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Interne Ermittlungen gegen Polizistin

Langer Schatten eines Corona-Lockdowns: Hat eine Polizistin Geheimnisse verraten?

Ein Mann aus dem Landkreis Mühldorf verstößt gegen die Corona-Ausgangssperre. Eine Waldkraiburger Polizistin schickt ihm zwei Fotos von internen Bildschirmen. Und ein Anwalt sieht darin keinen Geheimnisverrat.
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Ein Mann aus dem Landkreis Mühldorf verstößt gegen die Corona-Ausgangssperre. Eine Polizistin schickt ihm zwei Screenshot-Fotos vom Polizeicomputer.

Eine Polizistin verschickt per Handy Screenshots vom Polizei-Computer. Der Auftraggeber muss sich jetzt vor dem Amtsgericht Mühldorf verantworten. Handelt es sich um Geheimnisverrat?

Mühldorf „Ich habe mich schon bewaffnet“, meinte der Mühldorfer Rechtsanwalt Axel Reiter vor Sitzungsbeginn zu Amtsrichterin Dr. Angela Miechielsen und zeigte auf den Kommentar zum Strafgesetzbuch, der vor ihm liegt. Denn diesmal ging es im Amtsgericht um eine grundsätzliche juristische und strafrechtliche Frage: Wann ist ein Geheimnis eigentlich ein Geheimnis? Wann liegt also ein Geheimnisverrat und eine verbotene Anstiftung vor, für die sich jetzt ein 40-jähriger lediger Deutscher aus dem Landkreis Mühldorf verantworten musste?

Das Vergehen hat sich vor vier Jahren im ersten Corona-Lockdown 2020 ereignet. In dieser Zeit gab es vom 21. März bis zum 6. Mai eine Ausgangsbeschränkung. Wer ohne besonderen Grund auf der Straße war und dabei erwischt wurde, beging eine Ordnungswidrigkeit. So auch der damals 36-jährige Angeklagte.

Im Lockdown ohne Grund auf der Straße unterwegs

Er wurde am 13. April in Waldkraiburg nachts von Polizisten angetroffen. Er sei auf dem Heimweg von einem Spieleabend, erklärte er damals. Ob dem so war, interessierte jetzt aber nicht; es ging um das, was er wenig später machte, nachdem er vom Landratsamt einen Brief erhalten hatte. Darin wurde der Sachverhalt noch einmal dargelegt und er sollte dazu Stellung nehmen. 

Bevor er das machte, schrieb der Angeklagte aber per Chat eine Polizistin an: „Kannst Du mal schauen, was die aufgenommen haben?“ 

Zwei Screenshots von einem Polizeicomputer verschickt

Ihre Antwort: „Ich schau’ mal.“ Sie rief das polizeiinterne Computerprogramm auf, machte zwei Bildschirmfotos von dem Vorgang und schickte sie ihm. „Das ist Geheimnisverrat“, so Staatsanwalt Benedikt Metzl. Daher habe der Angeklagte Anstiftung zum Geheimnisverrat geleistet. Ein Geheimnis sei dadurch gekennzeichnet, dass es darauf „nur einen begrenzten Zugriff“ gebe. Auch seien Beamte zur Geheimhaltung und Stillschweigen verpflichtet. 

Nur gefragt, was ihn betrifft

„Geheimnis ist etwas Fremdes“, sagte dagegen Rechtsanwalt Reiter. „Er hat nur gefragt, was ihn betrifft.“ Er habe in den Bildschirmfotos auch nicht mehr erfahren, als er durch das Schreiben schon wusste. Reiter gab Richterin Miechielsen und Staatsanwalt Metzl eine Kopie. „Da steht schon alles drin.“

Für Anwalt Reiter war klar: „Er hat durch die Bildschirmfotos nur erfahren, was er sowieso schon wusste.“ Es sei ihm nur um sein Verfahren gegangen. „Ein Geheimnis ist doch etwas Fremdes.“ 

„Das ist nicht der übliche Fall“

Doch so klar war das nicht. Denn da waren noch die Bildschirmfotos und der Chat-Verlauf. „Das ist nicht der übliche Fall“, sagte Richterin Miechielsen und erklärte mit Blick auf den kompletten Chat-Verlauf: Der Angeklagte habe wohl schon wissen wollen, „ob noch mehr drin steht.“ Auch habe er von einem Mann erfahren, der damals beim Friedhof in seinem eigenen Erbrochenen gefunden wurde.

Aufgekommen war das Ganze, weil interne Ermittler die Polizistin im Visier hatten. Das sagte der Ermittler aus, der als Zeuge geladen war. Ein Hinweis aus der Polizeiinspektion Traunstein habe ihn auf die Spur gebracht. Im Zuge der Ermittlungen wurde ihr Handy beschlagnahmt, „und wir haben diesen Fall gefunden“.

Sachen, die ihn nichts angehen

„Der Angeklagte erfuhr sehr wohl Sachen, die ihn nichts angehen“, betonte Staatsanwalt Metzl in seinem Schlussplädoyer. Er habe die Polizistin dazu veranlasst, in einem internen Programm, zu dem es nur beschränkten Zugriff gebe, nachzuschauen und gegen ihre Verschwiegenheitspflicht zu verstoßen. Er habe zu seinem Verfahren „auf unbefugtem Weg“ Auskunft eingeholt. Der Strafbefehl von 40 Tagessätzen sei daher berechtigt. 

Anwalt Reiter blieb dabei: „Es ist ein sehr spezieller Fall. Es geht um seinen eigenen Vorfall.“ Der Weg sei vielleicht nicht richtig gewesen, aber „es liegt schlicht kein Geheimnis und damit kein Geheimnisverrat vor. Er hatte bereits umfassend Kenntnis darüber.“ Auch liege das Ganze schon sehr lange zurück und der Angeklagte sei nicht vorbestraft. Daher forderte er einen Freispruch.

Angeklagter kommt nicht ungeschoren davon

So leicht ließ Richterin Miechielsen den Angeklagten aber nicht davon kommen. Sie verurteilte ihn zu 20 Tagessätzen zu je 80 Euro: 1.600 Euro. Entscheidend sei, dass er zwei Bildschirmfotos von einem internen Computerprogramm der Polizei erhalten habe, so die Richterin. Er habe dadurch zum Beispiel auch den Vornamen eines Sachbearbeiters erfahren, und damit sehr wohl, was „den Angeklagten nichts angeht“ und ein Geheimnis sei. Für ihn sprach aber, dass sich alles bereits 2020 ereignet und sein Begehr nur ihn persönlich betroffen habe.

Hinweis der Redaktion (18. September 2024):

Der interne Ermittler hatte vor Gericht ausgesagt, dass es sich um eine Polizistin der Polizeiinspektion (PI) Waldkraiburg gehandelt habe. Nach Auskunft von Uwe Schindler, Dienststellenleiter der PI Waldkraiburg, ist das falsch. In der PI Waldkraiburg gab und gebe es keine Polizistin, die Geheimnisse verraten habe.

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