Interview mit Mühldorfs Landrat Max Heimerl
Von Flüchtlingscontainer bis Windkraft: „Es geht um die Akzeptanz vor Ort“ – Heimerl im Interview
Mühldorfs Landrat Max Heimerl stellt sich im Sommer-Interview unter anderem Fragen zur Unterbringung von Flüchtlingen in Containerdörfern, der Nutzung von Windkraft im Landkreis und den Chancen auf Lärmschutz entlang der Autobahn.
Wohnungen für Flüchtlinge und Asylsuchende sind knapp, was will der Landkreis tun?
Max Heimerl: Wir mussten Flüchtlinge und Asylsuchende bisher weder längerfristig in Turnhallen, noch in Zelten oder Traglufthallen einquartieren und wollen sie auch weiterhin gut und menschenwürdig unterbringen. Dafür suchen wir nach wie vor primär und intensiv auf dem Wohnungsmarkt. Zusätzlich sind Container gute Lösungen. Denn dabei handelt es sich mittlerweile um qualitativ hochwertige Wohnmodule.
Wo sollen die Container aufgestellt werden?
Heimerl: Wir wollen keine Hotspots schaffen und Gemeinden nicht überlasten, wenn es um ihre Infrastruktur aus Kindergartenplätzen, Schulen und ehrenamtlichen Helfern geht. Derzeit prüfen wir mehrere Standorte über den Landkreis verteilt, dafür bekommen wir inzwischen vermehrt private Angebote. Wir stehen an mehreren Orten in Verhandlungen, die Bürgermeister sind informiert und eingebunden, denn es geht uns um die Akzeptanz vor Ort.
Bleiben Sie bei Ihrer Zusage, dass kein Containerstandort mehr als 50 Personen beherbergen wird?
Heimerl: Die Zahl von circa 50 Personen ist das Ziel, die Module sind auf 50 bis 60 Personen ausgelegt. Bei der maximalen Größe und Belegung ist die Verträglichkeit mit der Umgebung der Maßstab. Leider ist bei der Zuweisung von Flüchtlingen und Asylsuchenden kein Ende in Sicht.
Wie viel mehr Flüchtlinge und Asylbewerber kann der Landkreis noch verkraften?
Heimerl: Geht es um ein Dach über dem Kopf oder die Integration der Menschen? Wir brauchen neben Plätzen in Kindergärten und Schulen auch Sprachkurse für Erwachsene. Diese Angebote sind begrenzt und können nicht unendlich ausgebaut werden. Die Grenze der Aufnahmefähigkeit ist die Grenze der Integrationsfähigkeit. Die ist jetzt schon erreicht.
Aktuelle Flüchtlingszahlen
Stand 7. August befinden sich im Landkreis 1358 registrierte Ukraine-Flüchtlinge, davon 478 in dezentralen Unterkünften. Außerdem leben 1248 Asylbewerber aus anderen Ländern in Unterkünften, davon 450 im Ankerzentrum Waldkraiburg. 496 Asylbewerber wohnen in dezentralen Unterkünften.
Was unternimmt der Landkreis, um seine Trinkwasserreserven zu schützen und nicht übermäßig gewerblich ausbeuten zu lassen?
Heimerl: Käme es zu einer Wasserknappheit, kann der Landkreis den Wasserverbrauch durch den Erlass einer Allgemeinverfügung einschränken. Das wurde andernorts mit Verboten zum Befüllen von Pools oder Autowaschen mit Leitungswasser schon gemacht. Geht es darum, dass die Nutzung von Tiefengrundwasser neu beantragt oder verlängert werden soll wie in Polling derzeit, setzt der Landkreis auf Basis der Erkenntnisse des Wasserwirtschaftsamtes Verwaltungsrecht um. Die kommunale Wasserversorgung der Bürger steht immer über gewerblicher Nutzung. Was nicht heißt, dass gewerbliche Nutzung an sich verboten ist. Das Wasserwirtschaftsamt prüft, ob das Tiefengrundwasser für die öffentliche Versorgung und für eine gewerbliche Nutzung ausreicht. Die gewerbliche Entnahmemenge kann mengenmäßig und zeitlich begrenzt werden.
Ministerpräsident Söder hat die Durchführung einer Machbarkeitsstudie für die Landkreisidee „Zukunftsachse A94“ zugesagt. Wie ist das vorangekommen?
Heimerl: Es ist gut angelaufen. Das bayerische Wirtschaftsministerium wurde mit der Projektleitung beauftragt, auch das Verkehrsministerium ist eingebunden. Jetzt wird erarbeitet, welche Faktoren es zu prüfen gilt, unter anderem der Schallschutz. Was hiesige Abgeordnete der Regierungsfraktionen auf Bundesebene in dem OVB-Artikel zur Forderung der Autobahn-Anlieger nach Lärmschutz gesagt haben, war ernüchternd. Der Landkreis ist der einzige, der etwas für die Anwohner machen will. Wir werden Lärmschutz an der A94 nur in Kombination mit PV-Anlagen erreichen und haben gute Chancen, mit diesen Plänen Gegenstand einer wissenschaftlichen Studie und einer Teststrecke zu werden.
Wie gut sind die kreiseigenen Gebäude aufgestellt, wenn es um erneuerbare Energien und Heizung geht?
Heimerl: Auf all unseren Liegenschaften haben wir mit der regionalen Energie GmbH eigene PV-Anlagen errichtet, weitere kommen auf dem Parkplatz und der Tiefgarage des Landratsamtes dazu. Unsere Schulen in Waldkraiburg werden über Geothermie beheizt oder sind an der Nahwärmeversorgung angeschlossen wie in Gars. Das Berufsschulzentrum Mühldorf versorgt sich als Energieplusgebäude selbst mit Energie und Wärme. Die Förderschule Waldwinkel und die Realschule Haag sollen an die zentrale Wärmeversorgung der Gemeinden angehängt werden.
Welche Rolle spielt das Fernwärmenetz, das aus Polling nach Mühldorf führen soll?
Heimerl: Für die Landratsamtsgebäude, das Ruperti-Gymnasium, die Berufsschule 1 und das Krankenhaus in Mühldorf sowie umliegende Gebäude wollten wir eine eigene Nahwärmeleitung aufbauen. Wir warten aber jetzt die Geothermiebohrung in Polling ab und wollen dann dort anschließen. Für die Klinik ist Geothermie ideal, denn ein Krankenhaus ist ein Energiefresser. Auf der anderen Seite sorgt das Krankenhaus für genügend Wärmeabnahme auch im Sommer und damit für die nötige Wirtschaftlichkeit der Geothermie.
Wie weit sind die Planungen für die Windkraft-Nutzung des Eiglwalds südlich von Oberneukirchen?
Heimerl: Der Eiglwald ist das größte zusammenhängende Vorranggebiet im Landkreis. Zurzeit wird geprüft, ob dort ein Windpark akzeptiert würde und wirtschaftlich umsetzbar ist. Dazu finden Windmessungen statt und eine artenschutzrechtliche Überprüfung. Erst dann kann man der Frage „Was wäre möglich“ nachgehen.
Ein schwieriges Vorhaben?
Heimerl: Ich werde öfter gefragt, warum wir uns das antun, denn bei diesem Thema gibt es immer auch Kritiker. Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien sind nicht schön, egal ob Windräder, Biogasanlagen oder Freiflächen-Photovoltaikanlagen. Wir haben dort hunderte Grundstückseigentümer, ohne deren Zustimmung geht gar nichts. Wir könnten auf private Investoren warten. Wenn wir aber selbst den Mehrwert aus einer verbesserten Stromversorgung durch mehr erzeugten Strom und günstigere Strompreise ziehen wollen, brauchen wir eine öffentliche Träger- oder Genossenschaft unter Beteiligung der Kommunen.
Erwarten Sie im Landkreis einen Rechtsruck bei den Landtagswahlen im Oktober?
Heimerl: Derzeit sind viele Themen auf Bundesebene nicht zufriedenstellend gelöst, wie die Wirtschafts- und Energiepolitik oder die Flüchtlingspolitik. Viele Menschen haben das Gefühl, es geht in eine falsche Richtung. Ich bin aber zuversichtlich und optimistisch, dass die Menschen verstehen, dass ein Rechtsruck die bestehenden Probleme nicht löst, sondern neue verursacht.
Welche Schlagzeile wünschen Sie sich für den Landkreis?
Heimerl: Zuerst „Bund spannt einen Rettungsschirm über Krankenhäuser“, darauf folgen dann „Haushaltslage des Landkreises Mühldorf stabilisiert sich“ und „Der Landkreis packt wichtige Zukunftsinvestitionen an“.