Langer Ausstand hat Folgen
Bahnstreik: Warum es am Wochenende noch schlimmer für Reisende kommt
Während sich GdL-Bezirksvorsitzender Uwe Böhm in Mühldorf mit streikenden Bahnmitarbeitern trifft, verkündet der Chef der Südostbayernbahn schlechte Nachrichten für Bahnreisende.
Von Markus Honervogt und Hans Rath
Mühldorf– So unterschiedlich kann die Stimmung nur wenige 100 Meter entfernt sein: Während in der Halle am Mühldorfer Bahnhof eher gespanntes Warten angesagt sind, herrscht in der Gaststube des Schwaigerkellers gelöste Atmosphäre.
Die Mühldorfer Wirtschaft ist das Streiklokal, mitten drin unter den gut vier Dutzend Frauen und Männern steht Uwe Böhm. Er ist der Bezirksvorsitzende der GdL, der Gewerkschaft der Lokführer, die derzeit einmal mehr Deutschlands Bahnverkehr lahmzulegen versucht.
Böhm saugt die Atmosphäre auf, ist begeistert: „Die Moral der Truppe ist gut“, sagt er und lenkt den Blick auf einen Aspekt des Streiks, der nach seiner Meinung oft zu kurz kommt: „Wir haben jetzt einmal die Chance zu zeigen, wie wir arbeiten.“
Krumme Schichtzeiten
Böhm spricht von „krummen Schichten“, Arbeitszeitanfängen, die sich oft verschieben und Ruhe- und Freizeit mitunter sehr kurz machen. Jetzt werde bekannt, unter welchen Bedingungen Lokführer, Zugbegleiter und auch Fahrdienstleiter arbeiten. „Den Leuten tut es gut, dass das jetzt mal zu sehen ist.“ Das wertet er als einen Erfolg.
Erfolg, wenn viele Züge ausfallen
Der andere Erfolg ist für Böhm natürlich der Ausfall möglichst vieler Züge. Konkrete Zahlen hat er nicht, weder für Bayern, die Region oder Mühldorf.
Die hat Matthias Krause, Geschäftsführer der Südostbayernbahn (SOB), für den Linienstern Mühldorf. Er sagt: „Wir konnten den Notfahrplan einigermaßen einhalten.“ Nach München ging es im Stundentakt, auf den Nebenstrecken war alle zwei Stunden ein Zug unterwegs.
Allerdings erwischte es bei diesem Streik die Strecke nach Simbach. Dort kamen auch Fahrdienstleiter nicht zur Arbeit, die Signale regeln und Weichen stellen. „Und dann geht auf einer Strecke natürlich gar nichts“, sagt Krause.
Mehr Ausfälle am Wochenende
Krause macht deutlich, dass der lange Streik Ressourcen fordert. Und das bekommen Fahrgäste am Wochenende zu spüren. Weil Lokführer unter der Woche mehr gearbeitet haben, leidet der Betrieb auf Nebenstrecken am Wochenende stärker. Wo welche Züge ausfallen, kann der SOB-Chef noch nicht sagen. „Wir arbeiten gerade am Fahrplan.“ Der steht natürlich wie immer im Internet.
GdL hofft auf neues Angebot
GdL‘er Böhm hofft, dass diese Ausfälle, dass der lange Streik die Bahn zwingt, ein „vernünftiges Angebot“ abzugeben. Denn nur so ließen sich Mitarbeiter auf Dauer gewinnen. Deshalb zählt für ihn auch das Argument nicht, dass die Bahn ohnehin zu wenig Personal habe. „Die haben kein Konzept“, sagt Böhm.
Bahn könnte höheren Abschluss finanzieren
Er geht davon aus, dass der Streik weitergehen wird, wenn die Bahn nicht auf die Gewerkschaft zu geht. „Die Truppe will weiter machen.“ Weniger arbeiten und trotzdem mehr Lohn, das sind die Kernforderungen. Böhm sagt: „Der letzte Abschluss war schon 2021“, also zwei Jahre ohne bessere Verdienstmöglichkeiten. „Die Bahn kann das finanzieren.“
Den Gewerkschaftler ficht die Kritik aus der Wirtschaft nicht an, die laut dem Institut der Deutschen Wirtschaft von einem täglichen Schaden von 100 Millionen Euro ausgeht. Er sagt nur: „So gravierend ist das auch nicht, sonst müsste der Bahnvorstand ja reagieren.“
Es ist nicht der erste Bahnstreik, der auch die Reisenden in Mühldorf trifft. Am Bahnhof ist es für einen Freitagvormittag sehr ruhig, erst am Nachmittag beleben sich die Gleise. Die Anzeigetafel ist voller Züge, die fahren.
Reisende reagieren unterschiedlich
Die wenigen Reisenden an diesem Vormittag reagieren unterschiedlich, wie eine Umfrage zeigt. So sagt Rosangela Santana-Geiger, die auf dem Weg nach Rosenheim ist: „Das ist sehr ärgerlich. Ich verstehe zwar einerseits die Streikenden, auf der anderen Seite nervt es mich doch sehr, wenn man zu einem bestimmten Zeitpunkt irgendwo sein muss.
Koljo Stojanov hat sein Auto zur Vorsicht im Parkdeck stehen, um bei einem überraschenden Zugausfall umsteigen zu können. Mitgefühl für alle, die auf die Bahn angewiesen sind, zeigt Rentnerin Irene Hieber: „Für Arbeitende oder Schüler ist der Streik schlimmer als für mich, denn die müssen ja zu einem bestimmten Termin irgendwo ankommen.“
Andere, wie Sebastian Klosa, sind auf längeren Strecken elf statt sieben Stunden unterwegs.
Gewerkschaftler Böhm hat naturgemäß einen anderen Blick auf die Situation der Fahrgäste. Er glaubt: „Die Leute sind von der Bahn doch schon Leid geprüft“, spricht er von Verspätungen, Zugausfällen, Winterchaos. „Wenn das nicht wäre, wäre der Streik nicht so schlimm.“





