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Pilotphase läuft nicht rund

Scharfe Kritik an Mühldorfs Rufbus: „Sie nehmen uns Älteren die Lebensqualität“

Rufbus + Seniorin
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Es ruckelt im Probebetrieb: Beim Rufbus Mühldorf muss jede Fahrt einzeln gebucht werden. Vor allem Senioren machen das per Telefon.

In Mühldorf dreht der Rufbus seit 1. Juli seine Runden. Mit schlechten Erfahrungen haben sich einige Mühldorferinnen beim OVB gemeldet. Was sie kritisieren und was die Stadt dazu sagt.

Mühldorf – Mit dem Rufbus wollte Gisela Heinzelmann ihren Wocheneinkauf erledigen. Sie buchte zwei Tage im Voraus die Fahrt an einem Freitag um 13 Uhr, die Rückfahrt wurde ihr für 13.48 Uhr angeboten. „Das war knapp, aber ich konnte mich ja beeilen“, erzählt die fast 80-Jährige. Dann kam der Rufbus etwas verspätet zur Haltestelle, auf der Fahrt stieg noch eine andere Dame zu, die beim Krankenhaus abgesetzt wurde. Beim Globus kam Heinzelmann schließlich erst um 13.30 Uhr an, ihr blieben noch 18 Minuten bis zur gebuchten Rückfahrt. „In der kurzen Zeit kann doch niemand seinen Einkauf schaffen“, sagt sie noch immer empört. Einen späteren Termin zu buchen, klappte nicht. „Ich musste mit dem Taxi heimfahren.“

Auf den Stadtbus war Verlass

„Früher bin ich mit dem Linienbus gefahren, da hat das immer geklappt. Ich konnte mich auf den Fahrplan verlassen“, sie ist enttäuscht. Bei einem zweiten Versuch, konnte sie gar keine Fahrt mit dem Rufbus buchen, die für sie gepasst hätte. „In der oberen Stadt haben wir keine Möglichkeit, einzukaufen. Ich muss die Kinder fragen, ob sie uns fahren können. Wir Älteren ohne Auto sind jetzt abgehängt. Eine verlässliche Busverbindung ist für uns doch lebensnotwendig!“

Ähnliche Probleme hatte Inge Brandhuber. Sie wollte mit dem Rufbus zum Zug. „Ich habe gleich um 7 Uhr früh angerufen, wollte um 10.30 Uhr am Bahnhof sein.“ Normalerweise würde sie radeln, aber an diesem Tag war schlechtes Wetter. „Es gab keinen freien Platz für mich.“

Sie ist enttäuscht, weil ihre kurzfristig gewünschte Fahrt nicht hingehauen hat. „Mit dem Linienbus wär das kein Problem gewesen.“ Sie vermisst die Kennzeichnung der Rufbus-Haltestellen und hat festgestellt, dass sich Zustiegsstellen laufend ändern würden. „Die hochgelobte Lösung Rufbus ist keine Lösung.“

„Der Rufbus ist keine Lösung“

Eine andere ältere Dame, die regelmäßig zu einem Kaffeekränzchen in die Altstadt kommt, hätte für diesen fixen Wochentag nur die Hinfahrt zu ihrer Wunschzeit buchen können. Die mit dem Rufbus mögliche Rückfahrt wäre zu spät geworden.

Sie gibt zu bedenken: „Gerade ältere Personen sind nicht jeden Tag gleich gut beinander.“ Wer spontan etwas unternehmen will, sei mit dem Rufbus nicht gut bedient. Der Rufbus sei nicht barrierefrei. Wer auf Gehhilfen angewiesen ist, bekomme nur einen Schemel als Zustiegshilfe.

Fahrten oft unpünktlich am Ziel

„Ich habe bei jedem Ein- und Aussteigen Angst um mein Hüftgelenk“, sagt die hüftoperierte Brigitte Heinrich (78). Sie nutzt den Rufbus zwei- bis dreimal pro Woche und hat einiges zu kritisieren: ortsunkundige Fahrer, die mit dem Navi Umwege führen und verspätet zum Ziel kämen; die Enge im Bus; die schwierige Planbarkeit der Rückfahrt etwa bei Arztbesuchen, wenn man nicht wisse, wie lange es dauere; Fahrgäste müssen selbst den Sitz an der Tür hochklappen, um anderen den Durchgang zu ermöglichen.

„Es ist eine Katastrophe“

„Uns Alte schieben sie ab“, klagt Heinrich. Früher sei sie freitags mit dem Linienbus zum Bauernmarkt in die Stadt gefahren: „Da war ich zeitlich frei. Mit dem Rufbus kann ich weder spontan sein noch selbst entscheiden, wann ich fahren will. Es ist eine Katastrophe, der Rufbus nimmt uns die Lebensqualiät!“

Stadt hat mit Kritik gerechnet

Wie steht die Stadt zu dieser Kritik? „Die Umstellung auf den Rufbus-Probebetrieb zum 1. Juli markiert eine fundamentale Änderung in den Mühldorfer ÖPNV-Gewohnheiten“, gibt Stadtsprecher Werner Kurzlechner zu. „Wir haben mit Kritik gerechnet.“ Bislang werde der Rufbus Mühldorf aber hervorragend angenommen, mit 1667 Fahrten im ersten Monat und 2112 Fahrgästen.

„Wir können nachjustieren, wenn das nötig und machbar ist.“ Dafür müsse Kritik aber bei der Stadt ankommen. Die den OVB Heimatzeitungen vorgetragenen Beschwerden lägen ihm nicht vor.

Abläufe optimieren und erweitern

Verbesserungen seien Teil des Probebetriebs. Ein Beispiel dafür ist das Netz an Haltestellen, hier werde immer wieder etwas geändert, um Abläufe zu optimieren und zu erweitern.

„In Sachen Barrierefreiheit gibt es gegenüber dem alten Stadtbus sicherlich keine Verschlechterung“, sagt Kurzlechner. „Zwei Rufbusse sind im Einsatz, einer davon ist vollständig barrierefrei.“ Das andere Fahrzeug sei nachrüstbar.

Wichtige Fahrten frühzeitig buchen

Kann dem Fahrgast garantiert werden, mit dem Rufbus pünktlich ans Ziel zu kommen? „Nein, so wenig wir das auch beim Stadtbus garantieren konnten und garantiert haben“, verneint der Stadtsprecher. „Die Fahrgäste können sich aber darauf verlassen, dass wir alles dafür tun, das so wahrscheinlich wie möglich zu machen.“ Dafür müsse die Stadt erfahren, wie oft Buchungen nicht klappen. Kurzlechner: „Im ersten Monat konnte auf rund 14 Prozent der Anfragen nicht mit einem Angebot für den Rufbus Mühldorf reagiert werden.“ Wichtige Fahrten könnten bis zu sieben Tage im Voraus gebucht werden.

Früher nur „Freiheit nach Fahrplan“

„Die gefühlte Lebensqualität war eine der Freiheit nach Fahrplan“, entgegnet Kurzlechner dieser Klage. „Gebunden daran, wann der jeweilige Linienbus kam. Jetzt empfiehlt es sich, vorab eine Rückfahrt zu buchen. Dann ist es so wie in der Vergangenheit, als man auch immer auf die Uhr schauen musste, wann der Bus kommt.“

„Im Probebetrieb mag es auch einmal ruckeln“

Bürgermeister Michael Hetzl verteidigt den Rufbus: „Weil ich es immer wieder höre, nochmals in aller Klarheit: Der Rufbus ist keine Sparlösung – im Gegenteil.“ Der Stadtbus sei nicht am Geld gescheitert. „Wir bekommen mit dem Rufbus auf Sicht eine flexiblere, komfortablere und letztlich in allen Belangen bessere und überlegene Nahverkehrslösung – außerdem umweltfreundlich und kosteneffizient.“ Im Probebetrieb könne es mal ruckeln, „aber wir werden beständig an einer kontinuierlichen Verbesserung arbeiten und Probleme schnell lösen.“

Bürgermeister: „Die Mehrheit ist zufrieden“

Durch den Rufbus habe ein Fünftel der Mühldorfer erstmals ein ÖPNV-Angebot, etwa die Studierenden am Hochschulcampus oder die Anwohner der Europastraße: „Die Mehrheit ist mit dem neuen Angebot sehr zufrieden. Die Kritik spiegelt also keine generelle Unzufriedenheit wider. Gleichwohl sind wir gewillt, die einzelnen Probleme bestmöglich zu lösen.“

Wer der Stadt Mängel oder anderes rund um den Rufbus mitteilen will, kann das unter 08631/3069366 tun.

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