Früher Schalke 04, jetzt Waldkraiburg
Hängepartie ist vorbei: Dieses bekannte Unternehmen will den Schlachthof Waldkraiburg kaufen
Die Zukunft ist geklärt: Der nordrhein-westfälische Großschlachter Tönnies möchte von Vion den Waldkraiburger Schlachthof kaufen. Die Unternehmen sind sich einig. An wem der Deal jetzt noch scheitern könnte und wie viele Arbeitsplätze gesichert sind.
Waldkraiburg – Die Hängepartie, das Rätselraten und die Gerüchteküche sind zu Ende. Jetzt steht fest, wer den Vion Rinderschlachthof in Waldkraiburg übernehmen möchte: die Tönnies Unternehmensgruppe aus dem nordrhein-westfälischen Rheda-Wiedenbrueck. Beide Unternehmen haben jetzt, wie Tönnies-Sprecher Fabian Reinkemeier, schreibt „vorbehaltlich der kartellrechtlichen Prüfung“ eine Grundsatzvereinbarung über die Übernahme der Mehrheit von Vions Rindfleischaktivitäten in Deutschland unterzeichnet. Auch der niederländische Großschlachter Vion bestätigt das.
Tönnies ist vor allem durch Firmenchef Clemens Tönnies bundesweit bekannt. Der Firmenpatriarch war einst wichtiger Geldgeber und von 2001 bis 2020 Aufsichtsratschef des damaligen Fußball-Bundesligisten FC Schalke 04. In dieser Zeit wurde Schalke der „Meister der Herzen“ (2001), spielte in der Champions League und wuchsen die Vereinsschulden bis April 2021 auf über 200 Millionen Euro an.
Knapp sieben Milliarden Umsatz – Aldi, Lidl und Edeka als Kunden
Das 1971 gegründete Familienunternehmen Tönnies produziert tierische Lebensmittel sowie vegetarische und vegane Fleischersatzprodukte. Das Unternehmen hat weltweit über 15.000 Mitarbeiter und setzte 2022 bei einem Exportanteil von rund 50 Prozent rund 6,82 Milliarden Euro um. Zu den Kunden zählen unter anderem Lidl, Aldi, Rewe, Edeka und Kaufland.
Zu den genauen Gründen für den Kauf wollte sich Tönnies-Sprecher Reinkemeier mit Verweis auf das laufende Kartell-Verfahren nicht äußern. Die Kartellbehörden prüfen jetzt, ob Tönnies durch die Übernahme eine marktbeherrschende Stellung bekommt und damit zum Nachteil von Landwirten, Kunden und Verbrauchern Preise diktieren könnte. Die Behörden können den Kauf dann untersagen oder mit Auflagen versehen. Vion-Sprecherin rechnet mit einer Entscheidung im Laufe des kommenden Jahres.
Perspektive für die Bauern
Tönnies-Sprecher Reinkemeier bestätigte, mit der geplanten Übernahme würde Tönnies seine „Beef-Kompetenzen in Süddeutschland“ erweitern. „Insbesondere im Hinblick auf den Erhalt der deutschen Landwirtschaft mit seit Generationen geführten Familienbetrieben ist es wichtig, die in Süddeutschland vorhandene Verarbeitungsstruktur für Rinder zukunftsfähig aufzustellen und den Landwirtinnen und Landwirten eine zukunftsfähige Perspektive zu bieten.“
Neben Waldkraiburg übernimmt Tönnies auch die Vion Schlachthöfe in Buchloe, Crailsheim und Hilden sowie die Häuteverarbeitungsbetriebe in Memmingen und Eching-Weichenau. Seit Jahresbeginn zieht sich Vion (Umsatz 2022: 5,3 Milliarden Euro; 11.000 Mitarbeiter) zunehmend aus Deutschland zurück, verkauft Schlachthof um Schlachthof; jüngst die Betriebe in Landshut und Vilshofen. Grund sind Unternehmensverluste sowie sinkender Fleischverbrauch in Deutschland.
Vion zieht sich weiter aus Deutschland zurück
Waldkraiburg sei, Vion-Sprecherin Witte, „der größte Rinderschlachthof in Europa“. Hier könnten pro Woche von den 386 Mitarbeitern bis zu 5.000 Rinder geschlachtet und bis zu 900 Tonnen Rindfleisch zerlegt werden.
„Diese geplante Transaktion ist ein wichtiger Schritt in der strategischen Neuausrichtung von Vion“, erklärte Vion-Chef Ronald Lotgerink. Er wollte „die besten Partner für eine erfolgreiche Weiterentwicklung unserer Standorte“ finden: „Mit diesem Deal machen wir einen weiteren Schritt, diese Versprechen einzulösen. Wir sind überzeugt, dass die Tönnies Unternehmensgruppe die nötige Unterstützung und den Fokus bieten wird, die weiteres Wachstum und Erfolg sicherstellen.“
Der Preis war nicht entscheidend
„Die Übernahme durch die Tönnies Unternehmensgruppe stellt sicher, dass diese wichtigen Geschäftsbereiche weiterhin erfolgreich betrieben und ausgebaut werden, während die bestehenden Lieferketten und Kundenbeziehungen erhalten bleiben“, schreibt Vion-Sprecherin Witte.
Auf Nachfrage betont sie, dass bei der Entscheidung für Tönnies verschiedene Gründe eine Rolle gespielt hätten – nicht nur der Preis, der sei nicht das höchste Gebot gewesen. „Es haben unterschiedliche Player ihr Interesse bekundet.“ Über den Kaufpreis hätten die Partner Stillschweigen vereinbart, so Witte.
Waldkraiburgs Bürgermeister Robert Pötzsch freute sich: „Mit der Nachricht haben sich die Informationen bestätigt, dass der Schlachthofstandort erhalten bleibt. Es ist schön, dass die Geschäftsleitung Wort gehalten hat und der Betrieb wie gewohnt weiterläuft. Somit haben wir als Stadt, aber auch die Erzeuger, die vielen Mitarbeiter und Verbraucher nun Gewissheit und Sicherheit!“
Die Arbeitsplätze sind sicher
„Es handelt sich um einen Share Deal“, erläutert Witte. Dabei übernimmt der Käufer Anteil an dem bestehenden Unternehmen. „Für die Mitarbeiter ändert sich dadurch nichts“, betont Witte gegenüber den OVB Heimatzeitungen. Arbeitgeber bleibe weiterhin Vion. „An den Arbeitsverträgen ändert sich nichts.“ Auch Kündigungen seien nicht geplant. Es gehe normal weiter. Witte: „Das ist die gute Nachricht.“
Für Thomas Bernhard von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) sind die Arbeitsplätze noch keineswegs sicher. Die Details des Deals seien noch nicht bekannt; daher warnt der NGG-Bereichsleiter Fleischwirtschaft: „Nach einem Share Deal kann die Welt 24 Stunden später schon eine ganz andere sein.“

