Schon wieder wirft ein Wirt hin
Mühldorfer Gastronom zieht Reißleine: Bernhard Söllner gibt sein Wasserschlössl auf
Das Wasserschlössl ist nicht nur den Mühldorfern ein Begriff. Über 14 Jahre lang stand Inhaber Bernhard Söllner hier am Herd. Jetzt gibt er auf. Das sind die Gründe. Wie es nun weitergeht.
Mühldorf – Im Schaukasten vor dem Lokal „Zum alten Wasserschlössl“ hängt ein rot umrandeter Zettel. „Liebe Gäste“, steht darauf, aus gesundheitlichen Gründen wird das Wasserschlössl zum 28.07.2024 geschlossen!“ Daran schließt sich ein Dank an die Gäste an und die Bitte, noch vorhandene Gutscheine einzulösen.
29 Jahre als Gastronom in Mühldorf
„Mir fällt's brutal schwer, andererseits hat meine Familie dann wieder mehr von mir.“ Gerade noch kam Bernhard Söllner gut gelaunt aus der Küche. Im nächsten Moment ist ihm anzumerken, wie die Abschiedsgefühle in ihm hochkommen und er gegen die Tränen kämpft. „Nach 29 Jahren als Gastronom in Mühldorf gebe ich mein Lokal auf.“
Mit seinen Gästen älter geworden
Mit vierzehn Jahren hat Söllner seine Kochlehre bei Unertl begonnen. Vierzehn Jahre lang hat er später das Lodronhaus bewirtschaftet, vor gut vierzehn Jahren dann das Wasserschlössl aufgebaut. Als Wirt war er dabei, wie seine Gäste älter wurden, hat sie über Generationen bewirtet. „Es sind langjährige Verbindungen gewachsen“, sagt er. „Sie haben bei mir Hochzeit gefeiert, die Taufen ihrer Kinder und jetzt richten diese Kinder ihre Hochzeiten bei mir aus.“ Er ist gemeinsam mit seinen Gästen älter geworden, 53 Jahre zählt er.
„Ich kann so nicht weitermachen“
Warum er sein Lebenswerk in wenigen Wochen aufgibt? „Seit Wochen und Monaten stehe ich über 100 Stunden im Lokal“, erzählt er. „Von früher 18 festangestellten Mitarbeitern sind nur noch vier übrig. Ich kann so nicht weitermachen, ich muss an meine Gesundheit denken. Ins Grab mitnehmen kannst du nichts!“ Seine zwei Kinder sieht er nur in der Früh und vielleicht noch kurz am Nachmittag. Seine Frau etwas öfter, bei der Arbeit, denn sie hilft ihm im Wasserschlössl.
Zu wenig Personal, zu hohe Kosten
Am fehlenden Personal sei nicht nur die Coronazeit schuld. Die Leute würden auch weiterhin massiv von anderen Arbeitgebern abgeworben. „Wer einmal mit 35-Stunden-Woche nur tagsüber arbeitet, der kommt nicht in die Gastro mit Arbeit am Abend und an Wochenenden zurück.“ Nur die blieben übrig, die gerne mit Gästen zu tun haben, die Spaß an der Arbeit in Küche und Service haben. Leider zu wenige, um ein Restaurant auf Dauer zu wuppen, ohne sich kaputt zu arbeiten.
Ein weiterer Grund für Söllners Schlussstrich sind die Kosten: „Allein für Strom habe ich 2022 über 22.000 Euro mehr bezahlt als früher.“ Überschlägt er die gestiegenen Ausgaben für sein Lokal, kommt er bei 100.000 Euro raus. „Um das zu stemmen, müsste ich 500.000 Euro zusätzlichen Umsatz generieren. Das ist nicht zu schaffen.“
Preise sind allgemein explodiert
Wenn er hört, dass Menschen beim Auswärts-Essen sparen und kritisieren, die Wirte würden zu hohe Preise verlangen, muss er sich wundern. „Jeder sieht doch selbst beim Einkaufen, wie die Preise für Lebensmittel und alles andere explodiert sind. Da ist es doch nur logisch, dass auch im Restaurant die Preise steigen müssen.“
Verpachtung war schwierig
Schon seit einigen Jahren hat Bernhard Söllner über das Gastro-Netzwerk versucht, sein Wasserschlössl zu verpachten. Keiner wollte es haben. „Die Zeiten für ein Restaurant sind einfach zu schwierig geworden“, weiß er ja aus eigener Erfahrung. Vor ungefähr vier Wochen ging es dann plötzlich ganz schnell. „Es stand einer in meinem Lokal und sagte ‚Chef, ich will pachten‘!“, erinnert er sich lachend. Eine Woche später machte er Nägel mit Köpfen.
Ab Herbst wird im Wasserschlössl vietnamesisch gekocht
„Ins Wasserschlössl kommt ein vietnamesisches Lokal“, verrät Söllner und bedauert leise, dass keine heimischen Gerichte mehr auf den Tisch kommen. „Ab 1. August baut der neue Pächter um und will im Herbst eröffnen. Er hat bereits mehrere Lokale in anderen Städten.“
Bernhard Söllner geht zur Bundeswehr
Um den Lebensunterhalt für sich und seine Familie zu verdienen, hat Söllner bei einem früheren Dienstherrn angeheuert. „Ich gehe im September zur Bundeswehr.“ Was überraschend klingt, ist für den Reservisten ganz normal. Er hat beim Bund gedient, hat in verschiedenen Kasernen gekocht und kehrt jetzt wieder zurück. „Ich bin Verpflegungsfeldwebel beim Landesregiment Bayern, gehe die ersten drei Monate nach Hamburg und im Anschluss nach Feldkirchen bei Straubing ins Offizierscasino.“
Kochshows fürs Fernsehen
Weil das dem umtriebigen Gastronomen als alleinige Aufgabe aber nicht reicht, will er weiterhin Catering anbieten und in anderen Küchen aushelfen, wenn er gerufen wird. Als Spaß-Faktor gönnt er sich Fernsehprojekte wie kürzlich ein Grillevent und bald ein Koch-Duell mit Narumol aus „Bauer sucht Frau“.
Am letzten Tag noch einmal Vollbetrieb
Am 27. Juli werden er und sein Team im Wasserschlössl zum letzten Mal Gäste bewirten. „Wir haben zwei Hochzeitsfeiern, eine mittags, eine abends“, er freut sich. „Das wird ein schöner Abschluss!“ Ein Abschiedstag, ohne Zeit für Bedauern. Noch einmal das Haus voller Gäste – und danach zusperren.
