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Wassergipfel im Landratsamt Mühldorf

Grundwasserstände sinken drastisch: Trotzdem kein Stopp für kommerzielles Mineralwasser?

Es könnte so einfach sein: Jeder trinkt Wasser aus dem Hahn. Auf solche oder grundsätzlichere politische Fragen zur Mineralwasserherstellung in Weiding wollte Landrat Heimerl beim Wassergipfel aber nicht eingehen. Seine Behörde muss das Vorhaben genehmigen oder untersagen.
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Es könnte so einfach sein: Jeder trinkt Wasser aus dem Hahn. Auf solche oder grundsätzlichere politische Fragen zur Mineralwasserherstellung in Weiding wollte Landrat Heimerl beim Wassergipfel aber nicht eingehen. Seine Behörde muss das Vorhaben genehmigen oder untersagen.

In Weiding Mineralwasser aus Tiefenwasser abfüllen? Seit Monaten protestieren Menschen und Gemeinden gegen die Pläne, jetzt ist der Mühldorfer Landrat am Zug. Bei einem „Wassergipfel“ im Landratsamt wurde das ganze Dilemma deutlich.

Mühldorf – Landrat Max Heimerl hatte zum „Wassergipfel“ ins Landratsamt geladen. Zusammen mit dem Wasserwirtschaftsamt informierte er Bürgermeister, Kreisräte und Vertreter von Wasserversorgern über die Situation des Grundwassers im Landkreis und das Verfahren zur Genehmigung der Mineralwasserförderung in Weiding. Dort will das Unternehmen Innfood Tiefenwasser nutzen.

Wie wichtig die Auseinandersetzung mit dem Thema Grundwasser ist, machte Heimerl von Anfang an klar, als er Wasser „höchstes Gut und wichtigstes Lebensmittel“ nannte. „Wir müssen das Wasser für die nachfolgenden Generationen sichern.“ Das sei eine „Frage der Generationengerechtigkeit“.

Klimawandel hat Auswirkungen auf das Grundwasser

Die Aufgabe werde immer bedeutsamer. „Wir haben einzelne Informationen darüber, dass der Klimawandel Auswirkungen auf unser Grundwasser hat.“ Wichtiges Ziel sei es deshalb, sparsamer mit Wasser umzugehen. Und die Reserven im Boden zu schützen.

Anhand verschiedener Grafiken und Datenerfassungen machten die Fachleute aus dem Wasserwirtschaftsamt klar, dass die Regen- und Schneemenge in den vergangenen Jahren drastisch gesunken seien. Parallel dazu habe auch die Neubildung von Grundwasser nachgelassen.

Wie drei Jahre ohne Regen

Michael Holzmann, im Wasserwirtschaftsamt zuständig für den Landkreis Mühldorf, erklärte, dass es seit 2001 weniger Niederschläge gebe, die Durchschnittstemperatur sei in den letzten Jahren gleichzeitig angestiegen.

Legt man die Zahlen auf die Periode der letzten 20 Jahre um, heißt das: 17 Jahre regnet es ganz normal, drei gar nicht. „Es fehlt also der Niederschlag von drei Jahren“, sagte Holzmann.

Grundwasserbildung um 26 Prozent zurückgegangen

Die Grundwasserneubildung ist seit 2003 um etwa 26 Prozent, also um mehr als ein Viertel, gegenüber dem Zeitraum von 1971 bis 1990 gesunken. Statt 220 Millimeter seien es zuletzt nur noch 160 gewesen. Holzmann betonte: „Die Grundwasserstände in ganz Bayern, auch in der Region, haben heuer einen neuen Niedrigstwasserwert produziert.“

Im Landkreis nehmen laut Holzmann aber nicht nur die Pegelstände im oberen Grundwasserstock ab, aus dem das meiste Trinkwasser gefördert wird. Das Gleiche gelte für das niedrigere Stockwerk, das sogenannte Tiefenwasser, wo das Wasserwirtschaftsamt allerdings weniger Messstellen hat. Trotzdem sprach Holzmann von einer „deutlich abnehmenden Tendenz“.

Das gilt auch für die Sicherheit der Wasserversorgung. In der derzeit laufenden Fortschreibung sind von sieben Gemeinden, deren Ergebnisse bis jetzt vorliegen, sechs Gemeinden als stark eingeschränkt dargestellt, darunter Mühldorf. Wie dramatisch diese Entwicklung ist, zeigt der Vergleich zum Jahr 2015, der letzten Erhebung. Damals galt keine Stadt und kein Dorf im Landkreis als gefährdet. Lediglich ein gutes Dutzend kleinerer Wassergenossenschaften vor allem im Süden und Westen des Landkreises wurden als „stark eingeschränkt“ geführt. Mühldorf leuchtete damals noch grün: uneingeschränkt. Mit nur „eingeschränkter Versorgungssicherheit“ ist die Gemeinde Polling geführt, in der jetzt die Nutzung des Tiefenwassers neu genehmigt werden soll.

Inn-Niederterrasse verbindet die Region

Verbindendes Element in der Region ist die sogenannte Inn-Niederterrasse, die von Mühldorf bis Aschau reicht. Das Tiefengrundwasser stehe in diesem Bereich geologisch bedingt unter großem Druck und speise so das Grundwasser im Stockwerk darüber. Die Menge beläuft sich laut Klaus Sandforth vom Wasserwirtschaftsamt auf ein Viertel der Menge, die über Niederschläge im Grundwasser gespeichert wird.

Sieben Firmen mit kommerzieller Tiefenwassernutzung

Nach Holzmanns Angaben fördern derzeit sieben Firmen, fünf Kommunen und einige Wasserversorger und Wassergenossenschaften Tiefenwasser. Unter den Firmen sind Brauereien, das Milchwerk Jäger und die Firma Innfood in Weiding, die die derzeitige Förderung zur Produktion von Mineralwasser ausweiten will und dafür eine Genehmigung beantragt hat.

Trotz aller Bekundungen zum Wert des Wassers und zum Schutz des Grundwassers wurde klar: Wasserrechtliche Genehmigungen und damit auch die Genehmigung für die Firma Innfood hängen nicht vom politischen Willen des Landkreises ab. Es gehe vielmehr bei allen Verfahren um die Fachprüfung, welche Auswirkungen die Förderung von Tiefenwasser habe. Laut Jurist Bernhard Wieslhuber vom Landratsamt müsse sichergestellt sein, „dass schädliche Gewässerveränderungen verhindert werden“. Dazu gehöre auch die Beachtung des Natur- und des Trinkwasserschutzes. Deshalb könne unter bestimmten Umständen auch eine formelle Umweltverträglichkeitsprüfung und eine Beteiligung der Öffentlichkeit notwendig werden.

Wichtigster Partner bei dieser Analyse sind laut Landrat Heimerl die Fachleute des Wasserwirtschaftsamts, die die Prüfungen vornehmen und ihre Expertise in das Verwaltungsverfahren zur Genehmigung der Wasserentnahme einbringen.

Eine rechtliche, keine politische Beurteilung

Das Landratsamt muss am Ende des Verfahrens und nach Prüfung aller Unterlagen entscheiden, ob es die Förderung genehmigt. „Dabei sind wir an Recht und Gesetz gebunden“, betonte Heimerl mehrfach und brachte den juristischen Begriff des „Bewirtschaftungs-Ermessens“ in die Diskussion ein. Er beschreibt die Entscheidung am Ende der Prüfung. „Dieses Ermessen bedeutet nicht, dass das Landratsamt frei über den Antrag entscheiden kann“, betonte Wieslhuber. „Sollte das Verfahren durch die Beteiligung der Fachstellen ein eindeutiges Ergebnis ergeben, so ist das Ermessen des Landratsamts in der Regel auf Null reduziert.“

Trotzdem fragten einige der Teilnehmer nach. Judith Bogner, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Kreistag, wollte wissen, ob der Landrat die Meinung der Fachbehörden überstimmen könne? Landrat Heimerl antwortete: „Was wir hier machen, sollte rechtssicher sein, also vor Gericht Bestand haben. Wenn das Wasserwirtschaftsamt also sagt, es geht nicht und wir das überstimmen, wird das Gericht uns das um die Ohren hauen.“

Noch keine Aussage über möglichen Ausgang des Verfahrens

Lena Koch (Grüne) stellte infrage, ob mit dieser Datenlage überhaupt noch eine Genehmigung der Tiefenwasserentnahme in Polling möglich sein könne? Landrat Heimerl erklärte: „Die Situation ist eine wesentliche Grundlage für die Abwägung künftiger Genehmigungen.“ Er betonte aber, dass das Landratsamt an die Gesetze gebunden sei. „Es gehört zur Fairness dazu, dass wir das Ganze auf Basis von Daten und Fakten entscheiden. Es wäre unredlich jetzt zu sagen, wir machen es oder nicht.“

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