In Fußfesseln vor dem Richter
Schläger, Dieb, Busengrapscher? – So urteilte das Mühldorfer Amtsgericht über einen Mehrfachtäter
Er hat geklaut, geschlagen und angeblich gegrapscht: Vor dem Mühldorfer Amtsgericht musste sich jetzt ein Deutsch-Amerikaner verantworten. Er kam in Fußfesseln.
Mühldorf – Geschlagene sechs Stunden währte eine Verhandlung des Schöffengerichts am Mühldorfer Amtsgericht, den Vorsitz hatte Amtsrichter Florian Greifenstein. Der Staatsanwalt hatte einen 41-jährigen Deutsch-Amerikaner in sage und schreibe acht Punkten angeklagt: mehrfacher Diebstahl, mehrere vorsätzliche Körperverletzungen, Beleidigung, Computerbetrug, sexuelle Belästigung und unerlaubter Besitz von Drogen.
In Fußfesseln vor Gericht
Der Anstaltskleidung tragende Angeklagte wurde von zwei Beamten in Fußfesseln aus der Justizvollzugsanstalt Bernau vorgeführt, wo er seit dem 5. August 2023 einsitzt. Der Mann wurde von Rechtsanwalt Raphael Botor aus Rosenheim vertreten.
Was wurde dem Beschuldigten vorgeworfen? Am Bahnhof Altötting soll er einen 21-jährigen Arbeitslosen geschlagen und dessen Freundin an die Brust gegrapscht haben. Gestohlen haben soll der Mann ein E-Bike, einen Elektroroller, ein Fahrrad und ein Smartphone. Einen 50-jährigen Altöttinger soll er auf dem Parkplatz vor dem Edeka-Markt in Altötting auf das Übelste beleidigt und geschlagen haben.
BRK-Mitarbeiter geschlagen
Einem 38-jährigen Mitarbeiter des Roten Kreuzes, der sich nach seinem Befinden erkundigt hatte, verpasste er vor dem Altöttinger Bahnhof einen Kopfstoß und mit dem von ihm gestohlenen Smartphone soll er bei einem Internetgroßhändler Waren im Wert von 630 Euro bestellt haben. Bei einer Durchsuchung seiner Wohnung in einem anderen Zusammenhang wurden dann auch noch zu allem Überfluss zehn Gramm Amphetamine gefunden.
Der Angeklagte legte über seinen Anwalt ein Teilgeständnis ab: „Das Handy hat er gestohlen und damit Waren wie Fernseher, Computerprogramme, Laptop und Uhren geordert. Auch das Rauschgift hat er besessen, er wollte es einem Freund zum Geburtstag schenken“, trug Verteidiger Botor vor.
Schüler bekam geklautes Rad zurück
So konzentrierte sich das Gericht zunächst auf die Diebstähle. Einem 15-jährigen Schüler war sein Radl im Wert von 150 Euro abhandengekommen, als er einen Freund besucht und das Fahrrad nicht abgesperrt hatte. Später sah der junge Mann einen Freund des Angeklagten mit dem Fahrrad durch Altötting fahren. Die Polizei wurde gerufen, das Rad ging an den Besitzer zurück.
Der BRK-Mitarbeiter, der vom Angeklagten geschlagen worden war, sagte als Zeuge aus. Er hatte sich auf dem Parkplatz des Marktes mit einem Freund unterhalten, als der 41-jährige Mann dazukam, ihm mehrere Faustschläge versetzte und ihn aufs übelste beleidigte. „Ich wollte wissen, wie es ihm ging, weil er so zitterte“, erzählte das Opfer über den Beginn der Begegnung. „Ich habe zwar danach die Polizei gerufen, aber weil mir der Mann so leid tat, habe ich keine Zeugenaussage mehr gemacht.“
Paranoide Schizophrenie
Der Deutsch-Amerikaner ist mehrfach wegen Drogenbesitzes vorbestraft, auch Betrug, Trunkenheit und Schwarzfahren hatte er auf dem Kerbholz. Sachverständiger Dr. Stefan Gerl vom Inn-Salzach-Klinikum in Gabersee bescheinigte dem Beschuldigten eine paranoide Schizophrenie.
Kein Busengrapscher
In seinem Schlusswort sah der Staatsanwalt die Beweisaufnahme nur teilweise bestätigt, der Anklagepunkt der sexuellen Belästigung und der Faustschläge war dem 41-Jährigen aufgrund widersprüchlicher Aussagen nicht nachzuweisen.
Er hielt dem Angeklagten, der sich an viele Sachverhalte nicht mehr erinnern konnte, seine Teil-Geständnisse ebenso zu Gute wie die relativ niedrigen Werte des Diebesguts. So konnten beispielsweise die Waren an den Internethändler zurückgesandt werden. Gravierender seien die Körperverletzungen mit Kopfstoß und Faustschlägen ins Gesicht. Der Anklagevertreter forderte schließlich eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten – ohne Bewährung. Außerdem sollte er 3850 Euro zahlen.
Verteidiger Botor hielt ein Plädoyer von mehr als einer halben Stunde, in dem er die Vergesslichkeit und die Taten seines Mandanten auf dessen 20-jährige Drogenkarriere und die daraus resultierende paranoide Schizophrenie zurückführte. Ein von dieser Krankheit Betroffener reagiere anders als ein „normaler“ Mensch. Auch sitze der Beschuldigte bereits seit acht Monaten in Untersuchungshaft. So forderte der Rechtsanwalt eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, allerdings auf Bewährung.
Zurück in den Knast
Nach einer Beratung, die kürzer war als das Plädoyer des Verteidigers, verkündete Amtsrichter Florian Greifenstein das Urteil des Schöffengerichts: ein Jahr und sechs Monate ohne Bewährung, dazu eine Zahlung von 270 Euro. Letztere beruhte auf dem Preis zweier Computerprogramme, sie kosteten 70 Euro und konnten nicht zurückgegeben werden. Auf 200 Euro taxierte das Gericht den Restwert des E-Rollers. Der Richter sagte in seiner kurzen Urteilsbegründung: „Der Angeklagte legte teilweise Geständnisse ab. Mit seiner diagnostizierten paranoiden Schizophrenie und seinem jahrzehntelangen Drogenmissbrauch ist er reizbarer und reagiert anders als andere Menschen. Es handelt sich um relativ geringfügige Diebstähle, die nicht zu Geld gemacht wurden.“
Strafverschärfend bewertete das Gericht die Brutalität der Schläge, die neun Vorstrafen und die offene Bewährung. Die zwei Beamten brachten den Verurteilten zurück ins Gefängnis in Bernau, wo er die nächste Zeit verbringen muss.