Feuerwerk in Neumarkt-St. Veit und Mühldorf
Nicht geböllert, sondern Krieg gespielt? Anwohner fürchten um ihre Häuser und fordern ein Verbot
Die hitzige Diskussion um Feuerwerk und Böllerei hat den Landkreis Mühldorf erreicht. Vor allem in Neumarkt-St. Veit und Mühldorf werden die Forderungen nach einem Böllerverbot in der Altstadt lauter. Das fordern Anwohner und Feuerwehr.
Von Josef Enzinger und Markus Honervogt
Mühldorf/Neumarkt-St. Veit – Der große Stadtbrand in Mühldorf ist nun schon eine Weile her. 1640 standen große Teile der Mühldorfer Altstadt in Flammen. 80 Prozent der Giebel fielen dem Feuer zum Opfer.
Angst um das eigene Haus
Ein solcher Giebel gehört heute zum Haus von Familie Lafar am Mühldorfer Stadtplatz. Susi Lafar gibt zu, dass sie auch schon mal ganz gern die eine oder andere Rakete abgeschossen hat. Aber in den engen Gassen der Altstadt oder auf dem Stadtplatz? Nach der vergangenen Silvesternacht sagt sie: „Ich hatte Angst, dass unser Haus abbrennt.“
Denn nicht alle Raketen, viele aus der Hand abgeschossen, fanden einen senkrechten Weg nach oben. So wurde nach Lafars Beobachtung die Fassade des ehemaligen Schuhhauses Thalhammer getroffen. Das Video eines Stadtplatzbesuchers zeigt, wie knapp Raketen samt Feuerschweif über die Dächer streifen. „Wir haben unser Auto um 12 noch schnell rausgefahren“, sagt der Filmer.
Ortswechsel nach Neumarkt-St. Veit: „Die haben nicht geböllert, die haben Krieg gespielt.“ Wolfgang Hobmeier ist noch Tage nach Silvester entsetzt, was sich in der Silvesternacht auf dem Stadtplatz abgespielt hat. „Wie der Stadtplatz am Tag danach aussah, alles voller Müll“, erzählt er. „Wenn das so weiter geht, wird uns keine Familie mehr an den Stadtplatz ziehen.“
Dass Altstädte ein problematischer Bereich für Feuerwerke sind, ist bekannt. Dort liegen oft die Orte, an denen laut Sprengstoffgesetz gar nicht geböllert werden darf: Kirchen, Krankenhäuser, Kinder- und Altersheime oder leicht brennbare Gebäude.
Mühldorfer Feuerwehr für Böllerverbot
Für die Mühldorferin Susi Lafar ist klar: „Am Stadtplatz sind alles alte Häuser, wenn es da zu brennen anfängt, das will man sich gar nicht vorstellen.“ Sie würde deshalb im Altstadtbereich lieber auf Feuerwerk verzichten.
Das sagt auch Martin Strasser. Er ist Kommandant der Mühldorfer Feuerwehr und kennt den Altstadtbereich von zahlreichen Übungen und Einsätzen. Ein Feuer an Silvester sei in seiner Amtszeit noch nicht vorgekommen, sagt er. „Aber ich muss das auch nicht erleben.“
Denn die Häuser am Stadtplatz seien alle aneinander gebaut, nicht alle hätte Brandmauern. „Das Risiko ist durch diese Bauweise erhöht“, sagt er und folgert: „Ich würde ein Feuerwerksverbot im Altstadtbereich begrüßen.“
Obwohl es keinen Brand auf dem Stadtplatz gab, musste die Feuerwehr anrücken, wie Susi Lafar erzählt. So gegen 2 Uhr morgens sei das gewesen. Der Grund: Raketenbatterien, die es in jedem Supermarkt zu kaufen gibt. „Die fangen von selbst wieder an zu brennen“, sagt Feuerwehr-Kommandant Strasser. Auf dem Stadtplatz, am Stadtwall und beim Palermo hätten die leeren Pappschachteln gebrannt, „wir mussten sie ablöschen“. An der Mößlinger Straße sei das Gleiche mit einer leeren Raketenbatterie passiert, die schon in einer Mülltonne lag.
Eine Alternative zum privaten Böllern
Was also tun. Für Lafar steht fest: Feuerwerk in der Altstadt verbieten und etwas anderes machen. Sie wünscht sich, dass Stadt und Geschäfte etwas zusammen machen. Ein öffentliches Feuerwerk oder eine Lasershow. „Da könnten sich die Leute zusammentun.“
Für Christian Kühl, Vorsitzender der Aktionsgemeinschaft „Mühldorf gemeinsam“ eine denkbare Idee, die Kaufleute würden an einem Konzept für 2026 mitarbeiten. Er betont aber auch: „Wir haben nur beschränkte Kapazitäten an Manpower. Die Altstadtweihnacht hat gezeigt, wie aufwendig es ist, solch eine Veranstaltung auf die Beine zu stellen.“ Auch die Bezahlung sei ein Thema. Kühl ist sich aber sicher: „Wenn man das will, kriegt man auch eine Finanzierung her.“
Thema im Stadtrat von Neumarkt-St. Veit
Der Neumarkter Hobmeier will ein Verbot im Stadtrat thematisieren. „Entweder sollten wir die bundesweit laufende Petition für ein Böllerverbot unterschreiben oder eigene Ideen suchen“, sagt er. Bei Bürgermeister Erwin Baumgartner trifft er auf Verständnis. „Wir werden jetzt versuchen, das im Stadtplatz einzudämmen“, sagt er auf Anfrage zu.
Als erschreckend bezeichnet er den Müll. „Wir waren not amused, wie der Stadtplatz ausgeschaut hat.“ Anwohner hätten einen Teil beseitigt, für den Rest musste der Bauhof ran.
Warum es überhaupt zur Böllerei mitten auf dem Stadtplatz gekommen war, ist Baumgartner ein Rätsel, „denn die Gastronomie hatte geschlossen“. Er vermutet, dass sich die Feuerwerker verabredet hätten, um die Geschlossenheit des Stadtplatzes für den noch größeren Knalleffekt zu nutzen.
Bürgermeister sucht Weg für Verbot
Baumgartner will verhindern, dass sich Neumarkt-St. Veit zum Hotspot an Silvester entwickelt. Deswegen lässt die Stadt prüfen, ob sie ein Böllerverbot durchsetzen kann. Er verweist auf die Verordnung des Sprengstoffgesetzes, das das Abbrennen pyrotechnischer Gegenstände in bestimmten Bereichen verbietet. „Doch bleibt ein Problem bestehen: Wer soll das überwachen?“
Der Stadtrat in Mühldorf hatte sich 2019 mit dem Thema befasst. Damals teilte Bürgermeisterin Marianne Zollner mit, dass sich die Stadt ans Landratsamt wenden werde, um die rechtlichen Grundlagen zu klären. Das bestätigt Bürgermeister Michael Hetzl auf Anfrage. „Der Stadtrat hat das Thema vor meiner Amtszeit geprüft und keine Grundlage für ein Verbot gefunden.“
An dieser Sachlage habe sich nichts geändert. „Die Häuser in unserer schönen Altstadt verfügen zum Glück über brandsichere Dächer. Deshalb lässt sich ein Feuerwerksverbot dort nicht mit Vorgaben des Brand- oder Lärmschutzes begründen“, spricht Hetzl von „rechtlich wackeligen Füßen“, auf denen ein Verbot stünde. Auch die Kreisbrandinspektion sehe keine „erhebliche Brandempfindlichkeit“ der Häuser. Es gebe auch weder Beschwerden vom Krankenhaus noch vom Caritas-Altenheim.
Ein öffentliches Feuerwerk sei laut Stadt denkbar. Ob es auch machbar ist, müsse erst geprüft werden.
