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Das Jammern der Landwirte

Über 100.000 Euro im Jahr verdient – Sind die Bauern-Proteste angemessen?

Bauern Einkommen Hartsperger Langreiter
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Landwirt Gerhard Langreiter (oben) und Veit Hartsperger vom Bauernverband wissen genau, warum die Bauern gegen die Pläne der Ampel auf die Straße gehen.

115.000 Euro haben deutsche Landwirte 2023 im Schnitt verdient. Nun gehen sie wegen ein paar tausend Euro Dieselkosten mehr pro Jahr auf die Straße. Geht das zusammen? Warum die Bauern immer starken Schwankungen ausgesetzt sind. Und: Wie es ihnen wirklich geht.

Mühldorf – Die Bauern-Proteste gehen weiter, unterstützt von einer breiten Front aus Handwerk, Gewerbe, Dienstleistern – und auch aus der übrigen Bevölkerung. Durch den angekündigten Wegfall der Subvention für Agrar-Diesel fühlen sich die Bauern von der Regierung über Gebühr gemolken.

Rekordeinnahmen im Geschäftsjahr 2022/23

Auf der anderen Seite steht das vom Deutschen Bauernverband (DBV) im Dezember 2023 veröffentlichte Rekord-Einkommen der Landwirte im Geschäftsjahr 2022/23: „Laut dem aktuellen Situationsbericht des Deutschen Bauernverbandes haben sich die Ergebnisse in der Landwirtschaft im abgelaufenen Wirtschaftsjahr 2022/23 weiter deutlich verbessert. Im Durchschnitt lag das Unternehmensergebnis der Haupterwerbsbetriebe bei 115.400 Euro je Betrieb.“ Allerdings „nach wirtschaftlich schwachen Jahren“, wie DBV Präsident Joachim Rukwied einschränkte.

Im Landkreis Mühldorf hat die FDP-Bundestagsabgeordnete Sandra Bubendorfer-Licht diese Zahlen am Protest-Montag (8. Januar) zur Sprache gebracht. Sie folgerte, dass sich die wirtschaftliche Lage der Landwirte erheblich verbessert habe, zwischen Juli 2022 und Juni 2023 um 45 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Landwirte würden von den „außergewöhnlichen Preissteigerungen“ für Lebensmittel profitieren, betonte die Abgeordnete.

Viele Bauern haben weniger

Ein Einkommen von über 100.000 Euro pro Jahr und trotzdem Proteste? „Ja, über 100.000 Euro im Jahr würde wohl jeder gern haben, das können aber die meisten unserer Bauern nicht erwirtschaften“, schränkt Veit Hartsperger, BBV-Geschäftsführer für die Landkreise Mühldorf, Altötting und Rottal-Inn, ein. Er nennt 60.000 bis 80.000 Euro als realistischen Betrag. Hartsperger moniert, dass jedem anderen Unternehmer und Arbeitgeber ein höheres Einkommen zugestanden würde als dem Rest der Bevölkerung, nicht aber einem Landwirt.

Veit Hartsperger vom Bauernverband.

Mehrkosten für Bauern führen zu höheren Lebensmittelpreisen

Bauern haben laut Hartsperger keine Alternative zum Diesel, „es fehlen Bio-Kraftstoffe – Akkus für schwere Traktoren und Maschinen gibt es nicht“. Elektro auf dem Acker geht also nicht. Die logische Folge für Bauern, wenn die Steuersubvention wegfällt: „Sie müssen ihre gestiegenen Kosten an den Verbraucher durchleiten. Das wird zu höheren Preisen für Lebensmittel führen.“

Ein Gummistiefel und der Spruch „Stellt Euch hinter die Landwirte“ – damit werben Bauern an einem Ortsschild von Töging um Solidarität.

Ein Landwirt hat kein Arbeitnehmergehalt

„Als Landwirt arbeite ich 60 bis 70 Stunden pro Woche, gehe zweimal täglich in den Stall“, sagt Gerhard Langreiter, Ferkelerzeuger aus Oberneukirchen. „Ich arbeite auch am Sonntag, bin immer angehängt.“

Das Einkommen der Landwirte im vergangenen Jahr und dem Jahr davor

Das Betriebsergebnis eines Geschäftsjahres ist sein Bruttolohn. „Davon muss ich als Selbstständiger Beiträge an die Alters- und Krankenkasse abführen, privat fürs Alter vorsorgen und Familienmitglieder wie Frau und Kindern für ihre Mitarbeit bezahlen“, zählt Mühldorfs stellvertretender Kreisobmann auf. „Dazu kommt bei vielen Familienbetrieben der Lebensunterhalt für die ‚Austragler‘. Bei mir ist das meine Mutter, die allein von ihrer Landwirts- und Witwenrente nicht leben könnte.“

Ein Muss: Rücklagen für Investitionen bilden

Das war's aber noch nicht. Langreiter muss in den nächsten Jahren in mehr Tierwohl investieren, er muss deshalb jährlich Rücklagen von bis zu 40.000 Euro bilden. In Landreiters Betrieb schlägt die steigende Dieselsteuer mit einem Minus von rund 700 Euro pro Jahr zu Buche: „Futterbaubetriebe und Milchbauern mit 70 bis 80 Kühen haben dadurch sogar Mehrkosten von etwa 3000 Euro pro Jahr.“

Gerhard Langreiter, Ferkelerzeuger und stellvertretender BBV-Kreisobmann.

„Keiner berichtet von den schlechten Jahren“

Was ihn ärgert: „Keiner berichtet über die vielen schlechten Jahre für die Landwirtschaft. Läuft aber ein Jahr gut, reden alle davon.“ Corona und der Ukrainekrieg haben massiv auf die Preise gedrückt, der Getreidepreis sei dagegen zeitweilig massiv gestiegen. „Wir Landwirte sind regelmäßig extremen Preisschwankungen ausgesetzt, es ist ein ständiges Auf und Ab.“

„Braucht man uns noch?“

Wäre ein Bauernhof beständig ertragreich, würde jeder Landwirt weitermachen wollen. Aber das Gegenteil sei der Fall. „Wir haben ein Nachwuchsproblem, viele Babyboomer stehen ohne Hofnachfolger da“, bedauert Langreiter. Junge Landwirte bräuchten eine Perspektive, die müsse die Politik schaffen. Er stellt die für Landwirte entscheidende Frage an die Politik: „Braucht man uns noch?“

Die Sache mit dem Agrar-Diesel – „Wir wollen nichts geschenkt“

Gust Obermeier Senior, Landwirt aus Schwindegg, begründet die niedrigere Dieselsteuer für Bauern so: Die Mineralölsteuer werde für die Instandhaltung und Erneuerung von Straßen verwendet. „Der geteilte Steuersatz beim Diesel, hat sich als praktikable und faire Möglichkeit herausgestellt“, findet er. „Der Grund für die Ermäßigung ist, dass bei Arbeiten im Feld oder auf der Wiese keine öffentliche Straße beansprucht wird.“

Im Durchschnitt sei der Landwirt 75 Prozent auf Acker und Wiese und nur zu 25 Prozent auf öffentlichen Straßen unterwegs. „Der gerechte Steueranteil für Landwirte dürfte eigentlich nur ein Viertel sein“, rechnet Obermeier vor. „Die Landwirte zahlen also seit vielen Jahren pro Jahr rund 100 Millionen Euro zu viel Steuern.“

Gust Obermeier Senior ist Müller, Mühlenbau- und Maschinenbaumeister. In Schwindegg bewirtschaftet seine Familie einen Ackerbaubetrieb mit rund 50 Hektar im Nebenerwerb und hat eine Maschinenbaufirma mit derzeit 18 Mitarbeitern.

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