Adipositas kommt von zu viel Essen?
Adipositas: Fünf Vorurteile über die Krankheit, die immer mehr Menschen betrifft
Menschen mit Adipositas werden häufig diskriminiert. Dabei ist die Krankheit mehr als „nur Übergewicht“ und lässt sich nicht nur „mit Willensstärke“ kontrollieren.
Am 4. März ist Welt-Adipositas-Tag. Große Fachgesellschaften nehmen das zum Anlass, über die Krankheit aufzuklären und sie zu entstigmatisieren. Denn entgegen häufiger Annahme ist Adipositas nicht bloß ein zu hohes Gewicht, sondern eine ernstzunehmende und chronische Stoffwechselkrankheit, die viele verschiedene Ursachen haben kann.
1. Vorurteil: Ein adipöser Mensch hat einfach zu viel Gewicht
Das stimmt so nicht. Adipositas ist viel mehr als starkes Übergewicht und vor allem mehr als ein kosmetisches Problem. Lange galt die Krankheit als Risikofaktor für verschiedene Folgeerkrankungen wie Herz-Kreislauf-Beschwerden oder Diabetes. Mittlerweile ist Adipositas als eigenständiges Krankheitsbild definiert, das viele Menschen betrifft. So ist allein in Deutschland nach Angaben des Verbands der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland (VDBD) jeder fünfte Mensch adipös. Doch noch immer haben Adipositas-Betroffene mit Stigmatisierungen zu kämpfen und nicht alle Krankenkassen übernehmen Kosten für Ernährungsberatungen und Bewegungstherapien.
Definiert wird Adipositas durch den Body-Mass-Index (BMI), dem Quotient aus Gewicht und Körpergröße zum Quadrat (kg/m2). Ab einem BMI von 30 gilt eine Person als adipös. Darüber hinaus ist die Krankheit durch ein Übermaß an Körperfett definiert. Vor allem das Bauchfett (bauchbetonte Adipositas), das sogenannte viszerale Fett, ist mit einem erhöhten Risiko für weitere Krankheiten verbunden wie hohe Blutzucker- und Blutfett-Werte sowie Bluthochdruck und Herz- und Gefäßerkrankungen. Denn es ist kein passiver Energiespeicher, sondern produziert Substanzen, die Entzündungen fördern und das Immunsystem beeinträchtigen. Damit ist Adipositas eine eigenständige Krankheit und ein Risikofaktor für Folgeerkrankungen zugleich.
2. Vorurteil: Adipositas entsteht, wenn ein Mensch zu viel isst
Das stimmt nur bedingt. Damit Übergewicht entsteht, muss der Körper tatsächlich zu viel Energie in Form von Lebensmittlen aufnehemn, während er zu wenig in Form von Bewegung verbraucht. Dabei wird Fett in den Fettzellen gespeichert. Bei dieser Gewichtszunahme spielen laut Deutscher Adipositas-Gesellschaft (DAG) neben der Ernährung aber noch weitere Faktoren eine Rolle, wie:
- Genetische Faktoren, familiäre Disposition
- Falsche Ernährung: viele Lebensmittel mit einer hohen Energiedichte durch Fett und Zucker bei gleichzeitig niedrigem Mikronährstoffanteil
- Überernährung: ständige Verfügbarkeit von Essen
- Psychologische Faktoren: depressive Erkrankungen, Essstörungen (z. B. Binge-Eating-Störung)
- Schlafmangel
- Stress
- Ein niedriger sozialer Status
- Mangelndes Wissen beziehungsweise mangelnde Gesundheitskompetenz
- Endokrine Erkrankungen: z. B. Hypothyreose oder das Cushing-Syndrom
- Medikamente: z. B. Antidepressiva
- Andere Ursachen: z. B. Schwangerschaft, fehlende körperliche Mobilität, Nikotinverzicht
3. Vorurteil: Menschen mit Adipositas sind willensschwach, bequem und undiszipliniert
Diese Annahme ist eine typische Form der negativen Stigmatisierung und Diskriminierung adipöser Personen, die psychosoziale Auswirkungen (wie Ausgrenzung, depressive Verstimmung, Angst) auf Betroffene haben kann. Es gibt aber keinen Zusammenhang zwischen Körpergewicht und persönlichen Merkmalen wie Charaktereigenschaften, Intelligenz und Fähigkeiten. Hinzu kommt: Nicht jeder Mensch mit Übergewicht möchte abnehmen. Möglicherweise haben adipöse Menschen auch bereits Gewicht verloren und ihr Zustand ist schon Ergebnis einer Gewichtsabnahme. Zudem ist es ein Mythos, dass das Gewicht komplett kontrollierbar sei.
4. Vorurteil: Adipositas ist ein individuelles Problem
Viele Menschen sehen in Adipositas ein Problem auf individueller Ebene: eine Person ernährt sich ungesund und bewegt sich zu wenig. Dabei ist starkes Übergewicht auch eine Folge unserer Lebensumwelt, bei der die Politik gefragt ist. So braucht es Aufklärungskampagnen und Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln, stärkere Vorgaben für die Lebensmittelindustrie (zuckerhaltige Lebensmittel wie Softdrinks dürfen nicht günstiger sein als Obst und Gemüse) und Förderung von Sport und Bewegung (etwa durch Radwege, Schulsport).
Adipositas beginnt zudem oft schon im Kindesalter. So zeigt die KiGGS-Studie des Robert Koch-Instituts (RKI), dass in Deutschland 15 Prozent der untersuchten Kinder und Jugendlichen übergewichtig und sechs Prozent adipös sind. Gerade in Kindergärten und Schulen sind also entsprechende Standards beim Essen gefragt und Kinder müssen vor Werbung für ungesunde Lebensmittel geschützt werden.
5. Vorurteil: Adipöse Menschen müssen nur weniger essen, um abzunehmen
So vielfältig wie die Ursachen von Adipositas, so vielfältig sind auch die Therapien. Denn Adipositas ist eine komplexe Krankheit, die sich nicht allein durch die Essensmenge kontrollieren lässt. Leider ist die Adipositas-Therapie bisher keine Regelleistung des Gesundheitssystems, was es Betroffenen schwer macht. Die Übernahme von Kosten muss meist individuell beantragt werden.
Die Behandlung von Adipositas setzt sich aus verschiedenen Therapien zusammen:
- Ernährungstherapie
- Bewegungstherapie
- Verhaltenstherapie
- Ggf. medikamentöse Therapie
- Ggf. als letzte Maßnahme: Chirurgische Therapie (Magenverkleinerung, Magenbypass oder Magenband)
Eine Umstellung der Ernährung, Bewegung und die Verhaltenstherapie bilden die Basistherapie. Die Behandlung mit Medikamenten kann diese ergänzen, zum Beispiel wenn Begleiterkrankungen vorliegen. Eine Operation, um das Hungergefühl zu unterdrücken, ist die letzte Maßnahme, da sie mit entsprechenden Risiken verbunden ist (durch die Operation selbst, aber auch dass Nährstoffe möglicherweise nicht mehr so gut aufgenommen werden). Die Ernährungs- und Bewegungsumstellung muss auch nach der Operation berücksichtigt werden.
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Dieser Beitrag beinhaltet lediglich allgemeine Informationen zum jeweiligen Gesundheitsthema und dient damit nicht der Selbstdiagnose, -behandlung oder -medikation. Er ersetzt keinesfalls den Arztbesuch. Individuelle Fragen zu Krankheitsbildern dürfen von unserer Redaktion nicht beantwortet werden.
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