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Fall vor dem Amtsgericht Mühldorf

„Allgemeine Verrohung“? Gewalt gegen Polizisten – Einblick in einen fast alltäglichen Einsatz

Immer häufiger müssen sich Polizisten gegen Angriffe wehren.
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Immer häufiger müssen sich Polizisten gegen Angriffe wehren. (Collage: Symbolfotos)

Fast täglich gibt es im Landkreis Übergriffe gegen Polizisten. Ein solcher Fall von Widerstand gegen Beamte wurde jetzt vor dem Amtsgericht Mühldorf verhandelt. Warum Polizeipräsident Manfred Hauser von einer „allgemeinen Verrohung“ spricht.

Mühldorf64 Übergriffe auf Polizisten im Landkreis vermeldet die Kriminalstatistik für den Landkreis Mühldorf. „Das geschieht fast täglich und reicht von verbalen Drohungen bis zu tätlichen Angriffen“, sagte Polizeipräsident Manfred Hauser jetzt. 26 Übergriffe gab es 2023 in Waldkraiburg; 38 in Mühldorf, darunter 14-mal Fußtritte und Handgreiflichkeiten. „Es ist eine allgemeine Verrohung zu beobachten und es fehlt an Respekt gegenüber der Polizei.“ Hauser sprach von Gefahrensituationen.

Zu Viert an den Tatort gefahren

Mit einer solchen Gefahrensituation rechneten die Polizisten offensichtlich, die im Dezember 2023 in eine Wohnung im Landkreis gerufen wurden. Denn sie kamen zu Viert. Eine Frau hatte gemeldet, dass Heinz T. (Name von der Redaktion geändert) seine Freundin angegriffen hatte und drohte, sie vom Balkon zu stoßen. Zwei Tage vor Heiligabend war der 39-Jährige gerade von einer Feier in seinem Betrieb nach Hause gekommen.

Die Angriffe aus seine Freundin und der Widerstand gegen die Polizisten führen T. vor Amtsrichterin Dr. Angela Miechielsen. Da sitzt T., allein, einen Anwalt hat er nicht. Er ist nervös, angespannt, wippt vor und zurück. Die Baseball-Kappe hat er vor sich auf den Tisch gelegt, gleich neben seine Hände, die er ständig knetet. Manchmal hebt er sie und vergräbt sein Gesicht in ihnen.

Freundin will zur Gewalt gegen sie nichts sagen

Wenn er spricht, dann sehr schnell, sehr hektisch.

Doch zunächst sagt er nicht viel, als Miechielsen ihn nach dem Tatabend fragt: „Ich bin sprachlos, baff, ich mag nichts sagen.“ Muss er auch nicht, denn der Angriff auf seine Freundin wird nicht verhandelt. Das Opfer hat in einem Brief an die Richterin mitgeteilt, sie werde aus Befangenheit eine Aussage verweigern. Sie seien inzwischen verlobt, hätten sich ausgesprochen, es sei alles bereinigt.

Dabei scheint klar, dass T. seine heutige Verlobte angegangen hat. Von Spuren an ihrer Wange spricht einer der beiden Polizisten vor Gericht, die Frau habe geweint.

„Es war eine recht aufgeheizte Stimmung“, sagt der Beamte. „Der Angeklagte war aggressiv, auch uns gegenüber.“ Beim Gespräch habe er immer wieder die Fäuste geballt. „Wir haben das sehr ernst genommen.“ T. war alkoholisiert, er hatte knapp ein Promille.

Der Mann wird handgreiflich

Eine Polizistin kümmerte sich um die Frau, drei Beamten bringen die beiden Kinder ins Schlafzimmer und T. nach draußen. Sie wollten ihn nach Gabersee bringen. Vor der Tür wurde T. handgreiflich, von einem „Handwisch gegen den Kollegen“, berichtet ein Polizist. „Er hat ihm ins Gesicht gegriffen“, bestätigt ein zweiter: „Er wirkte sehr aggressiv.“

Deshalb legten die Beamten T. auf den Boden und fesselten in mit Handschellen. Dabei habe er sich „etwas gesperrt, gespreizt“, sagt der eine Polizist. Der Kollege: „Er hat sich sehr stark gewehrt.“ Verletzt wurde niemand.

Richterin Miechielsen will wissen: „Sie erleben Widerstandshandlungen wohl häufiger?“

Ja, sagt der erste Polizist. „Aber das war eher unterer Bereich, zwischen zehn und 15 Sekunden.“ Der Kollege erklärt: „Das ist schwer einzuordnen, es war erheblicher Kraftaufwand nötig.“

T. ist kein unbeschriebenes Blatt. Richterin Miechielsen liest acht Strafen in den letzten gut 15 Jahren vor: Verwendung von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen, Fahren ohne Führerschein, Beleidigung, Drogenbesitz, ein schwerer Diebstahl ist dabei, der T. eine Bewährungsstrafe von elf Monaten eingebracht hat. Miechielsen sagt: „Das ist eine ganz schöne Latte.“

Jetzt wird T. gesprächig, es sprudelt nur so aus ihm heraus. Er habe ein Anti-Aggressions-Programm begonnen. „Das war aber so viel Stress, dass ich das dann abgelehnt habe.“

Die Hauptschule verließ T. ohne Abschluss. Er brach eine Bäckerlehre ab, arbeitete fünf Jahre als Maurer und 14 im Trockenbau. Seit sechs Jahren ist er Maler, fest angestellt, verdient 2200 Euro netto. Schulden? „Viele“, klassische Konsumschulden. Ob er sie tilge, will die Richterin wissen. Nein, sagt T. Er öffne die Post halt nicht. „Dann steht irgendwann der Gerichtsvollzieher vor der Tür“, sagt Miechielsen.

Angeklagter will nicht mehr trinken

Das Rauchen einer Kräutermischung löste 2013 eine Hirnblutung aus. T. liegt eine Woche im Koma. So erzählt er es. „Seitdem bin ich so aufbrausend, das war ich vorher nicht.“ Miechielsen: „Wie ist sichergestellt, dass sie nicht wieder ausrasten.“ T: „Ich trinke seitdem keinen Alkohol mehr.“ Vorher waren es schon mal zehn Halbe am Tag. Miechielsen: „Und Drogen?“ „Mal einen Joint oder ein kleines Pfeiffchen.“

Miechielsen warnt ihn: „Solche Ausraster sind gefährlich.“ T. sagt: „Entschuldigung, dass ich so war, tut mir leid.“ Er wedelt mit den Händen, beugt sich hektisch vor und zurück.

Während Richterin Miechielsen ihre Notizen durchgeht und ihr Urteil niederschreibt, starrt T. reglos vor sich auf den Boden.

Eine Geldstrafe von 2225 Euro fordert der Staatsanwalt, das hält auch die Richterin für angemessen. Er habe Glück, dass seine Freundin von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht habe, sagt sie. „Es war schon einiges, was da vorgefallen ist“, auch wenn es nicht geahndet werden könne. „Ich bin nicht dafür, dass sie ins Gefängnis müssen, aber eine Geldstrafe muss sein.“

Kinder sollen Vater nicht im Gefängnis sehen

Sie sagt: „Ich kann Ihnen nur mit auf den Weg geben, dass Sie sich am Riemen reißen. Denken Sie an Ihre Kinder, dass die keinen Vater haben, der im Gefängnis sitzt. Verstanden?“ T. schaut nicht auf: „Ja.“ Miechielsen: „Dann hoffe ich, dass wir uns nicht mehr wiedersehen.“ Da hat T. seine Kappe schon wieder aufgesetzt.

Ob er das Urteil annehme? T. sagt „Freilich.“

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