„Die Rechten gehören nicht zu uns“
Nach den Protesten: Lassen sich die Bauern von der AfD vereinnahmen?
Die Bauern-Demos waren begleitet von zahlreichen Versuchen rechter Gruppen, den Protest für sich zu vereinnahmen. Ein AfD-Bezirksrat wirft dem Bauernverband vor, mit den Grünen verstrickt zu sein und nicht die Interessen der Landwirte zu vertreten. Geht die Strategie der Rechten auf?
Mühldorf – Bei den Protesten der Bauern gegen die Sparpläne der Bundesregierung ging und geht es nicht nur um die Zukunft der Landwirte. Es geht auch um die Frage, wer die Interessen der Bauern vertritt: Organisationen und Gruppen wie der Deutsche Bauernverband (DBV) und „Land schafft Verbindung“ (LsV)? Oder doch eher die AfD und Rechtsextreme. Letztere versuchten jedenfalls, die Wut der Landwirte auf ihre Mühlen zu lenken. Mit Erfolg?
Diskussionen auf Facebook
Das begann schon vor Weihnachten auf Facebook – zum Beispiel auf dem Account von Gerhard Langreiter, stellvertretender Kreisobmann im Mühldorfer Bauernverband.
Langreiter teilte einen Post des Bauernverbandes, in dem sich dieser damals schon von „Schwachköpfen mit Umsturzfantasien, Radikalen sowie anderen extremen Randgruppen und Spinnern“ distanzierte. Einer der Kommentatoren: Bezirksrat Martin Wieser (AfD) aus Oberneukirchen, auf dessen privatem Profilbild das Parteilogo deutlich zu sehen ist.
Wieser bezweifelte die Interessenvertretung durch den DBV: „Haben die Landwirte überhaupt eine Chance, dass der Deutsche Bauernverband ihre Interessen gegenüber der Politik effektiv vertritt?“
Wieser schrieb von „Verstrickungen“ des DBV „mit den GRÜNEN und deren politischer Agenda“. Er fragte, ob es dem BBV nicht darum gehe, die Proteste so zu lenken und im Sande verlaufen zu lassen, dass die Bundesregierung sie unbeschadet übersteht und mit ihrem Angriff auf die Existenz zahlreicher Landwirte tatsächlich durchkommt.
Wieser habe die „Sorge“, dass „die Spitzenpositionen dieser Verbände mit Figuren besetzt werden, die in Wirklichkeit nicht die Interessen der Verbandsmitglieder gegenüber der Politik, sondern die Interessen der Politik gegenüber den Verbandsmitgliedern vertreten.“
Misstrauen säen, sich mit eigenen Plakaten unter die Demonstranten mischen, eigene Demos organisieren und ähnliches kennzeichneten die Versuche von Rechtsextremen, die aktuellen Bauernproteste zu vereinnahmen. Ohne Erfolg, so Langreiter: „Versucht haben sie es. Aber wir haben es gut hinbekommen, uns abzugrenzen.“
Bauern distanzieren sich von der AfD
Für den Garser Bio-Bauer Georg Eisner, Sprecher von „Land schafft Verbindung“ (LsV), ist das keine Überraschung: „Der klare Menschenverstand sagt einem, die Rechten gehören nicht zu uns. Wir sind der Mittelstand, wir sind der Pfeiler der deutschen Republik. Wir lassen uns da nicht vereinnahmen.“
Ulrich Niederschweiberer, Mühldorfer Kreisobmann, betont mit Blick auf weitere Aktionen: „Wir werden nicht alles verhindern können, aber wir grenzen uns auf alle Fälle ab. Und dass sich einmal einer darunter mischt, das können wir sicher nicht verhindern. Wir versuchen, unsere Aktionen anständig zu führen und wenn was auftaucht, dann werden wir uns auch entsprechend wehren oder distanzieren.“ Das reiche bis zu der Aufforderung, „die Veranstaltung zu verlassen“, ergänzt Eisner.
Keine Radikalisierung der Landwirte
Eisner glaubt nicht, dass sich die Landwirte radikalisieren würden, „weil wir ja die Normalität wiederhaben wollen. Wir wollen das wiederhaben, was Deutschland groß gemacht hat. Deshalb passt das Rechtsradikale nicht zu uns.“
Diese Einschätzung teilt Langreiter. Bei der AfD sei für die Landwirte „null Komma null“ dahinter. „Die sei gegen den Bauernverband eingestellt und wolle nur „Wähler abgreifen“.
Bei den Landtagswahlen im Oktober 2023 hatte die AfD laut agrarheute.com unter den Landwirten jedenfalls nur sehr wenig Zuspruch, auch wenn der Oberneukirchener Martin Wieser im Gespräch mit OVB bei seiner Kritik am DBV immer wieder auf seine bäuerlichen Nachbarn verweist. Im Oktober wählten laut agrarheute. com sieben Prozent der Landwirte die AfD, während die Partei landesweit 14,6 Prozent holte. 52 Prozent der Landwirte machten ihr Kreuz bei der CSU und 37 Prozent bei den Freien Wählern.
AfD-Bezirksrat Wieser wirft Bauernobmann „Hochverrat“ vor
Und die Diskussionen auf Social Media, wo AfD-Mann Wieser dem stellvertretenden Bauernobmann Langreiter unter anderem Hochverrat vorwirft? „Das berührt mich schon, weil man ja im gleichen Ort wohnt“, sagt Langreiter. Das persönliche Gespräch sei eigentlich immer freundlich, aber auf Facebook gebe es „übelste Hetze“. Langreiter, der auch den Hashtag #landwirtschaftistbunt verwendet, lässt sich davon aber nicht einschüchtern: „Ich bin da ein bisschen anders. Mich spornt das eher an. Man darf denen nicht das Sagen lassen.“


