Landwirt aus Niedertaufkirchen
Schutzlos dem Gift ausgesetzt: So leidet Biobauer Roßkothen an der unheilbaren Krankheit Parkinson
Maske, Handschuhe, Schutzanzug: Jahrzehntelang haben Bauern Pflanzenschutzmittel ohne jede Vorsichtsmaßnahme auf ihren Feldern verteilt. Mit dramatischen Folgen, wie das Schicksal des Biolandwirts Hubert Roßkothen aus Niedertaufkirchen zeigt.
Niedertaufkirchen – Es liegt schon Jahrzehnte zurück, doch Hubert Roßkothen erinnert sich gut. Wenn er auf seine Maisfelder fuhr und das Pflanzenschutzmittel Stomp spritzte. Roßkothen trug damals keine Maske, keine Handschuhe, keinen Schutzanzug. Sein Schlepper hatte keine Kabine. „Wenn ich den Mais mit dem Herbizid Stomp gespritzt habe, war ich danach ganz gelb.“ Das war nicht nur lästig, sondern lebensbedrohlich, wie sich Jahrzehnte später zeigt.
Seit 2005 war die Landwirtschaft Bio-Betrieb
Dabei ist der 62-Jährige Vorreiter bei der Umstellung auf Bio. Schon 2005 stellte er seine Landwirtschaft und verzichtete auf Spritzmittel verzichtet. Doch offenbar hatte sein Nervensystem da schon Schaden genommen. 2013 bemerkte er erste Symptome einer Krankheit, die damals noch als Depression diagnositiziert worden war. Erst 2019 die Gewissheit: Es ist Parkinson. Er sei endlos traurig gewesen, habe geweint wie ein Schlosshund“, erzählt er heute. Auf der anderen Seite sei er erleichtert gewesen, weil er endlich den Grund seiner Leiden kannte.
„Ein unerklärlicher Leistungsabfall, schleichende Unbeweglichkeit, immer wieder Verspannungen, Muskelschmerzen“, das sind die die drastischsten Einschränkungen, die der Niedertaufkirchner ertragen muss. Alle vier Stunden nimmt er Medikamente ein, damit die Schmerzen erträglich bleiben.
Für die ÖDP engagiert
120 Milchkühe, 80 Hektar Ackerland: Roßkothen schien alles richtig gemacht zu haben, als er sich entschied, den Bio-Weg einzuschlagen. Und das mit voller Überzeugung. Er hielt Vorträge, bildete junge Landwirte aus, engagierte sich bei der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP), für die er im Mühldorfer Kreistag saß.
Doch die Arbeit in der Landwirtschaft ist weitgehend nur noch Erinnerung. Vier Stunden , sagt er, maximal arbeitet er am Tag, betreibt nur noch Ackerbau. Jetzt, im letzten Drittel des Jahres, in den Wintermonaten hat er mit der Dunkelheit zu kämpfen. Und mit Depressionen. „Kein guter Tag heute“, sagt er beim Gespräch auf seinem Hof.
Frankreich erkennt Parkinson schon seit 2012 als Berufskrankheit an
Dass die Parkinson-Erkrankung seit April 2024 als Berufserkrankung auch in Deutschland anerkannt wird, nimmt er erleichtert zur Kenntnis. „Aber es hat lange gedauert.“ In Frankreich ist das schon seit 2012 so.
Fragebogen Ende April eingereicht – die Antwort steht noch aus
Bereits im April hat Roßkothen er einen achtseitigen Fragebogen ausgefüllt, den er von der Berufsgenossenschaft zugesandt bekommen hatte. Angaben zu Spritzmitteln, über die Häufigkeit, Symptome seiner Erkrankung, Prävention – alles Angaben, die eingefordert wurden, um zu bemessen, inwiefern betroffene Landwirte dadurch Ansprüche auf Unterstützung und Entschädigung geltend machen können.
Keine große Hoffnung auf Entschädigung
Am 30. April hat er diese Angaben eingereicht und wartet seitdem auf eine Antwort. Seine Hoffnung auf eine Entschädigung ist nicht groß. „Ich bin 62 Jahre alt. Bis da was anerkannt wird, bin ich schon in Rente.“ Aber aufrütteln will er. Betroffene Kollegen sensibilisieren, dass sie ebenfalls betroffen sein könnten. „Ich glaube, dass die Dunkelziffer ziemlich hoch ist“, sagt er. Er vermutet, dass andere Bauern zu stolz sein könnten, körperliche Beschwerden zu hinterfragen oder von einem Arzt untersuchen zulassen.
Tischtennis als Ablenkung
Er selbst setzt alles daran, seine Mobilität zu erhalten, dagegen anzukämpfen, dass die Parkinson-Erkrankung sein Leben allzu sehr einschränkt. Ablenkung erfährt er beim Tischtennis. Bei PingPongParkinson Deutschland e. V. steht er regelmäßig an der Tischtennisplatte, misst sich in einem internationalen Teilnehmerfeld bei Weltmeisterschaften. Erst im September war er im slowenischen Laško am Start, schaffte es im Einzel und im Doppel ins Viertelfinale.
Von tollen Begegnungen bei solchen Turnieren spricht Roßkothen, Begeisterung blitzt in seinen Augen auf, wenn er von Gesprächen mit dem ehemaligen Fernsehmoderator Frank Elstner spricht, der auch an Parkinson erkrankt ist. Oder, wenn er ein Bild herzeigt, das ihn mit Wolfgang Krebs zeigt. Auch der hat Parkinson, will seine Popularität dafür nutzen, andre Menschen zu sensibilisieren. Als Leiter des Schlosstheaters Thurnau in Bayern hat der Schauspieler und Regisseur ein Theaterstück über Parkinson auf die Bühne gebracht. „Kleine Schritte”, heißt es. „Vielleicht gelingt es mir, dass es auch im Raum Mühldorf aufgeführt wird.“
Begegnung mit Showmaster und Schauspieler
Nicht das einzige Ziel, ergänzt Roßkothen schließlich noch. Im Winter will er sich einer Komplextherapie unterziehen. Fünf Wochen wird er dafür in einer Spezialklinik für Parkinson in Bad Gögging verbringen. Und sich im neuen Jahr neuen Herausforderungen stellen. Klar, das ist vor allem die Parkinson-Erkrankung. Zum anderen sind es die Tischtennisturniere, die sich über ganz Deutschland verteilen, und die ihm so viel Kraft und Ablenkung geben.

