Diskussion um Zukunft des Busverkehrs
Rufbus mit „fulminantem Start“? Streit über Zahlen in Mühldorf – und wie es nun weitergeht
Ein heftiger Streit über die Zahlen für Stadtbus und Rufbus prägte die jüngste Sitzung des Mühldorfer Stadtrats. Die Entscheidung über die Zukunft des öffentlichen Nahverkehrs hing am Ende aber an einer ganz anderen Frage.
Mühldorf – Es war ein langer Streit um Zahlen und Berechnungen, die die Stadtratssitzung zum Thema öffentlicher Nahverkehr prägte. Stadträte, Verwaltung und Bürgermeister warfen sich dabei gegenseitig vor, Zahlen zu Kosten und Nutzung von Stadtbus und Rufbus in ihrem Sinne und zugunsten ihrer Argumente zu berechnen.
Im Juli war der Rufbusbetrieb gestartet, das neue System soll laut einstimmigem Beschluss des Stadtrats den bisherigen Stadtbus ersetzen. Jetzt, nach den ersten Wochen des Probebetriebs, ging es um die Ausschreibung des künftigen Dauerbetriebs.
Für Bürgermeister Michael Hetzl (UM) stand fest: „Nach vier Monaten Erfahrung können wir sagen, es ist sehr, sehr gut gelaufen.“ Er wies auf seiner Ansicht nach hohe Fahrgastzahlen bei vernünftigen Kosten hin. Ganz konkrete Aussagen zu den Kosten sind laut Hetzl aber noch nicht möglich, derzeit seien alle Zahlen vorläufig. Es gebe lediglich Prognosen, was der Betrieb kosten werde. „Wir wissen noch gar nicht, wohin die Reise finanziell geht.“
Stadt: fulminanter Start
Daniela Goldbacher, in deren Aufgabengebiet bei der Stadt Mühldorf der öffentliche Nahverkehr fällt, zählte positive Aspekte auf: „Wir können sehr flexibel auf Wünsche eingehen, zum Beispiel, was Haltestellen angeht.“ Ab Dezember werde ein drittes Fahrzeug eingesetzt; damit reagiere die Stadt auf Hinweise, dass derzeit zu wenige Busse unterwegs sind. „Wir haben einen fulminanten Start gehabt“, sagte sie, das habe auch der Betreiber bestätigt. „Es wurde unglaublich gut angenommen.“
Viele Straßen seien erstmals vernünftig an den ÖPNV angebunden. Die Einstiegssituation für Gehbehinderte mit einem Schemel nannte sie „nicht optimal“. Es gebe aber Alternativen, die künftig einen besseren Zugang ermöglichen würden. „Man kann insgesamt sagen, es läuft reibungslos.“
Grüne: Zahlen für alten Stadtbus künstlich kleingerechnet
Sie kritisierte Zahlen, wie sie Verkehrsreferent Dr. Georg Gafus (Grüne) zuletzt vorgelegt habe, nannte die Angaben „nicht nachvollziehbar“. Es sei aufgrund der Nutzung von Zehner- oder Monatskarten zum Beispiel nicht möglich zu sagen, wie viele Einzelfahrten es auf den früheren Stadtbuslinien tatsächlich gegeben habe. Bürgermeister Hetzl betonte: „Der Unternehmer hat auch keine Entschädigungszahlungen für das Deutschlandticket beantragt, er hat auch keine Zahlen vorgelegt.“ Es gebe keine präzise Faktenbasis.
Dr. Matthias Kraft (Grüne) verteidigte dagegen die Annahmen des Verkehrsreferenten für den früheren Stadtbus und warf der Stadtverwaltung vor, zu niedrige Zahlen für die Benutzung von Mehrfachkarten oder des Deutschlandtickets anzusetzen. „Warum versuchen wir, die Zahlen aus dem früheren Linienbetrieb immer kleinzurechnen?“ Schließlich seien diese Zahlen der Referenzwert, aus dem ein gutes System abgeleitet werden müsste. „Wir müssen in diesem Bereich immer mit Schätzzahlen arbeiten.“ Kraft kritisierte, dass schon nach nicht ganz vier Monaten Testbetrieb eine Entscheidung getroffen werden solle. „So ist es schwierig, zu sagen, wie es wirklich läuft.“
CSU: Es gibt noch Klärungsbedarf
Die weitere Richtung der Diskussion gab schließlich Stefan Lasner vor. Der CSU-Fraktionssprecher erneuerte die Entscheidung seiner Partei für den Rufbus. Deshalb, so sagte er, wolle er nicht lange auf die Zahlen eingehen. In die könne nämlich jeder hineininterpretieren, was ihm zupass käme. Trotz der grundsätzlichen Zusage zum Rufbus, lehnte er eine Zustimmung zum Ausschreibungskonzept der Stadt ab. „WIr sehen das heute als Kenntnisnahme, weil es noch Klärungsbedarf gibt.“
Fahrzeuge behindertengerecht
Der CSU-Fraktionsvorsitzende nannte die geforderten Leistungen in der Ausschreibung, die präzisiert werden müssten. Er fragte nach den Betriebszeiten, und ob die Busse alle zu allen Zeiten fahren sollen. Es solle konkretisiert werden, wie viele Fahrzeuge behindertengerecht sein müssten oder wie lange die Servicestelle besetzt sein müsse. Auch die Anforderungen an das Beschwerdemanagement müssten konkretisiert werden.
„Nach wie vor ist es bei uns in der CSU so: Wir sehen den Rufbus“, sagte Lasner. „Wir wollen aber nachjustieren.“ Er verlangte, dass im Verkehrsausschuss alle Fragen fundiert durchgesprochen werden müssten. „Damit wir dann am Ende in einer Sondersitzung des Stadtrats einen Beschluss fassen können.“ Nur so könne ein Vertrag zustande kommen, der für fünf Jahre Sicherheit gebe.
Bürgermeister Hetzl fürchtete dagegen, dass zu konkrete Vorgaben Bewerber abschrecken könnten. Das sei die Erfahrung, die die Stadt bei den vergangenen Ausschreibungen für den Stadtbus gemacht habe. „Deshalb haben wir eine relativ offene Ausschreibung gewählt.“
Eine Verschiebung der Entscheidung führe außerdem dazu, dass Ausschreibung und Vergabe bis zum Frühjahr zeitlich nicht mehr möglich sein würden. Damit könne die Stadt nicht wie geplant im Mai 2025 in den Regelbetrieb gehen. Auch Oliver Multusch (AfD) warnte davor, dass die Stadt im Mai und Juni ohne Stadtbus dastehen könnte.
SPD: zu wenig Information
Die SPD ist laut Sprecherin Angelika Kölbl weiterhin für den Rufbus, lehne eine sofortige Entscheidung über die Ausschreibung aber ab. „Wir haben Fragen, es gibt Kommunikationsprobleme, die gehören geklärt.“ Die bis jetzt vorliegenden Informationen reichten ihrer Fraktion nicht aus.
Der Stadtrat lehnte die Ausschreibung zu diesem Zeitpunkt knapp mit 12 zu zehn Stimmen ab. Lasners Vorschlag einer Sondersitzung erhielt dagegen 13 Ja-Stimmen, bei 9 Ablehnungen. Diese Sitzung des Verkehrsausschusses findet am 6. November statt.

