Das Schöffengericht wartet schon
Kleiner Dienstweg oder Geheimnisverrat? Mühldorfer Polizistin verschickt Bildschirmfotos an eine Bekannte
Binnen einer Woche ging es vor dem Amtsgericht Mühldorf erneut um Bildschirmfotos, die eine Polizistin verschickt hatte. So geht es jetzt mit der Beamtin weiter.
Mühldorf – „Es war eine einfache Anfrage.“ Das war die Verteidigungslinie der 59-jährigen, angeklagten Versicherungskauffrau aus dem Landkreis Mühldorf gegenüber Amtsrichterin Dr. Angela Miechielsen. Staatsanwältin Johanna Viebahn sah in der „einfachen Anfrage“ aus dem Juni 2022 allerdings eine strafbare Anstiftung zum Geheimnisverrat.
Am Anfang stand ein Autounfall eines Kunden der Angeklagten. Um den Schaden bei ihrer Versicherung zu melden, habe sie das Aktenzeichen der Polizei gebraucht, so die Angeklagte. Statt offiziell anzufragen, schrieb sie dagegen eine Polizistin an, die sie von Kindesbeinen an kennt, privat über WhatsApp an. Die gleiche Polizistin, die schon an derer Stelle Dienstgeheimnisse verraten hatte.
„Denkst Du an meinen Kunden?“
„Denkst Du an meinen Kunden?“, wollte die Angeklagte wissen. Wenige Stunden später hatte sie ein Foto vom Bildschirm des polizeiinternen Computers mit den gewollten, aber auch ungewollten Angaben.
„Wenn ich bei der Dienststelle angerufen hätte, hätte ich genauso das Aktenzeichen bekommen“, rechtfertigte sich die Angeklagte, die bislang unbestraft ist und nach ihren Angaben auch erstmals vor Gericht stand. „Ich habe nur meine Arbeit gemacht.“ Daher habe sie den „einfacheren Weg“ gewählt. Das sei ihr auch nicht komisch vorgekommen. „Ich habe die Informationen in dieser Form nicht abgefragt.“
Zweiter Fall innerhalb einer Woche
Das war bereits der zweite Fall vor dem Amtsgericht innerhalb einer Woche, in der die gleiche Polizistin, auf Anfrage per Whatsapp Fotos vom internen Polizeiprogramm verschickt hatte. Mit Inhalten, die über das hinausgingen, was die Fragesteller auch offiziell erfahren hätten.
Wie viele derartige Vergehen die Polizistin begangen hatte, wollten auf Anfrage der OVB Heimatzeitungen weder die Staatsanwaltschaft Traunstein noch das Polizeipräsidium Oberbayern Süd mitteilen. Auch nicht, in welchem Zeitraum. Ebenso blieben Fragen nach der Art ihrer Vergehen unbeantwortet. Oberstaatsanwalt Dr. Rainer Vietze, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Traunstein bestätigte nur, dass die Polizistin im Juli 2024 angeklagt wurde.
Hinweis brachte die internen Ermittler auf die Spur
Nach einem Hinweis aus der Polizeiinspektion Trostberg waren interne Ermittler der Mühldorfer Beamtin auf die Spur gekommen. Das hatte ein Ermittler bereits in einem früheren Verfahren erklärt. Nachdem sie das Handy der Polizistin beschlagnahmt hatten, gerieten auch die Fragesteller ins Visier der Justiz – wegen Anstiftung.
„Was geschickt wurde, wollte sie nicht“
Staatsanwältin Viehbahn widersprach der angeklagten Versicherungskauffrau. „Sie hätten die Informationen ordnungsgemäß erfragen müssen“, erklärte sie in ihrem Plädoyer. Für sie war die Anstiftung zum Geheimnisverrat erwiesen, wenn auch nur mit „geringer krimineller Energie“. Alles in allem forderte sie eine Strafe von 30 Tagessätzen zu 30 Euro: 900 Euro.
Der Münchener Rechtsanwalt Dr. Thomas Nappert betonte dagegen, dass seine Mandantin nur das Aktenzeichen wissen wollte. „Das, was geschickt wurde, wollte sie nicht.“ Es gebe auch keine Vorschriften, dass sie dazu über das Festnetz anrufen müsse. Daher forderte er einen Freispruch.
Der kurze Dienstweg ist strafbar
„Ist es strafbar? Ich meine ja“, entschied dagegen Richterin Miechielsen. Mit den Fotos vom Bildschirm wurden sehr wohl Dienstgeheimnisse weitergegeben, da sie auch Informationen enthielten, die normalerweise nie weitergegeben würden. Die Angeklagte habe nicht den normalen, sondern den „kurzen Dienstweg“ gewählt. Damit sei der Vorsatz zur Anstiftung gegeben. Die kriminelle Energie sei allerdings nicht sehr hoch gewesen und die Angeklagte habe auch keinen persönlichen Vorteil daraus gezogen. Dennoch sei sie schuldig, Miechielsen verurteilte sie zu 20 Tagessätzen á 30 Euro: 600 Euro.
Verhandlung gegen Polizistin am 12. Dezember
Und was wird mit der Polizistin, die die Dienstgeheimnisse verraten hatte? Die muss sich ebenfalls vor dem Mühldorfer Amtsgericht verantworten. Die Verhandlung ist für den 12. Dezember angesetzt. Dann verhandelt das Schöffengericht unter Amtsrichter Florian Greifenstein den Fall, so Richterin Miechielsen auf Anfrage der OVB Heimatzeitungen.
Derzeit ist die Polizistin suspendiert, teilt Michael Spessa, Pressesprecher im Polizeipräsidium Oberbayern Süd, mit. „Sie darf bis auf Weiteres keinen Dienst verrichten, keine Uniform und keine Dienstwaffe tragen.“
Gegen sie läuft zudem ein Disziplinarverfahren, das allerdings bis zum Abschluss des Strafverfahrens ausgesetzt ist, so Spessa. Der Ausgang des Strafverfahrens sei „für das Disziplinarverfahren bindend“. Dann entscheide sich auch die berufliche Zukunft der Beamtin.
Es gibt zumindest eine gute Nachricht
Zumindest eine gute Nachricht hat aber Polizeisprecher Spessa: „Aktuell gibt es im Bereich des PP Oberbayern Süd keinen weiteren Fall bezüglich Geheimnisverrat.“