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Per Unterlassungserklärung

„Mundtot machen“? Pollings Bürgermeister geht rechtlich gegen Gemeinderäte vor

Lena Koch vor dem Werk Weiding: Dort stellt die Firma Innfood Babynahrung her. Künftig will das Unternehmen auch Mineralwasser abfüllen. Dagegen mobilisiert sich Widerstand.
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Lena Koch ist niemand, die sich den Mund verbieten lässt. Bei der Diskussion um die kommerzielle Nutzung des Tiefenwassers in der Gemeinde Polling kämpft sie an vorderster Front. Jetzt befürchtet sie, dass sie vom Pollinger Bürgermeister mundtot gemacht werden soll, weil sie sich kritisch zur Fluktuation im Pollinger Rathaus geäußert hatte.

Die Pollinger Gemeinderätin Lena Koch hat sich kritisch über die Personalsituation in der Gemeinde geäußert. Das will ihr Bürgermeister Lorenz Kronberger jetzt per Anwaltsschreiben untersagen. Koch ist nicht die Einzige.

Polling – Seit der Kommunalwahl 2020 sitzt Lena Koch für die Grünen im Pollinger Gemeinderat. Als Gemeinderätin hatte sich sich besorgt über die hohe Fluktuation in Rathaus und Gemeinde geäüßert. Das Personal, das in den vergangenen Jahren gegangen sei, ließe sich nicht mehr an zwei Händen abzählen, sagte Koch in den OVB Heimatzeitungen. Sie sprach von einer „massiven Kündigungswelle“ bei der Gemeinde und der Verwaltungsgemeinschaft.

Koch soll 973,66 Euro zahlen

Das, so verlangt es der Anwalt im Namen der Verwaltungsgemeinschaft Polling und ihres Vorsitzenden, Pollings Bürgermeister Lorenz Kronberger, darf sie künftig nicht mehr sagen. Die Anwaltskanzlei hat ihr eine Unterlassungserklärung zugestellt. Die Kosten für Koch: 973,66 Euro

Koch, so heißt es in dem Schreiben, erwecke „den Eindruck, dass in den letzten Jahren mehr als zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Mandantin ihr Arbeitsverhältnis gekündigt hätten“. Dies sei unzutreffend, es seien lediglich sechs Arbeitsverhältnisse gewesen, die beendet worden seien.

Diese Frist hat Koch verstreichen lassen. Stattdessen hat sie sich dazu entschlossen, an die Öffentlichkeit zu gehen. „Weil ich mir nichts vorzuwerfen habe“, sagt sie. „Und weil man die Umstände, wie ein Bürgermeister mit seinen Gemeinderäten umgeht, öffentlich machen muss!“ Sie habe seit ihrer Wahl versucht fair mit dem Gemeinderat und der Verwaltung umzugehen. „Aber mit diesem Brief sind Grenzen überschritten worden.“

Es geht nicht alleine um zwei Sätze

Koch geht es nicht nur um die beiden Sätze, die sie künftig nicht mehr sagen dürfen soll. Laut Anwaltsschreiben muss sie auch „kerngleiche Handlungen“ unterlassen. „Und das kann ich so nicht unterschreiben“, sagt sie. Denn sie wisse nicht, was Bürgermeister Lorenz Kronberger als „kerngleiche Handlung“ auslege. Und so folgert sie: „Für mich ist das der gefühlte Versuch, eine gewählte Gemeinderätin mundtot zu machen!“

Bürgermeister droht in WhatsApp Chat

Also hat sie einen Rechtsanwalt eingeschaltet. Der hat eine klare Meinung, sagt Koch: Auf keinen Fall unterschreiben; auf keinen Fall bezahlen. Ihr der Mühldorfer Anwalt Klaus Salzberger habe eine entsprechende Antwort formuliert und verschickt. „Jetzt warte ich relativ gespannt darauf, was kommt.“

Sie rechnet sogar mit einer Klage und verweist auf eine WhatsApp von Bürgermeister Lorenz Kronberger. In einer WhatsApp-Chatgruppe hat der Bürgermeister gedroht: „Solltet Ihr dieser Aufforderung nicht nachkommen, werden weitere Schritte eingeleitet!“

Zwei weitere Gemeinderatsmitglieder betroffen

Denn Koch ist nicht die einzige, die Post vom Anwalt der Verwaltungsgemeinschaft bekommen hat. Auch Gemeinderat Stefan Mooshuber (CSU) ist mit einer Unterlassungserklärung konfrontiert, bestätigt er auf Nachfrage der OVB Heimatzeitungen: „Als Bürger finde ich es traurig und unangebracht, wie bei uns in der Gemeinde Lappalien aufgebauscht werden.“ Zeit und öffentliche Gelder würden für Rechtsstreitigkeiten gegen eigene Mitarbeiter und Gemeinderäte verschwendet, die in dieser Zeit für Wichtigeres gebraucht würden. „Als Gemeinderat ist es für mich absolut inakzeptabel, wenn versucht wird, gewählte Gemeinderäte einzuschüchtern und an der Ausübung ihrer Rechte und Pflichten zu behindern!“

Neben Koch hat auch Thomas Jobst (CSU) seinen Rechtsanwalt konsultiert, weil er eine Unterlassungsaufforderung von der VG Polling erhalten hat. Verwaltungsleiterin Gabriele Springer hatte im Vorfeld der Bürgerversammlung erklärt, Jobst sei ein Dokument gezeigt worden. In diesem Dokument hätten Mitarbeiter mit ihrer Unterschrift ein gutes Arbeitsklima in der Verwaltung bestätigt. Diese Aussage Springers nannte Jobst während der Bürgerversammlung eine Lüge, ihm seien keine Unterschriften gezeigt worden.

„Ich werde aufgefordert, das nicht mehr zu sagen, was der Bürgermeister auf der Bürgerversammlung am 24. November vor circa 100 anwesenden Bürgern bestätigt hat.“ Kronberger hatte erklärt, dass Jobst die Namen nicht gesehen habe. In der Unterlassungserklärung heißt es dagegen: „Durch die Äußerungen erwecken Sie nicht nur unzutreffenden Eindruck, Ihnen sei der offene Brief der Rathausmitarbeiter samt Unterschriften nicht gezeigt worden“. Jobst wird darüber hinaus vorgeworfen, er verbreite den Eindruck, dass Mitarbeiter der Verwaltung in der Öffentlichkeit Unwahrheiten verbreiten würden.

Als Gemeinderat übe er seine Tätigkeit nach seiner freien Überzeugung aus. „Was mich mit Besorgnis umtreibt ist, dass nun die VG Polling, vertreten durch Herrn Kronberger, nicht nur gegen mich in meiner Rolle als Gemeinderat, sondern auch im privaten Umfeld vorgeht und mich sogar bei meinem Arbeitgeber angezeigt hat – komplett ohne Einbindung und Mandat des Gemeinderates“. Aufgrund des Vorgehens der VG „bezweifle ich, in Zukunft wirklich frei meine kritische Meinung vertreten zu können“.

Damit geht die Gemeinde und Bürgermeister Kronberger gegen drei von 16 Gemeinderatsmitgliedern juristisch vorgeht. Und Lena Koch stellt die Frage: „Wie sollen wir im Gemeinderat unter diesen Umständen weiter zusammenarbeiten?“

Reine Machtdemonstration

Die Aufforderung, die Unterlassungserklärung zu unterschreiben und die Anwaltskosten zu tragen „empfinde ich als reine Machtdemonstration!“, sagt Koch. Und die belastet sie mittlerweile gesundheitlich. Vor mehr als zwei Wochen sei ihr ein Hörsturz diagnostiziert worden. Aber sie macht weiter, „weil ich überzeugt davon bin, dass ich mit der Umschreibung, die ich getätigt habe, richtig liege!“.

Verwaltungsgemeinschaft verklagt auch das Landratsamt

Doch die Klagefreudigkeit der Gemeindeverwaltung endet nicht bei den eigenen Gemeinderäten. „Dem Landratsamt Mühldorf als Vertreter des Freistaates Bayern wurde eine Klage der Verwaltungsgemeinschaft Polling betreffend der Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Rechnungsprüfung und Rechtsaufsicht zugestellt“, erklärt das Landratsamt auf Anfrage.

„Warum ist da so viel Wut da?“

Gemeinderatsmitglied Lena Koch

Für Koch geht der Streit über den aktuellen Fall hinaus. Sie fragt sich, ob ehrenamtliches Engagement auf diese Weise bedroht werden müsse. „Warum ist da so viel Wut da?“ Mittlerweile sei ihr mit einer Amtsenthebung gedroht worden, berichtet Koch.

Wieder zieht sie das Smartphone hervor, liest sie eine Nachricht aus einem Chat vor: „Wer meiner Gemeinde Schaden zufügt, der muss dafür auch geradestehen“, liest einen Post Kronbergers vor. Von gerichtlichen Verfahren ist die Rede, bei dem alle Akten geöffnet würden. Letztendlich könnten nicht wahrheitsgemäßen Aussagen von Gemeinderäten im schlimmsten Fall zu Amtsenthebungsverfahren führen, schreibt der Bürgermeister in dem Chat. Für Koch ein klarer Fall: „Das ist für mich eine Androhung! Und das lasse ich mir nicht gefallen.“

Koch sieht den Gemeinderat als Kontrollorgan. Da in Polling häufige Wechsel bei Angestellten auffällig gewesen seien, habe man nachgefragt. „Es ist schon wichtig, neben dem Rathaus auch vom Kindergarten zu sprechen. In beiden Häusern sind in den vergangenen Jahren mehr als zehn Leute gegangen“, wiederholt sie ihre Aussagen.

Das habe sie gegenüber den OVB Heimatzeitungen als Kündigungswelle „bei Angestellten der Gemeinde und der Verwaltungsgemeinschaft“ bezeichnet.

Koch warnt: Große Gefahr für die Demokratie

Jemanden mundtot zu machen, das berge eine große Gefahr in einer Demokratie, warnt Koch. „Es wird einem die Motivation geraubt, sich zu engagieren. Man verliert den Spaß daran, das Leben in einer Gemeinde mitzugestalten. Und man überlegt sich, ob man sich das überhaupt weiterhin antun sollte.“ Lena Koch richtet deswegen einen Appell an die Ehemaligen der Gemeinde Polling, die eine Geschichte zu erzählen haben: „Dass sie wirklich aufstehen!“

Verwaltungsgemeinschaft schließt auch den Klageweg nicht aus

Über ihren Rechtsanwalt Dr. Torben Düsing lässt die Verwaltungsgemeinschaft Polling mitteilen, dass die Abmahnungen im Namen der Verwaltungsgemeinschaft Polling versandt worden sind. Wörtlich heißt es: „Die Kosten einer berechtigten Abmahnung trägt die beziehungsweise der Abgemahnte. Dem Versender der Abmahnung stehen insoweit Ansprüche auf Kostenerstattung beziehungsweise Freistellung zu.“ Die Verwaltungsgemeinschaft Polling sei bereit, die in den Abmahnungen geltend gemachten Ansprüche wegen der bewussten Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen auch gerichtlich zu verfolgen, heißt es in dem Schreiben weiter.

Zum Vorwurf, die Anwaltsschreiben seien der Versuch, unliebsame Gemeinderäte mundtot zu machen, heißt es seitens des Anwalts: „Die Verwaltungsgemeinschaft Polling geht im Interesse ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gegen die bewusste Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen vor, die geeignet sind, das Ansehen der Gemeinde zu schädigen und die internen Arbeitsabläufe massiv zu behindern.“ An falschen Tatsachenbehauptungen bestehe kein öffentliches Informationsinteresse. „Die hier in Anspruch genommenen Personen handelten vorliegend auch nicht in ihrer Funktion als Gemeinderäte, da sie für die Verwaltungsgemeinschaft betreffende Personalangelegenheiten kein Mandat haben.“ Das Personal der Verwaltungsgemeinschaft unterliege allein der Befugnis des Verwaltungsgemeinschaftsrates und des Gemeinschaftsvorsitzenden.“ Alle Gemeinderäte, die hier gehandelt haben, sind nicht in den Verwaltungsgemeinschaftsrat berufen.“

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