Gemeinderatssitzung vor dem Platzen
Ladung zu spät, Zugang zu Unterlagen gesperrt: Vorwürfe von Gemeinderäten ans Pollinger Rathaus
Die jüngste Gemeinderatssitzung in Polling begann mit einem Eklat: Zwei Gemeinderäte wurden nicht ordentlich geladen, einem wurde gegen seinen Wunsch der Zugang zum Ratsinformationssystem (RIS) gesperrt. Das sagt die Kommunalaufsicht.
Polling – Das Handeln von Pollings Gemeindeverwaltung sorgte gleich zu Beginn der jüngsten Gemeinderatssitzung für Diskussionen. Denn sowohl Wolfgang Schweiger (parteilos) wie auch Thomas Jobst (CSU) erklärten, dass sie nicht ordnungsgemäß geladen wurden. Und wenig später sagte Jobst zu Bürgermeister Lorenz Kronberger (UWG) und Geschäftsleiterin Gabriele Springer: „Ihr habt meinen RIS-Zugang gesperrt. Ich konnte mich nicht vorbereiten.“ Die Sperre sei gegen seinen ausdrücklichen Wunsch geschehen.
Wolfgang Schweiger hat keine E-Mail erhalten
Den Reigen eröffnete Lena Koch (Grüne). Sie verlas eine Erklärung des abwesenden Wolfgang Schweiger: „Eine fristgerechte Einladung habe ich nicht erhalten.“ Er habe von der Sitzung nur über seinen Zugang zum elektronischen Ratsinformationssystem (RIS), aber nicht per E-Mail erfahren. Die Erklärung schloss mit Schweigers Bitte, „künftig fristgerecht und nach den geltenden Vorgaben“ geladen zu werden.
Geschäftsleiterin Springer erklärte, dass der Verwaltung eine Bestätigung des Zielservers vorliege, dass die Mail eingegangen sei. „Damit ist die Ladung laut Geschäftsordnung ordnungsgemäß zugestellt. Das können wir belegen.“
Die Gemeinderäte bekommen nämlich eine E-Mail mit einem Link für das elektronische Ratsinformationssystem (RIS). Dort haben sie dann Zugriff auf die Sitzungsunterlagen, können sich vorbereiten. Bereits zu Jahresbeginn sorgte die elektronische Ladung für Diskussionen, nachdem sie nicht funktioniert hatte und deswegen eine geplante Sitzung des Finanzausschusses zur Grundsteuer geplatzt ist.
„Alle haben die Ladung bekommen“, ergänzte Bürgermeister Kronberger. „Wir haben die Bestätigung, dass die Ladung rausgegangen ist. Ich stelle damit die ordnungsgemäße Ladung fest.“
„Ich bin auch nicht richtig geladen worden“, warf jetzt Jobst ein. Er hatte nach der missglückten Einladung zum Finanzausschuss gebeten, nur noch schriftlich geladen zu werden.
Er habe diesen Brief jedoch erst am Montag vor der Sitzung und damit verspätet erhalten, erklärte Jobst. Der Brief sei erst am Freitag aufgegeben worden. Jobst: „Es ist klar, dass er dann nicht rechtzeitig zugestellt wird.“ Die Verwaltung habe die Sitzungsladung per E-Mail am Donnerstag verschickt. „Warum wird der Brief bei mir erst am Freitag aufgegeben?“
Jobst ging noch weiter. „Ihr habt mir den RIS-Account gesperrt“, sagte er zu Kronberger und Springer. Er habe sich daher nicht auf die Sitzung vorbereiten können: „Weder am Wochenende noch danach.“
„Auch da stimme ich nicht zu“, entgegnete Kronberger. Mit der Aufgabe am Freitag sei die Ladungsfrist eingehalten. Später versuchte Kronberger das späte Absenden des Briefes so zu rechtfertigen: „Weil wir noch immer auf Grundsteuerhebesätze gewartet haben“, die Gemeinderätin Grit Berdel (FW) hätte liefern sollen.
Entscheidend sei die Zustellung, hielt Jobst dagegen. Eine Briefaufgabe am Freitag vor der Sitzung am kommenden Donnerstag sei „zu spät“, erklärte auch Berdel. Die Zustellung müsse ebenfalls berücksichtigt werden.
Wilhelm Skudlik erinnerte an Paragraph 25 der Geschäftsordnung. Demnach beträgt die Ladungsfrist vier Tage. Der Sitzungstag sowie der „Tag des Zugangs der Ladung“ werden dabei nicht mitgerechnet. Skudlik: „Es kommt auf den Zugang der Ladung beim Gemeinderat, nicht auf die Absendung an.“
Auf Anfrage der OVB Heimatzeitungen erklärt ein Sprecher des Landratsamtes Mühldorf ganz allgemein und nicht auf Polling bezogen: „Die Ladung wird – wie jede empfangsbedürftige Willenserklärung unter Abwesenden – erst wirksam, wenn sie dem Empfänger zugeht.“ Hinsichtlich der Zustelldauer verweist der Sprecher auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs: Das gehe davon aus, „dass eine im Bundesgebiet werktags aufgegebene Postsendung am nachfolgenden Werktag an den Empfänger ausgeliefert wird“.
Gemeinderat hat keinen elektronischen Zugang zu Sitzungsunterlagen
Jobst rügte auch, dass er keinen Zugang mehr zum RIS habe, in dem alle Gemeinderäte die Sitzungsunterlagen zur Vorbereitung finden.
„Ich habe das ganz klar formuliert“, als er damals um eine schriftliche Einladung gebeten habe, erklärte Jobst. Er wolle nur die Ladung per Post, aber weiter den Zugang zum RIS. „Ich habe das ausdrücklich reingeschrieben. Ihr seid destruktiv. Ihr macht das einfach und ich kann mich nicht vorbereiten.“
Kronberger verwies auf Jobst‘ Wunsch, die Sitzungsladungen nicht mehr elektronisch zu bekommen. „Du kannst nicht sagen, du willst es schriftlich haben und dann noch elektronisch. Das eine schließt das andere aus.“
Dieser Auffassung widersprach Wilhelm Skudlik. „Das steht in keiner Satzung drin.“
Landratsamt fordert RIS-Zugang für Thomas Jobst
Nach Informationen, die den OVB Heimatzeitungen vorliegen, hat inzwischen auch die Kommunalaufsicht des Landratsamtes Mühldorf die Rechtsauffassung von Jobst und Skudlik bestätigt. Möchte ein Gemeinderat nur postalisch geladen werden, könne er die Unterlagen weiterhin im RIS erhalten. „Der Ausschluss einzelner Gemeinderatsmitglieder von der Informationsgewährung, weil diese ihr Einverständnis zu elektronischer Ladung verweigern, stellt hierbei einen Ermessensfehler dar“, so das Landratsamt Mühldorf. Der RIS-Zugang von Jobst sei „unverzüglich wiederherzustellen“.
Gleichwohl bleibt die Gemeinde nach Informationen der OVB Heimatzeitungen bei ihrer Rechtsauffassung und hat mitgeteilt: „Der Zugang zum Ratsinformationssystem (RIS) für Herrn Gemeinderat Jobst bleibt deaktiviert.“
Das Ladungsvergehen ist von den zwei Gemeinderäten geheilt worden.
Jobst hatte auch betont, dass er wegen dieser Fehler der Verwaltung die Sitzung nicht platzen lassen wolle. Deshalb sei er erschienen. Damit habe er den Ladungsfehler ebenso geheilt wie Schweiger mit seiner Erklärung, die Koch verlesen hatte.
„Das ist total gut“, sagte Stefan Mooshuber (CSU). Es sei von der Verwaltung „äußerst fahrlässig“, wenn sie den letzten Ladungstag ausnutze. „Es ist nicht ordnungsgemäß geladen. Das Ladevergehen ist aber von den zwei Gemeinderäten geheilt worden.“
„Dann können wir vielleicht jetzt mit der Sitzung anfangen“, meinte Jobst nach gut zwanzig Minuten. Doch als Bürgermeister Kronberger über die Tagesordnung abstimmen wollte, meldete sich Berdel zu Wort – und es entspannte sich eine weitere, teils hitzige Diskussion: über die Beratung der neuen Hebesätze für die Grundsteuer.

