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Interview mit Adipositas-Experte des InnKlinikums

„Keiner käme auf die Idee, einem Patienten mit Bluthochdruck zu raten: Reiß dich mal zusammen!“

Links: - Eine Chirurgin führt eine Nachuntersuchung an einem Adipositas-Patienten durch. (Symbolbild). Rechts: Prof. Dr. Stefan Schopf ist der neue Spezialist für Adipositas und Schilddrüse im Mühldorfer InnKlinikum.
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Links: - Eine Chirurgin führt eine Nachuntersuchung an einem Adipositas-Patienten durch. (Symbolbild). Rechts: Prof. Dr. Stefan Schopf ist der neue Spezialist für Adipositas und Schilddrüse im Mühldorfer InnKlinikum.

Wir haben Adipositas-Experten Prof. Dr. Stefan Schopf ausführlich interviewt: Was genau bietet das neue Adipositaszentrum des InnKlinikum Altötting und Mühldorf? Was hat ihn motiviert, sich in dieser Weise zu spezialisieren? Wann ist ein operativer Eingriff nötig? - Die Antworten auf diese Fragen und mehr findet Ihr hier:

Altötting - Seit Jahresbeginn 2024 ist Prof. Dr. Stefan Schopf Chefarzt für Allgemein-, Viszeral- und endokrine Chirurgie. Damit konnte das InnKlinikum Mühldorf, nach eigenen Angaben, gleich zu Jahresbeginn ein neues medizinisches Angebot schaffen, das in den Landkreisen Altötting und Mühldorf eine Versorgungslücke schließt. Anfang Juni referiert er über die Behandlung von schwerem Übergewicht. Der Infoabend findet am Montag, den 4. Juni, in der Empfangshalle des Krankenhauses in Haag. Beginn ist 18 Uhr. Der Einritt ist frei. Die Bevölkerung ist herzlich eingeladen.

innsalzach24.de: Was genau bieten Sie beziehungsweise das neue Adipositaszentrum für Hilfen und Angebote an?

Prof. Dr. Stefan Schopf: Adipositas ist im Vergleich zu Übergewicht eine chronische Erkrankung, die nicht heilbar ist. Weniger essen und mehr bewegen ist eine gute präventive Maßnahme um nicht über die Schwelle zur Adipositaskrankheit zu rutschen. Ist man jedoch an der Adipositas erkrankt, dann entwickelt sich das Gewicht unweigerlich nach oben. Der Stoffwechsel hat sich komplett umgestellt und der Mensch wird zum Kalorienmagneten. Daher muss der Behandlung ein dauerhaftes Konzept zu Grunde liegen, das man ein Leben lang durchhalten kann.

Natürlich ist das Erlernen eines für den Patienten akzeptablen Lebensstils essentiell für alle weiteren Maßnahmen, aber die Langzeitdaten zeigen, dass der Lebensstil alleine auf Dauer die Pfunde nicht purzeln lässt. Medikamente sind da schon effektiver, allerdings brechen die meisten Patienten die Behandlung nach wenigen Jahren selbstständig ab und nehmen dadurch wieder zu. Die Magen-Operation ist für die meisten Patienten die einzige nachhaltige Therapie. Dennoch ergeben alle Behandlungsformen Sinn, denn jeder Patient ist unterschiedlich und damit muss auch die Behandlung individuell sein.

Unsere Aufgabe in Mühldorf ist zunächst, unseren Patienten zu erklären, dass sie nicht schuld an ihrem Problem sind, sondern leider eine Erkrankung haben, die wir zwar nicht heilen aber doch sehr gut behandeln können. Der zweite Schritt ist, mit unseren Patienten in den darauffolgenden sechs Monaten intensiv zu arbeiten und einen passenden Lebensstil zu finden, den sie durchhalten können. Also keine Diät mit anschließendem JoJo-Problem.

Danach erst stellt sich die Frage der weiteren Behandlung. Hier bieten wir alles an, was man medikamentös, interventionell oder operativ tun kann und erarbeiten eine für den Patienten maßgeschneiderte Lösung. Danach bleiben wir mit unseren Patienten verbunden, denn auch in den Folgejahren kann man einen starken Partner brauchen, an den man sich wenden kann, wenn es Fragen gibt.

Was hat Sie motiviert, sich in dieser Weise zu spezialisieren?

Adipositas ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Weltweit sterben mehr Patienten an den Folgen der Adipositas, als an Hunger! Die Folgeerkrankungen kennt jeder: Fettstoffwechselstörungen, Diabetes, Bluthochdruck, Herzinfarkt oder Schlaganfall, aber auch orthopädische Probleme, Schlafapnoe und zwölf verschiedene Krebsarten. Insgesamt sind 72 Krankheiten mit Adipositas verknüpft. Daher leben Menschen mit Adipositas deutlich kürzer und haben gerade bei der fortschreitenden Erkrankung eine deutlich Minderung ihrer Lebensqualität.

Wenn ich sehe, dass 53 Prozent der deutschen Erwachsenen übergewichtig und über 20 Prozent adipös sind, dann haben wir ein immenses Problem. Ich glaube wir müssen politisch aktiv werden, um mehr Prävention – gerade auch bei unseren Kindern – hinzubekommen. Mein Beruf erlaubt es mir aber, überdies nicht nur präventiv, sondern therapeutisch zu helfen. Daher habe ich die bariatrische und metabolische Chirurgie des Magens zu einem meiner Spezialgebiete gemacht. Ich hatte das Glück in den letzten Jahren Schritt für Schritt ein hervorragendes Team aufbauen zu können, das uns in Mühldorf nun zur Verfügung steht. Hier sind wir auch technisch für unsere Arbeit top ausgerüstet.

„Gut gemeinte Ratschläge von Laien sind [...] nicht die Lösung sondern schaden oft mehr, als sie nutzen“, erklärten Sie im Gespräch mit meiner Bad Aiblinger Kollegin vor zwei Jahren. - Können Sie dafür eines oder mehrere Beispiele nennen?

Adipositas ist eine chronische Erkrankung wie beispielsweise Bluthochdruck. Keiner käme auf die Idee, einem Patienten mit Bluthochdruck zu raten: „Reiß dich mal zusammen!“ und jeder akzeptiert den Bluthochdruck ohne die Erkrankung zu werten. Bei Patienten mit Adipositas ist das aber anders. Unsere Patienten befinden sich oft in einem Spießrutenlauf gut gemeinter Ratschläge. Viele ziehen sich zurück und nehmen nicht mehr am öffentlichen Leben teil. Diese gut gemeinten Ratschläge gibt es häufig von Menschen, die nicht an Adipositas erkrankt sind und da wirken ganz andere Mechanismen.

Abnehmen: Zehn ungesunde Lebensmittel, die man vermeiden sollte

Schüssel mit Müsli
Fertig gemischte Frühstückszerealien sind durchweg ungesund und machen auf Dauer dick. Zu diesem Ergebnis kam die große Zerealien-Studie von 2020. Sie enthalten häufig zu viele Zusatzstoffe und nur selten Vitamine. Möchten Sie abnehmen, dann sollten Sie besser darauf verzichten und mit einem selbstgemachten Müsli aus beispielsweise Haferflocken, Nüssen, Beeren und Joghurt oder Milch in den Tag starten. © Ajafoto/IMAGO
Glas Saft
ACE-Säfte sind ebenfalls eher kritisch zu sehen, da sie einen sehr hohen Zuckergehalt aufweisen. Sie können eine Gewichtsreduktion verhindern und sollten daher immer nur in geringen Mengen konsumiert werden. Vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit werden sie sogar als überflüssig eingestuft. Bei einer ausgewogenen und gesunden Ernährung sind derartige mit Vitaminen angereicherten Getränke nicht nötig. © BE&W/IMAGO
Baguette
Da Weißmehlprodukte viele Kohlenhydrate und kaum Ballaststoffe enthalten, zählen sie – bei regelmäßigem Verzehr – auch zu den eher ungesunden Lebensmitteln. Denn die enthaltene Stärke wird im Dünndarm zügig in Zucker gespalten, der schließlich rasch ins Blut gelangt und den Blutzuckerspiegel ansteigen lässt. Die Folge davon können Heißhungerattacken sein, die wiederum das Abnehmen verhindern können. Greifen Sie stattdessen besser zu Vollkornprodukten. Sie besitzen viele Nähr- und Ballaststoffe und machen wesentlich länger satt.  © NayalyH/IMAGO
Proteinriegel
Wer bewusst Muskeln aufbauen möchte, den können Proteinriegel dabei unterstützen. Ansonsten kann man auf sie jedoch verzichten. Gerade beim Abnehmen können sie zudem hinderlich sein aufgrund ihrer vielen künstlichen Zusatzstoffe und Süßungsmittel, welche nachweislich Übergewicht fördern.  © Samo Trebizan/IMAGO
Popcorn
Popcorn ist ungesünder als man denken könnte. Dies trifft vor allem auf Mikrowellen-Popcorn zu, da es das künstliche Butteraroma Diacetyl enthält. Werden die Dämpfe dieses chemischen Stoffes regelmäßig eingeatmet, kann es zur sogenannten Popcorn-Lunge kommen. Dabei handelt es sich um Vernarbungen des Lungengewebes. Hat das Popcorn zudem einen hohen Zuckergehalt, kann es zu einem Dickmacher werden. © Juan Alberto Ruiz/IMAGO
Vegetarische Würste
Bei den meisten vegetarischen Fleischersatz-Produkten handelt es sich um hoch verarbeitete Lebensmittel, in denen nur noch wenige gesunde Inhaltsstoffe stecken. Häufig enthalten sie stattdessen viel Zucker und können so eine Gewichtsreduktion bremsen. Besser ist es daher, vegetarische Wurst nur selten zu verzehren und stattdessen auf eine vielfältige Auswahl an Gemüse zu setzen.  © Pond5 Images/IMAGO
Cola
Light-, Zero- und Diätprodukte enthalten zwar wenig Kalorien, dafür sind sie jedoch ungesund. Da Zucker und damit der Geschmack beispielsweise in diesen Getränken fehlt, wird mit Süßungsmitteln nachgeholfen. Sie sind per se nicht gesundheitsschädlich, allerdings sind sie auch nicht förderlich für die Gesundheit. Auch beim Abnehmen helfen diese Lebensmittel nur bedingt. Wichtiger sind eine ausgewogene und gesunde Ernährung sowie ausreichend Bewegung.  © MPfoto71/IMAGO
Teller mit Brühe
Instant-Gemüsebrühen enthalten meist wenig Gemüse und dafür viele Geschmacksverstärker wie etwa Glutamat. Dieses steht im Verdacht, den Appetit anzuregen und Übergewicht zu fördern. Wer sich gesund ernähren und dabei auch noch abnehmen möchte, sollte sich deshalb am besten selbst eine Brühe kochen. © Sign/IMAGO
Schokoaufstrich
Den Tag mit einem Schoko-Aufstrich zu starten, ist sowohl für Abnehmwillige als auch für gesundheitsbewusste Menschen keine gute Idee. Denn zum größten Teil besteht der süße Aufstrich aus Zucker und Palmöl. Ersteres kann verhindern, dass die Pfunde purzeln. Bei letzterem wird vermutet, dass es krebserregend sein könnte.  © YAY Images/IMAGO
Fleisch
Gepökelte Produkte enthalten Nitritpökelsalz. Beim Verzehr von beispielsweise gepökeltem Fleisch wird das enthaltene Nitrit vom Körper aufgenommen und es entstehen unter Umständen sogenannten Nitrosamine, welche nachweislich krebserregend wirken. Wer sich gesund ernähren und auch noch abnehmen möchte, sollte daher auf gepökelte Produkte verzichten.  © Edwin Remsberg / VWPics/IMAGO

Die Erkrankung Adipositas bewirkt aber, dass unsere Patienten weniger Kalorien verbrauchen und mehr Fett und Kohlenhydrate aus den ersten 70 Zentimetern Dünndarm aufnehmen als Normalgewichtige. Zudem sind die Hormone der Darm-Gehirn-Achse verstellt und die Folge ist, dass dem Gehirn ständig gemeldet wird „iss was, sonst verhungerst du“. Hunger ist der stärkste Trieb den wir kennen. Jetzt muss man sich vorstellen: 1 Kilo Fett hat 7000 Kilokalorien (kcal). Das ist schon eine Hausnummer. Wenn man zusätzlich weiß, dass der Körper als erstes Muskeln abbaut und leider nicht Fett, ist das noch frustrierender. Dann stellen sie sich vor, dass Sie um 50 Kilo abzunehmen, die utopische Menge von 350.000 kcal einsparen müssen – das ist in den meisten Fällen ohne professionelle Hilfe nicht zu schaffen.

Ab wann sollte man zu Ihnen beziehungsweise einem Spezialisten kommen und bis wann kann man seine Situation noch selbst beispielsweise durch eine Ernährungsumstellung und Sport verbessern?

Optimierte Nahrung und Bewegung sind in jedem Fall eine gute Grundlage, um Gewicht zu verlieren. Bei Adipositas kommen viele andere Faktoren dazu. Ab einem Body-Mass-Index (BMI) von 30 liegt eine Adipositas vor. Sie können immer zu uns kommen, wenn Sie diese Grenze überschritten haben und den Eindruck gewonnen haben, das Gewicht steigert sich ständig, ohne dass Sie etwas dagegen machen können. Ein großer Fehler ist, sich selbst Vorwürfe zu machen und sich zurückzuziehen. Wir helfen gerne.

Was halten Sie von der Vielzahl an Angeboten, die es heutzutage gibt, von Fitnesstudios und Ernährungsberatern die "Erfolge sofort" versprechen über Apps bis hin zu Smart Watches?

Das sind gute Methoden um kurzfristig viel Gewicht zu verlieren. Bei eine Adipositaskrankheit lässt sich durch eine einmalige Diät kein dauerhafter Erfolg erreichen. Wir brauchen eine Dauerlösung bis ans Lebensende, denn die Erkrankung ist nur einstellbar, aber nicht heilbar. Apps verwenden wir genauso, aber nicht für kurzfristige Erfolge, sondern um die laufende Behandlung zu unterstützen.

Wann ist ein operativer Eingriff nötig?

Wenn die Adipositas drei Jahre besteht, konservative Maßnahmen ausgereizt sind und ein BMI von 40 vorliegt. Hat der Patient bereits Begleiterkrankungen, dann ist eine OP auch schon bei einem BMI von 35 möglich. In jedem Fall arbeiten wir streng nach den deutschen Leitlinien. Dem Patienten entstehen durch die OP bei uns keinerlei Kosten.

hs

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