150 Tiere finden Zuflucht
„Tiere geben mir mehr als Menschen“ - Die Gottbrechts, ihr Gnadenhof und eine Suche
Fuchs, Minikuh, Waschbär: Bis zu 150 Tiere umsorgen Margit und Hans Gottbrecht auf ihrem Gnadenhof in Taufkirchen. Jedes Tier hat seine eigene Geschichte. Eine Sache fällt dem Ehepaar besonders schwer.
Taufkirchen – Hans Gottbrecht greift mit seiner kräftigen Hand in eine Dose mit Hundefutter und hält einem kleinen Fuchs ein Fleischbröckchen hin. Der verspeist es gierig und schleckt ihm anschließend über die Finger. „Jetzt ist er wieder richtig fit”, sagt Gottbrecht. Als das junge Tier zu ihm kam, sei er schwer verletzt gewesen und habe sich kaum mehr bewegt. „Die Tiere wissen, dass sie teilweise kurz vor dem Sterben waren und sie merken genau, wenn man es gut mit ihnen meint.”
Jedes Tier hat einen Namen und einen Geschichte
Zwischen 100 und 150 Tieren leben auf dem Gnadenhof des Ehepaars Gottbrecht in Taufkirchen. Darunter sind kranke und verletzte Tiere, aber auch langjährige Begleiter. „Bei uns sind gerettete Tiere von Regensburg bis Traunstein”, sagt Hans Gottbrecht. Die meisten von ihnen sind „Flaschenkinder” und alle seien sie zahm. Jedes einzelne von ihnen hat einen Namen und eine Geschichte.
Da ist der mannshohe Rothirsch Burle, der aus dem Märchenpark Marquartstein stammt und schon beinahe seit er auf die Welt gekommen ist, bei den Gottbrechts lebt. Da ist die Gämse Seppi, die von Menschen großzogen wurde, weil ihre Mutter gestorben ist. Als sie vor drei Jahren auf die Autobahn lief, landete sie danach bei den Gottbrechts. Da ist die Minikuh Blacky, die von ihrer Mutter nicht angenommen wurde. Da ist der Biber Joshi, der so gerne badet, und den ein Biberbeauftragter als junges Tier zu den Gottbrechts brachte.
Streicheleinheiten genauso wichtig wie Futter
„Bei uns ist alles kunterbunt, viele Tiere können sich frei bewegen und überall hin, wo sie wollen”, sagt Hans Gottbrecht. Insgesamt ist das Grundstück im Wald zwei Hektar groß. Vor 25 Jahren hat er es erworben, seitdem ist der Gnadenhof Stück für Stück, selbst gezimmerter Verschlag um Verschlag, gewachsen. Dort ist das Ehepaar Gottbrecht jeden Tag für etwa zehn Stunden, von früh bis abends und wenn nötig, auch in der Nacht. „Die Tiere brauchen Streicheleinheiten und Liebe, das ist genauso wichtig wie Futter”, sagt der Tierfreund.
Das Futter für die Tiere kaufen die Gottbrechts selbst, tragen sämtliche Kosten aus eigener Tasche. „Mit unserer Rente kommen wir locker über die Runden, haben immer etwas zu essen und die Tiere zu fressen”, sagt Hans Gottbrecht. Der Gnadenhof ist seit Beginn ein Hobby und bringt kein Geld ein. „Aber was Tiere den Menschen geben, ist unbeschreiblich”, sagt er.
„Tiere geben mir mehr als Menschen“
Auch seine Frau Margit Gottbrecht hat er mit dem „Virus Tier” infiziert. „Wir haben geheiratet und immer gemeinsam Tiere gehabt”, sagt sie. Ein Lieblingstier habe sie nicht, kümmere sich gern um jeden Einzelnen ihrer tierischen Bewohner. Unterstützt werden die Gottbrechts dabei von rund fünf Helfern, die regelmäßig auf dem Gnadenhof mit anpacken. Einer von ihnen ist Gerhard, der seinen vollen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. „Ich mache das, weil ich Tiere mag. Sie geben mir mehr als Menschen”, sagt er.
Egal ob Rehkitz, Katze oder Turmfalke: Ist ein Tier verletzt, nehmen es die Gottbrechts auf. „Wir versorgen sie dann so gut wie möglich und gehen, wenn nötig, auch zum Tierarzt”, sagt Hans Gottbrecht. Mit einer Ausnahme: Ratten. Die muss er tatsächlich bekämpfen, damit sie auf dem Hof nicht Überhand nehmen. Auch Igel nimmt er nur in Notfällen auf.
Suche nach einem passenden Nachfolger
Die Tiere der Gottbrechts sind Menschen gewohnt, sind von Gästen in der Regel nicht gestresst. Regelmäßig besuchen Schulklassen, Kindergärten oder Menschen mit Behinderung den Gnadenhof. Nach Anmeldung sind Besucher willkommen.
Vielleicht ist unter ihnen auch jemand, der den Gnadenhof eines Tages übernehmen möchte. Denn mit seinen 75 Jahren weiß Hans Gottbrecht, dass die Arbeit irgendwann nicht mehr schaffbar ist. Dass der Hof weitergeführt werden soll, ist für ihn selbstverständlich. „Es wäre optimal, wenn wir einen passenden Nachfolger finden.” Der müsse es aber auch gerne machen – Tiere auszunutzen, um mit ihnen Geld zu verdienen, davon halte er nichts. „Was die Tiere uns geben, ist wie Urlaub”, sagt er dagegen.
Freilassung bringt Gefahren mit sich
Darum lassen sie ihre Schützlinge immer mit gemischten Gefühlen gehen. „Wenn man ein Tier großzieht und es dann in Freiheit sieht, ist das sehr schön”, betont Hans Gottbrecht. Gleichzeitig müsse es dann alleine zurechtkommen, habe Feinde. „Wenn ein Tier stirbt, ist das traurig.” Die Fehlprägung eines Tieres solle man nicht unterschätzen, das erschwere die Freilassung. Hans Gottbrecht sorgt sich etwa um den kleinen Fuchs, der ihm aus der Hand frisst. Doch den Gottbrechts ist es bereits gelungen, mehrere Füchse erfolgreich auszuwildern, deswegen ist er optimistisch. „Aber wenn ein Tier in der Natur nicht überleben kann, dann bleibt es bei uns.”




