauamt, Bau- und Umweltrecht, bisher nur eine Voranfrage: für fünf Windräder mit einer Nabenhöhe von 162 und einem Rotordurchmesser von jeweils 175 Metern. „Nach Eingang der vollständigen und prüffähigen Antragsunterlagen ist ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren einzuleiten“, sagt er. Dann würden die Fachstelle und auch die betroffenen Gemeinden und Landkreise angehört. Noch liege ein solcher Antrag jedoch nicht vor.
BI möchte „Unmut kundtun“
Das Vorhaben ploppte in den vergangenen zwei Jahren trotzdem hier und da als Thema in Gemeinderatssitzungen auf. Unterreit beispielsweise beschloss, auf eine intensive Beteiligung zu pochen und sieht die Pläne kritisch. Doch so richtig bekannt sei das Projekt bisher nicht, findet Holger Schramm aus der Bürgerinitiative (BI). Der 56-Jährige aus Einharting (Unterreit) sieht deshalb die Notwendigkeit, „umfassend zu informieren“ – „und unseren Unmut kundzutun“. Denn es gehe darum, aufzuzeigen, dass die Pläne für fünf große Windindustrieanlagen in der Schermannsöd auf massiven Widerstand stoßen würden. Schramm findet, die Zeit sei längst reif für Aufklärung über das Vorhaben. Dass diese Aufgabe die Bürger selber in die Hand nehmen müssten, sei ein Unding. Eigentlich hätte das längst die Kommunalpolitik tun müssen, ärgert er sich.
Eigenen Beitrag zur Energiewende geleistet
Schramm und seine Mitstreiter, neben Andrea und Georg Zeiser noch Alfons Kohl und Helmut Wastlhuber sowie Sohn Florian (Letztere aus Taufkirchen), möchten vor allem verhindern, dass der Eindruck entstehe, gegen die Pläne seien die Bürger und die betroffenen Gemeinden machtlos – weil die von den Windrädern produzierte Energie dringend benötigt werde im Freistaat, der in puncto Windkraft bekanntlich stark hinterherhinkt.
„Windräder können einen wichtigen Beitrag leisten“: Auf diese grundsätzliche Feststellung legen die Mitglieder der BI Wert. Sie haben nach eigenen Angaben ihren Beitrag zum Klimaschutz und zur Energiewende geleistet: mit Photovoltaik auf den Dächern der eigenen Anwesen beispielsweise. Und die Zeisers machten sogar mit ihrem eigenen kleinen Windrad von sich reden, das sie im Wust der deutschen Bürokratie auf ihrem Anwesen ohne öffentliche Förderung durchsetzten, um ihr Haus autark aufzustellen. Es springe aufgrund der leichten Konstruktion schon ab einem Wind von 2,5 Metern pro Sekunde an, erfülle auch aufgrund des Speichers technisch seinen Zweck: die Stromproduktion für ein autarkes Haus.
Doch das private Windrad zeigt in ihren Augen deutlich, wo das Problem liege: Es dreht sich auf dem eigenen Grund in einer Höhe von zwölf Metern. Bis zu 20 Mal höher sollen die fünf Anlagen werden, die im nahen Wald geplant sind.
Hier liegt ein Höhenzug, der jedoch als Vorranggebiet für die Windkraft in der Regionalplanung Südostbayern ausgewiesen wurde. Heißt das, das Gelände eignet sich? Ja und nein. Auch die Zeisers wären nicht auf die Idee gekommen, ein kleines Windrad aufzustellen, wenn es nicht funktionieren würde. Doch von fünf im Wald geplanten Anlagen mit einer Höhe von bis zu 250 Metern geht in ihren Augen eine massive Gefahr für die Umwelt aus. Menschen, Tiere und Natur würden Schaden nehmen, ist die BI überzeugt. Ihre Sorgen will sie bei ihrer Veranstaltung in Taufkirchen darstellen. Und einfordern, dass die Bedenken wahrgenommen und gehört würden, dass die betroffenen Bürger mitsprechen könnten.
Ist der Wind zu schwach?
Schramm beispielsweise ist davon überzeugt, dass es auch im Vorranggebiet für die Windkraft „ein völliger Schwachsinn“ sei, Anlagen aufzustellen, die ihre Nennleistung nur zu 17 bis 19 Prozent auslasten könnten. Denn das Areal sei vielleicht aufgrund der dünnen Besiedlung geeignet, doch generell trotzdem ein Schwachwind-Gebiet (maximal 6,5 Meter pro Sekunde). Es werde hier auf eine Energiegewinnungsform gesetzt, die nur extrem subventioniert wirtschaftlich funktionieren könne. „Das ist volkswirtschaftlich gesehen Unsinn.“ Der Steuerzahler finanziere in solchen Arealen, die sich aufgrund ihrer Begebenheiten nicht für die Windkraft eignen würden, ein Auto mit, das mit viereckigen Reifen fahren solle, obwohl es bekanntlich runde Reifen benötige.
Es gebe genug Beispiele für Windparks, die gescheitert seien: schon im Vorfeld bei der Suche nach einem Investor oder dann im Betrieb. Bei Insolvenzen der Betreibergesellschaften bleibe die Allgemeinheit oft auf den Kosten für den Rückbau hängen. „“Mir als Unternehmer gruselt es bei solchen Kamikaze-Projekten“, sagt er.
Die Betriebswirtschaftlichkeit zu analysieren, ist natürlich Aufgaben des Antragstellers, in diesem Fall der Firma „Toerring Green Enegy“. Andrea Zeiser verweist deshalb auf einen Kritikpunkt, der ihr am wichtigsten ist. „Mir geht es um den Wald.“ Täglich gehen sie und ihr Mann dort mit dem Hund spazieren, freuen sich an der Natur im Laufe der Jahreszeiten, an Wasserflächen und Biotopen, daran, seltene Vögel wie den Rotmilan zu entdecken. Etwa zwei Hektar müssten pro Windrad für das Fundament und die Zuwegung gerodet werden, rechnet das Ehepaar vor. Flächen, die asphaltiert und zubetoniert würden und für etwa 20 Jahre verloren seien. Denn der Boden rund um Industrie-Windkraftanlagen heize sich stark auf und trockne aus, Windkraftwerke im Wald würden also den Klimawandel verstärken statt positiv auf ihn einwirken, ist Schramm überzeugt.
Sorgen um Wald, Boden und Grundwasser
Die Zeisers sind selber Waldbesitzer. Sie haben in den vergangenen Jahren ihren Forst mühsam umgebaut in einen Mischwald, mit 1800 Jungpflanzen. Werde in der Nähe eine Schneise in den Grüngürtel geschlagen, sei der Wald insgesamt noch anfälliger für Schädlinge wie den Borkenkäfer, befürchten sie. Die BI sorgt sich auch um das Grundwasser, weil für ein Windrad bis zu sieben Meter in den Boden gegraben werde.
Schramm weist darauf hin, dass die gewaltigen Rotorblätter einer großen Anlage jährlich kiloweise Mikroplastik-Abrieb produzieren würden und im Brandfall „fiese Microfasern“ aus Karbon Luft und Boden verschmutzen könnten. Im Laufe der Jahre steige auch die Lautstärke, ausgelöst durch den Abrieb. Sorgen bereite auch der nicht hörbare Infraschall. Gefährlich werde es, wenn ein Windrad brenne: „Löschen unmöglich“, ist Schramm überzeugt. Er weist auch auf die in seinen Augen bestehende Gefahr für den nahegelegene Erdgasspeicher Bierwang hin.
Die BI ist überzeugt, dass im Falle, dass der Windpark komme, die Immobilienpreise in den benachbarten Siedlungen fallen. Auch Gemeinden wie Taufkirchen, wo die Anlagen beheimatet wären, würden aufgrund der Abschreibungsmöglichkeiten in den ersten Jahren nicht von Gewerbesteuersteuereinnahmen profitieren.
Die Initiative möchte über all diese Bedenken informieren und die Kommunalpolitiker zu klaren Aussagen bezüglich des Vorhabens bewegen. Sie denkt auch über Bürgerentscheide nach, würde es begrüßen, wenn ein Gemeinderat wie jener in Unterreit die Angelegenheiten in einem Ratsbegehren klären lasse. Außerdem sucht sie weitere Mitstreiter: vom Ehrenamtlichen, der bei der Verteilung von Plakaten helfen bis zum Experten für Teilaspekte wie die Auswirkungen von Windrädern auf Natur und Tierwelt. Ein Treuhandkonto sei erstellt, auf dem Spenden eingehen könnten, um die schon laufenden Anwaltskosten zu bezahlen.
Denn es geht laut Schramm um viel: „Darum, dass unter dem Deckmantel der Klimaschutzpolitik unser Land so umstrukturiert wird, dass noch viele Generationen die Folgen ausbaden müssen.“ Oder wie es Andrea Zeiser auf den Punkt bringt: „Ich habe Angst, dass die Heimat unwiederbringlich kaputtgeht.“

