Wo bleibt der versprochene Lärmschutz im Landkreis Mühldorf?
„Schall der Autobahn trifft uns voll“: A94-Anwohner leiden Tag und Nacht
Für Autofahrer ist die A94 die schnellste Verbindung nach München. Für Anwohner der Autobahn ist der von ihr ausgehende Verkehrslärm ein tägliches Ärgernis. Sie kämpfen noch immer um den Schutz vor Lärm und die Gesundheit ihrer Familien. Einer von ihnen ist Markus Heindl.
Mühldorf - Der Weiler bei Obertaufkirchen ist ein schönes Fleckchen Erde. Wiesen und Felder, der nächste Nachbar ist weit entfernt. Dafür ist seit ein paar Jahren die Autobahn A94 in Sicht – und vor allem in Hörweite. Knapp 300 Meter von der A94 entfernt lebt Markus Heindl mit seiner Frau Marion, beide sind 39, und den drei Söhnen (7, 5 und eineinhalb Jahre alt). Auch sein Vater wohnt in einem Haus nebenan. Heindl steht mit einem Lärm-Messgerät auf seinem Grundstück. Sein Gesichtsausdruck und die hängenden Schultern sagen schon alles, der tägliche Verkehrslärm macht ihm zu schaffen.
„Wir haben vorausschauend mit extra dicken Mauern und dreifach verglasten Fenstern gebaut“, erzählt Heindl. Das war im Jahr 2010, ein Ersatzbau für das bestehende Haus seiner Großeltern. Der 39-Jährige war kein Gegner der Autobahn, eine Alternative zur B12 hielt er für nötig und als Berufspendler profitiert er selbst von der A94 vor der Haustür. „Aber dass es so schlimm wird, haben wir nicht erwartet.“ Hätte er gewusst, was die Autobahn mit sich bringt, hätte er gegen ihren Bau gekämpft.
„Keine Stunde ohne ein Auto“
Er und seine Frau waren Lärm gewohnt, sie lebten jahrelang in einem Haus zwischen Bahngleis und Isentalstraße, die vor dem Bau der Autobahn stark befahren war. „Wir sind nicht besonders lärmempfindlich, aber als Nachbar der Autobahn hat man keine Stunde ohne ein Auto, der Fahrzeuglärm ist permanent da.“
Dämmplatten am Zimmerfenster
Bei offenem Fenster schlafen die Heindls nie. Um in der Nacht einigermaßen Ruhe zu haben, bringt der Familienvater an den Schlafzimmerfenstern jeden Abend selbst gezimmerte Dämmplatten an. Lüften geht nachts nur auf der Rückseite des Hauses. „Unser Haus liegt in einem Tal-Kessel, der Schall von der Autobahn trifft uns voll.“
Sonntags wird auf der A94 gerast
Das Grundstück rund ums Haus hat die Familie gemütlich angelegt, grüner Rasen für die Kinder eine Terrasse nach Süden. Aber: „Wir sitzen nie draußen“, sagt Heindl. „Zwei Leute haben kaum die Möglichkeit, sich in Ruhe zu unterhalten.“ Ein Gläschen Wein am Abend? Das funktioniere vielleicht ein-, zweimal im Jahr. Besonders sonntags, wenn auf der Autobahn die Ausflügler unterwegs seien, werde es laut. „Dann wird sie in beiden Richtungen zur Rennstrecke für schnelle Autos.“ Deshalb habe auch das zeitweilige Tempolimit etwas gebracht, nicht viel, aber immerhin eine kleine Erleichterung.
Angst vor dem Lückenschluss
„Nach Corona hat die Verkehrsdichte wieder zugenommen und ich habe jetzt schon Angst vor dem Lückenschluss der A94 in Niederbayern“, sagt Markus Heindl. „Das wird uns noch mehr Verkehr und vor allem Schwerlastverkehr bringen.“ Er hofft darauf, dass bis dahin zum Jahr 2030 Maßnahmen zum Lärmschutz umgesetzt sind.
Schon 2021 neue Lärmmessung gefordert
Bereits im Februar 2021 hatte Ministerin Ulrike Scharf bei einem Ortstermin an der A94 festgestellt, dass der Verkehr bis zu 80 Prozent des erst für 2025 prognostizierten Verkehrs erreicht hatte. Sie forderte erneute Lärm-Messungen in ein, zwei Jahren. Denn an einzelnen Messpunkten – speziell an denen mit Waschbeton-Belag – waren schon 2021 die Nachtgrenzwerte von 54 dB(A) fast ausgereizt.
Bei Ebering wechselt der Straßenbelag
Familie Heindl lebt genau dort, wo bis zur Talsenke Richtung Mühldorf dieser angeblich haltbarere, aber auch lautere Waschbeton verbaut wurde. In Richtung München geht es mit lärmminderndem „Flüsterbelag“ weiter. Im Januar 2020 hatte Ministerpräsident Markus Söder im Landkreis Erding Verbesserungen des Lärmschutzes entlang der A94 sowie eine Veränderung der Abschnitte mit Waschbeton-Belag in Aussicht gestellt – geschehen ist nichts.
Kampf erscheint aussichtslos
„Auch, wenn das Engagement der Anwohner in der Coronazeit etwas nachgelassen hat, bleiben wir dran“, kündigt Heindl an, der sich in der Bürgerinitiative gegen den Lärm der A94 engagiert. Denn die Versprechungen seitens der Politik wurden nicht eingehalten. Dass der Bund für den Lärmschutz zuständig ist, mache die Sache nicht leichter und schade der Motivation, denn es erscheint geradezu aussichtslos.
Heimerls Idee kommt gut an
Die Idee von Mühldorfs Landrat Max Heimerl, entlang der A94 Lärmschutz mit PV-Anlagen zu kombinieren gefällt Heindl, das wäre zumindest „ein Erfolg durch die Hintertür“. Ausgemacht ist das aber noch nicht. Was kombinierte PV-/Lärmschutz-Anlagen entlang der A94 angeht, „sind die Ergebnisse der zentralen Überlegungen der Autobahn GmbH abzuwarten“, sagte Josef Seebacher, Pressesprecher der Autobahn GmbH des Bundes, Niederlassung Südbayern, zu Heimerls Plänen.
Weniger Lärm den Kindern zuliebe
Schon seinen Kindern zuliebe, kann er nicht in seinen Forderungen nach mehr Lärmschutz nachlassen. Er steht in Austausch mit dem Landratsamt, ein „Lärmgipfel“ mit Landrat Heimerl und MdB Stephan Mayer sei geplant.
Auch Fred Mayerhofer aus Schwindkirchen lebt neben der Autobahn. Für ihn waren die Ankündigungen der letzten Jahre nur „leere Versprechungen“. Dabei ist aus seiner Sicht das Kernproblem bekannt: der Lärm der Lastwagen. „Sie verursachen sehr viel Lärm.“ Nur an Sonntagen, wenn Lastwagen nicht fahren dürften, sei es ruhiger. „Wenn es leiser werden sollte, müssten Lastwagen limitiert werden“, sagt Mayerhofer. Er spricht von Tempo 60.
Häuser an der Autobahn verlieren an Wert
Die lärmgeplagten Anwohner fühlen sich als Bürger zweiter Klasse und müssen der Entwertung ihrer Häuser und Grundstücke hilflos zusehen. Sie sprechen von „stiller Enteignung“. Jede kleinste Maßnahme, die den Lärm mindert, würden sie begrüßen.
