„In allen Baugebieten wird weniger gebaut“
Wie der Traum vom Eigenheim für eine Mühldorfer Familie über Nacht platzte
Die Zinsen sind hoch, die Baupreise auch. Über Nacht platzte für die Familie Hafner deshalb der Traum vom Eigenheim in Mühldorf. Sie sind nicht die einzigen.
Mühldorf – Vor gut eineinhalb Jahren zählte Familie Hafner (Name von der Redaktion geändert) zu den großen Glückspilzen in Mühldorf. Sie hatten den Zuschlag für eines der heißbegehrten Grundstücke am Kirchenfeld an der Harthauser Straße in Mühldorf Nord erhalten. 22 Grundstücke vergibt die Stadt dort nach dem Mühldorfer Modell, knapp 100 Interessenten gab es damals. „Wir standen auf Platz eins“, sagt Vater Sebastian Hafner, als am 5. April 2022 die Zusage kam.
Alle Kriterien der Stadt erfüllt
Die fünf Mühldorfer – Vater, Mutter und drei Kinder zwischen elf und 14 Jahren – erfüllten alle Kriterien der Stadt für die Vergabe: Einkommens- und Vermögensgrenzen, bislang kein eigenes Wohneigentum, in Mühldorf leben oder arbeiten, sich sozial engagieren.
Obwohl Familie Hafner günstiger an ein Grundstück gekommen wäre, waren keine großen Sprünge vorgesehen, macht der 37-Jährige klar. Den Rohbau hätte er als Schreiner weitgehend selbst hingestellt, 450.000 Euro betrug das Budget. „Damit wäre es im vergangenen Jahr gerade noch gegangen.“ 220.000 Euro davon sollten laut Hafner auf das Grundstück entfallen.
Hafner erklärt, dass sie eine monatliche Belastung von 1600 Euro eingeplant hätten, gerade ausreichend um das neue Haus zu finanzieren und trotzdem genug für das tägliche Leben zu behalten. Nach Kriegsbeginn in der Ukraine, Inflation und Zinsrallye im Frühjahr 2022 schalteten die Hafners den Taschenrechner erneut ein.
Hohe Zinsen senken Budget um fast ein Drittel
Das Ergebnis ließ alle Träume platzen. Denn für die vorgesehene monatliche Belastung von 1600 Euro hätte es plötzlich nur noch 350.000 Euro gegeben – zu wenig, um ein Grundstück zu kaufen und ein Haus zu bauen.
Zum Glück lebt die Familie in einem geräumigen Haus in Mühldorf, es ist genug Platz für alle, die Miete erträglich. Das Vorhaben, im Alter mietfrei zu sein und so für die Rente vorzusorgen, müssen die Hafners jetzt anders erfüllen. Auch die Sorge für die Eltern seiner Frau. Die sollten nach Mühldorf ziehen und im neuen Haus eine Einliegerwohnung erhalten.
Nur eine Wohnung auf der Wunschliste
Jetzt wühlt sich Sebastian Hafner wieder durch die Immobilienanzeigen. Denn er hält daran fest, im Alter keine Miete mehr zahlen zu wollen. Eine Wohnung soll es jetzt werden, kleiner, preiswerter als das Haus. Dort sollen zunächst die Eltern einziehen, danach er und seine Frau.
Die stark gestiegenen Zinsen bestätigt Alexandra Schuhbauer, Generalbevollmächtigte der Sparkasse Altötting-Mühldorf. Sie sagt aber auch: „Im langfristigen Vergleich sind die Zinsen auf einem moderaten Niveau.“ Denn vor der Nullzinsphase der letzten Jahre mussten Häuslebauer bis zu acht Prozent in den 1990er Jahren zahlen.
Keine großen Zinssprünge nach unten zu erwarten
Nach Ermittlungen des Internetportals Finanztipp gibt es Baukredite derzeit zwischen drei und 4,5 Prozent, laut Sparkassenverband liegen sie zwischen 4,1 und 4,5 Prozent. Wird sich das wieder ändern? Sparkassen-Bänkerin Schuhbauer ist skeptisch. Sie sagt zwar: „Im momentanen Marktumfeld ist dies insbesondere mit Blick auf die geopolitische Lage eine schwierig zu beantwortende Frage.“
Aber die Vorkrisenzinsen seien weit weg: „Eine Entwicklung zurück zu diesem Zinsniveau sehen wir auf absehbare Zeit nicht.“ Immerhin ein Positives hat sie festgestellt: „Insgesamt scheint sich die dynamische Zinsentwicklung zu beruhigen.“ Mit anderen Worten: „Die Zinsen werden wohl nicht viel weiter steigen.“
Mehrere Opfer der hohen Zinsen
Familie Hafner ist nicht das einzige Opfer der stark gestiegenen Zinsen. Es gab eine Zeit vor drei oder vier Jahren, da standen in Mühldorf Nord mehr als ein Dutzend Baukräne. Einfamilienhäuser und Wohnblocks wuchsen im gesamten Stadtgebiet aus dem Boden, das Bauamt kam mit den Genehmigungen nicht mehr nach.
In allen Baugebieten wird weniger gebaut
Und heute: „In allen Baugebieten wird weniger gebaut“, sagt Mühldorfs Bürgermeister Michael Hetzl. Das gilt auch für die Bereiche, in denen es durch das Mühldorfer Modell preiswertere Grundstücke für Einheimische gibt wie am Kirchenfeld. Die sind alle vergeben, Bürgermeister Hetzl ist aber zurückhaltend: „Jetzt wird sich zeigen, wer wirklich Kredite bekommt und bauen kann. Wir gehen davon aus, dass es einige Verschiebungen geben wird.“
Fünf Interessenten haben nach Angaben der Stadt ihre Grundstücke inzwischen zurückgegeben, darunter Familie Hafner. Laut Hetzl sind aber sofort andere Interessenten eingesprungen, die auf der Warteliste für die 22 Grundstücke standen.