Ungewöhnlicher Fall für das Amtsgericht Mühldorf
Mit guter Absicht selbst ans Messer geliefert – Fahrt zur Polizei endet vor Gericht
Um einen Wildunfall zu melden, fuhr der Mann zur Polizei. Dabei hatte er wohl nicht an die Konsequenzen gedacht. Diese wurden ihm jetzt vom Amtsgericht Mühldorf aufgezeigt.
Mühldorf – Wie heißt es so schön? Gut gemeint, ist nicht gut gemacht. Das hat nun auch ein 44-jähriger Winhöringer erfahren, der jetzt teures Lehrgeld bezahlen muss.
Nach dem Unfall korrekt verhalten
Wie die Staatsanwaltschaft Traunstein ermittelt hat, fuhr der Angeklagte am Morgen des 6. August 2023 auf der Staatsstraße 2550/alte B12 in Mettenheim. „Dort verursachte er einen Wildunfall und verständigte deshalb den zuständigen Jagdpächter“, las der Staatsanwalt Punkt eins der Anklageschrift vor.
Mit dem Unfallauto zur Polizei gefahren
Zwei Tage später, am 8. August, fuhr der Winhöringer nachmittags mit dem Unfallauto zur Polizeiinspektion Mühldorf, um den Wildunfall zu melden. Dort wurden an dem beschädigten Pkw von einem Polizeibeamten Wildspuren an der Fahrzeugfront festgestellt. Danach fuhr er mit dem Auto wieder davon.
Alles ohne gültigen Führerschein
Bei Prüfung der Personendaten durch die Polizei wurde festgestellt, dass der 44-Jährige gar keine Fahrerlaubnis hatte. „Die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen aller erteilter Fahrerlaubnisklassen wurde dem Angeschuldigten vom Landratsamt Altötting im Juni 2015 entzogen“, so der Staatsanwalt. „Dies wusste der Angeschuldigte.“
Angeklagter blieb vor Gericht fast stumm
Der Winhöringer blieb vor Gericht fast stumm, wirkte verschlossen. Er saß ganz in Schwarz wie ein Häufchen Elend auf der Anklagebank, Blickkontakt mit den am Verfahren Beteiligten kam nur selten zustande. Stattdessen gab sein Verteidiger Jörg Zürner eine Erklärung zu den persönlichen Verhältnissen seines Mandanten ab.
Vorbereitung auf die MPU
Seit Herbst 2023 sei der 44-Jährige arbeitssuchend, habe massive Gesundheitsprobleme. Aktuell versuche er „händeringend“ seinen Führerschein wiederzubekommen, um damit seine Chancen auf eine neue Anstellung zu erhöhen. Dafür besuche er eine Verkehrspsychologin, erbringe regelmäßig Abstinenznachweise und bereite sich in zwei Kursen auf die Medizinisch-Psychologische Untersuchung, besser bekannt als MPU, vor.
Umfassendes Geständnis im Prozess
Im Namen des Winhöringers räumte Zürner alle Anklagepunkte ein und legte damit ein vollumfängliches Geständnis ab. Auf die Anhörung eines Zeugen konnte deshalb verzichtet werden.
Schon einiges auf dem Kerbholz
Amtsrichter Dr. Christoph Warga warf einen Blick in das Bundeszentralregister, in dem sich einige Eintragungen fanden. Unter anderem in Jugendjahren ab 1994 Delikte wie Diebstahl und Handel mit Betäubungsmitteln. Bereits 1998 wurde die erste einjährige Führerscheinsperre verhängt. 2015 dann eine Verurteilung in Zusammenhang mit Betäubungsmitteln mit Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Und 2021 vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis, das zu einer einschlägigen Vorstrafe führte.
Der Staatsanwalt sah die Schuld des Angeklagten als erwiesen an. Da er schon seit 2015 keinen Führerschein mehr besaß, musste er sich seines vorsätzlichen Verhaltens bei den drei Autofahrten im August 2023 voll bewusst gewesen sein. „Für den Angeklagten sprechen sein Geständnis und die eher kurzen Fahrten“, so der Ankläger. „Er will sich nach dem Unfall rechtstreu verhalten und begeht damit Straftaten.“
Eine Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen à 30 Euro bezeichnete der Staatsanwalt als ausreichend. Zudem müsse der Angeklagte die Kosten des Verfahrens tragen.
„Er hat sich selbst ans Messer geliefert“
Verteidiger Zürner machte deutlich, dass nur der Angeklagte selbst die Taten überhaupt aufgedeckt habe: „Er hat sich selbst ans Messer geliefert!“, so der Anwalt. „Keiner sonst wusste von der ersten Fahrt und dem Unfall.“ Er erachtete 90 Tagessätze zu je 25 Euro als angemessene Strafe. Die Aufforderung des Richters zu einem letzten Wort beantwortete der Angeklagte mit einem wortlosen Kopfschütteln.
Das Motiv für die Fahrten war „ehrbar“
Richter Warga sprach den Winhöringer des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in drei tatmehrheitlichen Fällen schuldig. Die, nach seinen Worten, „erforderliche und ausreichende“ Strafe: 100 Tagessätze à 25 Euro und die Verfahrenskosten. Er würdigte die Tatsache, dass das Verfahren nur durch den Angeklagten selbst in Gang gekommen war. „Sie hätten aber nach dem Unfall nicht selbst zur Polizei fahren dürfen“, so der Richter. Auch wenn das Motiv für die Fahrt zur Polizei ein „ehrbares“ gewesen sei.
Der Verurteilte flüstert „Danke“
Auf eine neuerliche Führerschein-Sperrfrist wurde in dem Urteil verzichtet. „Wir wollen keine zusätzlichen Steine in den Weg legen“, so Dr. Warga. „Die MPU ist kein einfacher Weg.“ Auch wegen der zurückliegenden Drogengeschichten. Dafür flüsterte der Verurteilte ein leises „Danke.“ Er und sein Verteidiger akzeptierten das Urteil.