50 Menschen verletzt
Vor 60 Jahren: Unwetter verwüstete Volksfest – ist die Mühldorfer Wiesn heute sicherer?
Ein Orkan hat vor 60 Jahren das Mühldorfer Volksfest zerstört und 50 Menschen verletzt, einige schwer. Ist das Fest heute in Zeiten schwerer Stürme und Gewitter sicherer?
Mühldorf – In einer Hinsicht war es ein bemerkenswerter Abend und für manche furchterregender Abend beim Mühldorfer Volksfest 2023: Am ersten Volksfestmontag zog ein gewaltiges Gewitter über die Stadt und den Festplatz. Es beutelte die Zelte, Planen flogen auf, Donner und Blitze sorgten für Unruhe, dazu gigantische Wassermassen. Besucher flüchteten sich in die Zelte: „Der Regen kam waagrecht“, schilderte vor einem Jahr Mandelbrater Rudi Stey den Abend. Binnen weniger Minuten standen auf einem Teil des Festplatzes riesige Pfützen.
Volksfestplatz wurde zum Trümmerfeld
Ältere Mühldorf erinnern sich an einen anderen Tag, an einen viel schlimmeren Tag: Es war ein Samstag, an dem vor genau 60 Jahren das Mühldorfer Volksfest ein brutales Ende fand. „Mühldorf erlebt die schwerste Unwetter-Katastrophe seit Menschengedenken“, titelte damals der Mühldorfer Anzeiger und zog eine schreckliche Bilanz: „Volksfestplatz in Trümmerfeld verwandelt – 50 Menschen zum Teil schwer verletzt – Straßen überschwemmt und von Bäumen blockiert – Stadt ohne Licht – Telefonverkehr unterbrochen.“
In seinem Beitrag „Ein Sturm wie eine Detonation“ nennt der ehemalige Redakteur der OVB Heimatzeitungen Wolfgang Haserer den 29. August 1964 „einen der dunkelsten Tage“ der Volksfestgeschichte. Aufgeschrieben hat Haserer das im Buch zum 150. Jubiläum des Volksfests 2015. „Sturmböen der Windstärke 12 rissen das große Bierzelt um, 35 Wiesnbesucher wurden unter den Zeltplanen begraben und mussten geborgen werden.“
Ingrid Unertl, bis zu ihrem Tod die große Wirtin im Weißbierzelt, sagt in dem Beitrag: „Das war wie eine Detonation, so schnell brach das Unwetter über Mühldorf herein. Eine einzige Sturmflut vom Himmel. Die Fischsemmeln, die Geldkassetten, die Giggerl: Alles schwamm in einem großen See.“
Weil es keine Toten gab, beschlossen die Stadtoberen die Fortsetzung des Festes. Weil die Reparaturarbeiten zwei Tage in Anspruch nehmen würden, legten die Verantwortlichen den Neustart auf Dienstag, 1. September 1964 fest. 15.000 Menschen beobachteten die Arbeiten zum Wiederaufbau. Der Gesamtschaden des Sturms lag laut Mühldorfer Anzeiger bei rund 150.000 Mark.
Die „verzweifelte Niedergeschlagenheit“ verwandelte sich schon am Dienstag, 1. September 1964, in „stimmungsvollen Optimismus“, zitiert Buchautor Haserer aus dem Mühldorfer Anzeiger. „Als gelte es, die verlorenen Tage nachzuholen, kannten Jubel, Trubel und Heiterkeit keine Grenzen mehr.“
Und heute? Beim großen Unwetter 2023 zeigte sich die längst verbesserte Vorbereitung. „Wir waren aufgrund der Vorhersagen diverser Wetterdienste vorgewarnt, haben uns rechtzeitig vor dem großen Unwetter getroffen und den Krisenstab mit Polizei, BRK, Feuerwehr und Veranstaltungsleiter einberufen“, berichtete Volksfestmanager Walter Gruber vor knapp einem Jahr in den OVB Heimatzeitungen.
Die Stadt ließ den Platz räumen, schloss Verkaufsbuden und Fahrgeschäfte. Kaum war das Unwetter vorbei, badeten die ersten fröhlich in der tiefen Pfütze, die beim Zugang zum Spatenzelt nasse Füße bescherte. Doch das Vergnügen dauerte nicht lang, da hatte die Feuerwehr das Wasser abgepumpt. Nur zwei Stunden nach Beginn des Gewitters lief das Volksfest bereits wieder.
Eines steht fest: Die Zahl der schweren Gewitter steigt, Unwetter mit starkem Wind und extrem viel Regen sind mehr geworden. Für die Stadt als Veranstalter des Volksfests Anlass genug, diese Gefahr auch heuer im Blick zu haben.
„Wir können nicht genau sagen, wie die Vorschriften 1964 aussahen, jedoch hat sich die Situation seither deutlich verbessert“, betont Stadtsprecherin Teresa Harreiner. „Die Standsicherheit von Zelten und Fahrgeschäften ist Teil der Abnahme.“
In den Zeltbüchern sei bis ins kleinste Detail festgelegt, wie das jeweilige Zelt aufgebaut werden müsse. „Ein Zeltmeister überwacht den Aufbau, bevor die Sicherheitsbehörden der Stadt und des Landratsamts die Zelte baurechtlich und statisch abnehmen.“ Außerdem gebe es für die Zeltbetreiber Vorgaben für Gas, Strom, Fluchtwege und Hygiene.
Deren Einhaltung überprüfen das Landratsamt, die Feuerwehr und das Gesundheitsamt, bevor die Zelte in Betrieb gehen. Die Fahrgeschäfte nimmt laut Harreiner der TÜV ab.
Vor Überschwemmungen sei der Volksfestplatz sicher, teilt die Stadt mit. Um für schwere Gewitter wie 2023 gerüstet zu sein, seien aber weitere Versickerungsschächte eingebaut worden, damit Wasser schneller abfließen könne.
Für Bürgermeister Michael Hetzl hat sich in Sachen Sicherheit seit dem großen Unglück von 1964 viel getan. „Die Besucherinnen und Besucher müssen sich diesbezüglich keine Sorgen machen“, beruhigt er.
Das Mühldorfer Volksfest beginnt am Freitag, 30. August, mit dem Auszug um 17.30 Uhr. Es geht bis Montag, 9. September.



